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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Zur innern Kolonisation in Preußen

Folge der Art ihrer Geschäfte in Betracht. Es sei darum, gelinde gesagt, un¬
begreiflich, daß sie sich noch über mangelndes Entgegenkommen der Behörden
beklage; sollten diese etwa dazu behilflich sein, daß noch höhere Prozente ver¬
dient würden?

Wir meinen, dieser Mahn- und Warnruf ist leider nur zu sehr berechtigt.
Die Laudbcmk und ihr hoher Verdienst im Zwischenhandel auf Kosten der
Landwirtschaft sind für uns dabei nur ein charakteristisches Beispiel -- eins
für viele! Die Landbank ist eben Kaufmann und Geschäftsmann in erster und
letzter Reihe -- genau so, wie die andern kleinern und kleinsten gewerbs¬
mäßigen "Parzellöre." So hat die "Deutsche Ansiedlungsbank" in Berlin
nach ihrem Geschäftsbericht für 1898 bei einem eingezahlten Kapital von einer
Million Mark ans der Parzellierung zweier Rittergüter einen Gewinn von
76000 Mark erzielt und davon 8 vom Hundert' mit 52000 Mark als
Dividende an die Aktionäre verteilt -- dieselbe Bank, die erst kürzlich im
Kreise Czcirnikan unmittelbar an der deutsch-polnischen Sprachgrenze der
Provinz Posen dem hartbedrüngten Deutschtum durch den Verkauf eines großen
Restgutes aus deutscher Hand an einen Polen einen sehr schlechten Dienst er¬
wiesen hat -- natürlich mit eignem gutem Verdienst. Und das war ja die
Hauptsache! Ein bekannter jüdischer "Vermittler" im Kreise Kolberg würde
auch davon erzählen können, was das "Geschüft" einbringt. So könnten wir
noch vieles aufzählen. Jede persönliche Anfeindung scheidet für uns aus,
sachlich aber müssen wir immer wieder die Meinung vertreten, daß die innere
Kolonisation nicht dem "Geschäft," und das ist doch die große und die kleine
Güterschlächterei, überlassen und überantwortet werden kann und darf. Viel¬
mehr drängen alle Erfahrungen dahin, im Staatsinteresse unbedingt zu fordern,
daß der Staat als höchsteigner Unternehmer die Güterverteilung im Osten in
seine eigne starke Hand nimmt. Dazu dürften die obigen Zählen wieder be¬
weisen, daß er das auch als Finanzmann bedenkenfrei thun kann. Es handelt
sich für uns im Osten doch wahrlich nicht bloß darum, daß eiuer und mehrere
Ansiedler als solche lebensfähig angesetzt werden und dann wohl für sich auf
ihrer neuen Stelle auch vorwärts kommen können, es handelt sich vielmehr
darum, in unserm preußischen Osten ganze und große lebensfähige neue Gemein¬
wesen zu schassen, und zwar -- damit steht auch die brennende Landarbeiter¬
frage in engster Verbindung -- dort, wo sie am Platze sind. Die erste
Grundlage solcher neuer Gemeinwesen aber ist, abgesehen von der richtigen
Gliederung der Besitzstände auf einem zur Besiedlung überhaupt geeigneten
Boden, das Gemeindevermögen, an dessen Fehlen auch die sonst so vorbildliche
Ansiedlungspolitik des großen Friedrich krankt. Die Ausgestaltung der öffent¬
lich-rechtlichen Verhältnisse einer Kolonie mit Bezug aus die Gemeinde, die
gemeinwirtschaftlichen Verhältnisse, auch die Schule und die Kirche sind und
bleiben aber für den gewerbsmäßigen Kolonisator hohe Klippen, die er mög¬
lichst zu umschiffen bemüht sein wird, für den Staat als Kolonisator dagegen
die vornehmste Aufgabe. Man hatte ja deshalb in Preußen einen so guten


Zur innern Kolonisation in Preußen

Folge der Art ihrer Geschäfte in Betracht. Es sei darum, gelinde gesagt, un¬
begreiflich, daß sie sich noch über mangelndes Entgegenkommen der Behörden
beklage; sollten diese etwa dazu behilflich sein, daß noch höhere Prozente ver¬
dient würden?

