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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Unsre Rohlemwt

Steueruachlüsfe für die ersten drei Jahre der Verleihung des Bergwerks, da
nur die wirklich säumigen Besitzer von der Steuer getroffen werden sollen.
Der Weg ist durchaus gangbar und empfehlenswert und wohl geeignet, eine
Kohlennot künftig weniger wahrscheinlich zu machen. Die Maßregel würde
übrigens in Preußen eine beträchtliche Einnahme für den Staat abgeben.'

Doch mit dieser Maßregel sind die Mittel zur Abstellung der Kohlennot
nicht erschöpft. Wer die Notizen zu dieser Frage in der Presse verfolgt hat,
wird gefunden haben, daß die Bergwerkbesitzer einen Teil der Kohlennot auch
darauf schiebe", daß es ihnen zur weitern Steigerung der Forderung an Ar¬
beitern fehle; wer den Verhältnissen näher steht, weiß, daß diese Klagen nur
zu sehr begründet sind. Die Thatsache ist umso anfallender, als die Löhne
der Bergarbeiter in den letzten Jahren stetig gestiegen sind und bald eine Höhe
erreicht haben, über die im Interesse der Rentabilität des heimischen Berghaus,
wenn erst normale Preisverhältnisse wiederkehren, nicht gegangen werden kann.
Ein Hauptgrund für das geringere Zuströmen der Arbeiter zur Bergarbeit
liegt wohl darin, daß in den Kohlenrevieren die Familien abnehmen, in denen
es bisher zur Tradition gehörte, daß sich ihre Kinder dem Bergmannsstande
widmeten. Der Ersatz aus andern Kreisen scheint ungenügend zu sein. Es ist
eben nicht jedermanns Sache, sich seineu Tagesverdienst in einer Tiefe von
sechshundert Metern zu suchen; sobald er in andern Industriezweigen bessere
Arbeitsgelegenheit findet, wechselt er die Arbeitsstelle. Dazu kommt noch, daß
zur Bergarbeit teilweise besonders geschickte Leute erforderlich sind, und nicht
jeder, der sich hierzu meldet, genommen werden kann. Für die Bergnrbeit
sind Gewöhnung, Lust und Liebe und außerdem Mut erforderlich. Jetzt zeigen
sich die Folge"? der neuen Gesetzgebung, die den Vergmannsstcmd dadurch auf¬
hob, daß sie ihm seine frühern Privilegien (Befreiung von Personalabgaben
und vom Kriegsdienst) nahm und den Bergmann sozial ganz den übrigen
Arbeitern gleichstellte. Es soll aber damit nicht gesagt werden, daß solche
Privilegien wieder eingeführt werden müssen. Die Weltgeschichte kann man auch
hierin nicht zurückschrauben. Aber es wäre ratsam, daß mit Hilfe einer günstigen
Altersversicherung und mit staatlichen Anerkennungen für langjährige Dienste
ein Weg gefunden würde, die Bergarbeiter mehr als bisher an ihren Beruf
zu fesseln und diesem neue Arbeitslustige zuzuführen. Es würde zu weit gehn,
den Gedanken hier auszuspinnen; es soll dies gelegentlich einmal geschehn.

Die Schwierigkeiten bei der Arbeiterfrage zeigen schon, daß die Beseitigung
der Kohlennot auch in Zukunft immer ein Problem der Staatskunst bleibe"
wird. Es werden deshalb noch andre Mittel zur Hilfe herangezogen werden
müsse".