Wir meinen, dieser Mahn- und Warnruf ist leider nur zu sehr berechtigt.
Die Laudbcmk und ihr hoher Verdienst im Zwischenhandel auf Kosten der
Landwirtschaft sind für uns dabei nur ein charakteristisches Beispiel — eins
für viele! Die Landbank ist eben Kaufmann und Geschäftsmann in erster und
letzter Reihe — genau so, wie die andern kleinern und kleinsten gewerbs¬
mäßigen „Parzellöre." So hat die „Deutsche Ansiedlungsbank" in Berlin
nach ihrem Geschäftsbericht für 1898 bei einem eingezahlten Kapital von einer
Million Mark ans der Parzellierung zweier Rittergüter einen Gewinn von
76000 Mark erzielt und davon 8 vom Hundert' mit 52000 Mark als
Dividende an die Aktionäre verteilt — dieselbe Bank, die erst kürzlich im
Kreise Czcirnikan unmittelbar an der deutsch-polnischen Sprachgrenze der
Provinz Posen dem hartbedrüngten Deutschtum durch den Verkauf eines großen
Restgutes aus deutscher Hand an einen Polen einen sehr schlechten Dienst er¬
wiesen hat — natürlich mit eignem gutem Verdienst. Und das war ja die
Hauptsache! Ein bekannter jüdischer „Vermittler" im Kreise Kolberg würde
auch davon erzählen können, was das „Geschüft" einbringt. So könnten wir
noch vieles aufzählen. Jede persönliche Anfeindung scheidet für uns aus,
sachlich aber müssen wir immer wieder die Meinung vertreten, daß die innere
Kolonisation nicht dem „Geschäft," und das ist doch die große und die kleine
Güterschlächterei, überlassen und überantwortet werden kann und darf. Viel¬
mehr drängen alle Erfahrungen dahin, im Staatsinteresse unbedingt zu fordern,
daß der Staat als höchsteigner Unternehmer die Güterverteilung im Osten in
seine eigne starke Hand nimmt. Dazu dürften die obigen Zählen wieder be¬
weisen, daß er das auch als Finanzmann bedenkenfrei thun kann. Es handelt
sich für uns im Osten doch wahrlich nicht bloß darum, daß eiuer und mehrere
Ansiedler als solche lebensfähig angesetzt werden und dann wohl für sich auf
ihrer neuen Stelle auch vorwärts kommen können, es handelt sich vielmehr
darum, in unserm preußischen Osten ganze und große lebensfähige neue Gemein¬
wesen zu schassen, und zwar — damit steht auch die brennende Landarbeiter¬
frage in engster Verbindung — dort, wo sie am Platze sind. Die erste
Grundlage solcher neuer Gemeinwesen aber ist, abgesehen von der richtigen
Gliederung der Besitzstände auf einem zur Besiedlung überhaupt geeigneten
Boden, das Gemeindevermögen, an dessen Fehlen auch die sonst so vorbildliche
Ansiedlungspolitik des großen Friedrich krankt. Die Ausgestaltung der öffent¬
lich-rechtlichen Verhältnisse einer Kolonie mit Bezug aus die Gemeinde, die
gemeinwirtschaftlichen Verhältnisse, auch die Schule und die Kirche sind und
bleiben aber für den gewerbsmäßigen Kolonisator hohe Klippen, die er mög¬
lichst zu umschiffen bemüht sein wird, für den Staat als Kolonisator dagegen
die vornehmste Aufgabe. Man hatte ja deshalb in Preußen einen so guten


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[0674] Zur innern Kolonisation in Preußen Folge der Art ihrer Geschäfte in Betracht. Es sei darum, gelinde gesagt, un¬ begreiflich, daß sie sich noch über mangelndes Entgegenkommen der Behörden beklage; sollten diese etwa dazu behilflich sein, daß noch höhere Prozente ver¬ dient würden? Wir meinen, dieser Mahn- und Warnruf ist leider nur zu sehr berechtigt. Die Laudbcmk und ihr hoher Verdienst im Zwischenhandel auf Kosten der Landwirtschaft sind für uns dabei nur ein charakteristisches Beispiel — eins für viele! Die Landbank ist eben Kaufmann und Geschäftsmann in erster und letzter Reihe — genau so, wie die andern kleinern und kleinsten gewerbs¬ mäßigen „Parzellöre." So hat die „Deutsche Ansiedlungsbank" in Berlin nach ihrem Geschäftsbericht für 1898 bei einem eingezahlten Kapital von einer Million Mark ans der Parzellierung zweier Rittergüter einen Gewinn von 76000 Mark erzielt und davon 8 vom Hundert' mit 52000 Mark als Dividende an die Aktionäre verteilt — dieselbe Bank, die erst kürzlich im Kreise Czcirnikan unmittelbar an der deutsch-polnischen Sprachgrenze der Provinz Posen dem hartbedrüngten Deutschtum durch den Verkauf eines großen Restgutes aus deutscher Hand an einen Polen einen sehr schlechten Dienst er¬ wiesen hat — natürlich mit eignem gutem Verdienst. Und das war ja die Hauptsache! Ein bekannter jüdischer „Vermittler" im Kreise Kolberg würde auch davon erzählen können, was das „Geschüft" einbringt. So könnten wir noch vieles aufzählen. Jede persönliche Anfeindung scheidet für uns aus, sachlich aber müssen wir immer wieder die Meinung vertreten, daß die innere Kolonisation nicht dem „Geschäft," und das ist doch die große und die kleine Güterschlächterei, überlassen und überantwortet werden kann und darf. Viel¬ mehr drängen alle Erfahrungen dahin, im Staatsinteresse unbedingt zu fordern, daß der Staat als höchsteigner Unternehmer die Güterverteilung im Osten in seine eigne starke Hand nimmt. Dazu dürften die obigen Zählen wieder be¬ weisen, daß er das auch als Finanzmann bedenkenfrei thun kann. Es handelt sich für uns im Osten doch wahrlich nicht bloß darum, daß eiuer und mehrere Ansiedler als solche lebensfähig angesetzt werden und dann wohl für sich auf ihrer neuen Stelle auch vorwärts kommen können, es handelt sich vielmehr darum, in unserm preußischen Osten ganze und große lebensfähige neue Gemein¬ wesen zu schassen, und zwar — damit steht auch die brennende Landarbeiter¬ frage in engster Verbindung — dort, wo sie am Platze sind. Die erste Grundlage solcher neuer Gemeinwesen aber ist, abgesehen von der richtigen Gliederung der Besitzstände auf einem zur Besiedlung überhaupt geeigneten Boden, das Gemeindevermögen, an dessen Fehlen auch die sonst so vorbildliche Ansiedlungspolitik des großen Friedrich krankt. Die Ausgestaltung der öffent¬ lich-rechtlichen Verhältnisse einer Kolonie mit Bezug aus die Gemeinde, die gemeinwirtschaftlichen Verhältnisse, auch die Schule und die Kirche sind und bleiben aber für den gewerbsmäßigen Kolonisator hohe Klippen, die er mög¬ lichst zu umschiffen bemüht sein wird, für den Staat als Kolonisator dagegen die vornehmste Aufgabe. Man hatte ja deshalb in Preußen einen so guten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/674>, abgerufen am 26.06.2024.