Vor allen Dinge" ist notwendig, daß die geförderten Kohlen nicht un¬
nötig verschleudert werden. In dieser Beziehung liegt fast alles in Deutsch¬
land noch im argen. Gute Heizanlagen, die die Kohlen voll ausnutzen, findet
man noch selten. Mai? prüfe nur eiinnal die Kefselnnlagen der kleinern Fabriken
und die Heizvorrichtnngen der Wohnhäuser auf ihren Kohlenverbrauch; man


Unsre Rohlemwt

Steueruachlüsfe für die ersten drei Jahre der Verleihung des Bergwerks, da
nur die wirklich säumigen Besitzer von der Steuer getroffen werden sollen.
Der Weg ist durchaus gangbar und empfehlenswert und wohl geeignet, eine
Kohlennot künftig weniger wahrscheinlich zu machen. Die Maßregel würde
übrigens in Preußen eine beträchtliche Einnahme für den Staat abgeben.'

Doch mit dieser Maßregel sind die Mittel zur Abstellung der Kohlennot
nicht erschöpft. Wer die Notizen zu dieser Frage in der Presse verfolgt hat,
wird gefunden haben, daß die Bergwerkbesitzer einen Teil der Kohlennot auch
darauf schiebe», daß es ihnen zur weitern Steigerung der Forderung an Ar¬
beitern fehle; wer den Verhältnissen näher steht, weiß, daß diese Klagen nur
zu sehr begründet sind. Die Thatsache ist umso anfallender, als die Löhne
der Bergarbeiter in den letzten Jahren stetig gestiegen sind und bald eine Höhe
erreicht haben, über die im Interesse der Rentabilität des heimischen Berghaus,
wenn erst normale Preisverhältnisse wiederkehren, nicht gegangen werden kann.
Ein Hauptgrund für das geringere Zuströmen der Arbeiter zur Bergarbeit
liegt wohl darin, daß in den Kohlenrevieren die Familien abnehmen, in denen
es bisher zur Tradition gehörte, daß sich ihre Kinder dem Bergmannsstande
widmeten. Der Ersatz aus andern Kreisen scheint ungenügend zu sein. Es ist
eben nicht jedermanns Sache, sich seineu Tagesverdienst in einer Tiefe von
sechshundert Metern zu suchen; sobald er in andern Industriezweigen bessere
Arbeitsgelegenheit findet, wechselt er die Arbeitsstelle. Dazu kommt noch, daß
zur Bergarbeit teilweise besonders geschickte Leute erforderlich sind, und nicht
jeder, der sich hierzu meldet, genommen werden kann. Für die Bergnrbeit
sind Gewöhnung, Lust und Liebe und außerdem Mut erforderlich. Jetzt zeigen
sich die Folge«? der neuen Gesetzgebung, die den Vergmannsstcmd dadurch auf¬
hob, daß sie ihm seine frühern Privilegien (Befreiung von Personalabgaben
und vom Kriegsdienst) nahm und den Bergmann sozial ganz den übrigen
Arbeitern gleichstellte. Es soll aber damit nicht gesagt werden, daß solche
Privilegien wieder eingeführt werden müssen. Die Weltgeschichte kann man auch
hierin nicht zurückschrauben. Aber es wäre ratsam, daß mit Hilfe einer günstigen
Altersversicherung und mit staatlichen Anerkennungen für langjährige Dienste
ein Weg gefunden würde, die Bergarbeiter mehr als bisher an ihren Beruf
zu fesseln und diesem neue Arbeitslustige zuzuführen. Es würde zu weit gehn,
den Gedanken hier auszuspinnen; es soll dies gelegentlich einmal geschehn.

Die Schwierigkeiten bei der Arbeiterfrage zeigen schon, daß die Beseitigung
der Kohlennot auch in Zukunft immer ein Problem der Staatskunst bleibe»
wird. Es werden deshalb noch andre Mittel zur Hilfe herangezogen werden
müsse».

Vor allen Dinge» ist notwendig, daß die geförderten Kohlen nicht un¬
nötig verschleudert werden. In dieser Beziehung liegt fast alles in Deutsch¬
land noch im argen. Gute Heizanlagen, die die Kohlen voll ausnutzen, findet
man noch selten. Mai? prüfe nur eiinnal die Kefselnnlagen der kleinern Fabriken
und die Heizvorrichtnngen der Wohnhäuser auf ihren Kohlenverbrauch; man


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[0080] Unsre Rohlemwt Steueruachlüsfe für die ersten drei Jahre der Verleihung des Bergwerks, da nur die wirklich säumigen Besitzer von der Steuer getroffen werden sollen. Der Weg ist durchaus gangbar und empfehlenswert und wohl geeignet, eine Kohlennot künftig weniger wahrscheinlich zu machen. Die Maßregel würde übrigens in Preußen eine beträchtliche Einnahme für den Staat abgeben.' Doch mit dieser Maßregel sind die Mittel zur Abstellung der Kohlennot nicht erschöpft. Wer die Notizen zu dieser Frage in der Presse verfolgt hat, wird gefunden haben, daß die Bergwerkbesitzer einen Teil der Kohlennot auch darauf schiebe», daß es ihnen zur weitern Steigerung der Forderung an Ar¬ beitern fehle; wer den Verhältnissen näher steht, weiß, daß diese Klagen nur zu sehr begründet sind. Die Thatsache ist umso anfallender, als die Löhne der Bergarbeiter in den letzten Jahren stetig gestiegen sind und bald eine Höhe erreicht haben, über die im Interesse der Rentabilität des heimischen Berghaus, wenn erst normale Preisverhältnisse wiederkehren, nicht gegangen werden kann. Ein Hauptgrund für das geringere Zuströmen der Arbeiter zur Bergarbeit liegt wohl darin, daß in den Kohlenrevieren die Familien abnehmen, in denen es bisher zur Tradition gehörte, daß sich ihre Kinder dem Bergmannsstande widmeten. Der Ersatz aus andern Kreisen scheint ungenügend zu sein. Es ist eben nicht jedermanns Sache, sich seineu Tagesverdienst in einer Tiefe von sechshundert Metern zu suchen; sobald er in andern Industriezweigen bessere Arbeitsgelegenheit findet, wechselt er die Arbeitsstelle. Dazu kommt noch, daß zur Bergarbeit teilweise besonders geschickte Leute erforderlich sind, und nicht jeder, der sich hierzu meldet, genommen werden kann. Für die Bergnrbeit sind Gewöhnung, Lust und Liebe und außerdem Mut erforderlich. Jetzt zeigen sich die Folge«? der neuen Gesetzgebung, die den Vergmannsstcmd dadurch auf¬ hob, daß sie ihm seine frühern Privilegien (Befreiung von Personalabgaben und vom Kriegsdienst) nahm und den Bergmann sozial ganz den übrigen Arbeitern gleichstellte. Es soll aber damit nicht gesagt werden, daß solche Privilegien wieder eingeführt werden müssen. Die Weltgeschichte kann man auch hierin nicht zurückschrauben. Aber es wäre ratsam, daß mit Hilfe einer günstigen Altersversicherung und mit staatlichen Anerkennungen für langjährige Dienste ein Weg gefunden würde, die Bergarbeiter mehr als bisher an ihren Beruf zu fesseln und diesem neue Arbeitslustige zuzuführen. Es würde zu weit gehn, den Gedanken hier auszuspinnen; es soll dies gelegentlich einmal geschehn. Die Schwierigkeiten bei der Arbeiterfrage zeigen schon, daß die Beseitigung der Kohlennot auch in Zukunft immer ein Problem der Staatskunst bleibe» wird. Es werden deshalb noch andre Mittel zur Hilfe herangezogen werden müsse». Vor allen Dinge» ist notwendig, daß die geförderten Kohlen nicht un¬ nötig verschleudert werden. In dieser Beziehung liegt fast alles in Deutsch¬ land noch im argen. Gute Heizanlagen, die die Kohlen voll ausnutzen, findet man noch selten. Mai? prüfe nur eiinnal die Kefselnnlagen der kleinern Fabriken und die Heizvorrichtnngen der Wohnhäuser auf ihren Kohlenverbrauch; man

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/80>, abgerufen am 26.06.2024.