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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Litteratur

selbst einzelne solcher Lieder mit aufgenommen, Wohl in der Erwägung, daß eines
viele Lieder des achtzehnten Jahrhunderts, namentlich in den Kompositionen von
Schulz, Reichardt, Zelter, doch lediglich durch den Einzelgesang am Klavier, im
Haus und in der Familie, volkstümlich geworden sind. Man müßte dann freilich
noch weiter gehn und mich das neuere Salonlied berücksichtigen. Von Rubinstein
z. B. sind einzelne Lieder sehr bekannt und beliebt geworden. Die paar senti¬
mentalen Nummern von Lassen genügen nicht.

Auf der andern Seite hat der Herausgeber auch einem Gassenhauer wie dem
Bienenhaus Aufnahme gewährt. Unsre Gassenhauer gehören ja ohne Zweifel
auch zu den volkstümlichen Liedern. Fängt man aber einmal damit an, so findet
man kein Ende, denn sie bilden doch eine Gruppe sür sich. Erstens schon deshalb,
weil bei ihnen nicht der Text, sondern die Musik die Hauptsache und oft auch das
Frühere ist: unsre Gassenhauer stammen gewöhnlich aus der Operette, oder es sind
beliebt gewordne Marsch- und Tanzweisen, denen man einen Text untergelegt hat,
und neuerdings dringen sie wohl auch aus dein "Variötö" auf die Gasse. Der
Gassenhauer hat aber auch ein viel kürzeres Dasein als das volkstümliche Lied.
Während das Lied Jahrzehnte, bisweilen Jahrhunderte überdauert, lebt der Gassen¬
hauer nur ein halbes Jahr, höchstens ein Jahr. Man kann sagen, daß in den
letzten dreißig Jahren jedes Jahr immer zwei bis drei Gassenhauer nebeneinander
in Blüte gestanden haben; kommt ein vierter hinzu, so stirbt der erste sicherlich ab.
Es wäre eine lohnende Aufgabe, einmal die deutschen Gassenhauer des neunzehnten
Jahrhunderts zu sammeln, aber freilich, leicht ist die Aufgabe nicht. Eigentlich kann
sie nur der lösen, der die Gassenhauer alle mit erlebt hat. Wer sie also auch nur
bis 1850 zurück sammeln wollte, müßte schon ein Mann von fünfundsechzig bis
siebzig Jahren sein. Der würde dann, wenn er sich die nötigen Hilfsmittel zu
verschaffen wüßte, aus dem letzten halben Jahrhundert etwa hundertfünfzig Stück
zusammenbringen. In den fünfziger Jahren florierte die Polka. Da sang man
nach beliebten Polkamelodien: "Wahns dich, kämm dich, putz dich schön" oder "Trau¬
gott, laß den Affen los" oder "Ach ich bin so müde." Ein jüngeres Geschlecht
hat sich dann an Hirsch in der Tanzstunde ergötzt ("Eins, zwei, drei, bei der Bank
vorbei"), an der Witwe Quinche und an Ladewigs großem Portemonnaie. Noch
später kam "Fischerin, du kleine," "Auf der grünen Wiese," "Im Grünewald, im
Grünewald ist Holzauktion," "Ja, beim Souper," "Ist denn kein Stuhl da,"
"Komm, Karline" -- die herrliche Washingtonpost nicht zu vergessen ("Sie hat
en Floh -- rentiner Hut"). An dem Wege, an dem alle diese Blumen geblüht
haben, steht auch das Bienenhaus.

Fleißig benutzt hat der Herausgeber namentlich auch die neuern Provinzial-
sammluugen von Volksliedern, ferner Schulliederbücher und Kommersbücher. Dabei
hat natürlich auch manches mit Aufnahme gefunden, was nur in verhältnismäßig
engen Kreisen volkstümlich geworden ist. Mit Schulliederbüchern und Kommers¬
büchern muß man sehr vorsichtig sein. Sie gleichen Kaufläden, in denen einem
eine Menge Dinge als "beliebt" angepriesen werden, von denen der Herausgeber
bloß wünscht, daß sie beliebt werden -- möchten. Wenn der betriebsame Veranstalter
einer solchen Sammlung irgend ein Lied, das ihm gefällt, mit aufnimmt und seine
Schulkinder singen läßt, so wird deshalb noch lange kein volkstümliches Lied daraus.
In manchen Schulen wird jetzt sogar das Brahmssche Wiegenlied gesungen ("Guten
Abend, gut Nacht"), das bei all seiner kunstvollen Einfachheit doch unverkennbar
nach dem Studierzimmer und demi Salon duftet. Kann so etwas später, nach dem
Abschluß der Schulzeit, noch Halt haben?

Der Herausgeber selbst erörtert ja im Vorwort die oft erörterte Frage nach
dem Unterschied zwischen dem Kunstlied, dem "volkstümlichen" Lied und dem "Volks¬
lied." Die Sache scheint uns sehr einfach zu sein. Die drei verhalten sich zu


Litteratur

selbst einzelne solcher Lieder mit aufgenommen, Wohl in der Erwägung, daß eines
viele Lieder des achtzehnten Jahrhunderts, namentlich in den Kompositionen von
Schulz, Reichardt, Zelter, doch lediglich durch den Einzelgesang am Klavier, im
Haus und in der Familie, volkstümlich geworden sind. Man müßte dann freilich
noch weiter gehn und mich das neuere Salonlied berücksichtigen. Von Rubinstein
z. B. sind einzelne Lieder sehr bekannt und beliebt geworden. Die paar senti¬
mentalen Nummern von Lassen genügen nicht.

Auf der andern Seite hat der Herausgeber auch einem Gassenhauer wie dem
Bienenhaus Aufnahme gewährt. Unsre Gassenhauer gehören ja ohne Zweifel
auch zu den volkstümlichen Liedern. Fängt man aber einmal damit an, so findet
man kein Ende, denn sie bilden doch eine Gruppe sür sich. Erstens schon deshalb,
weil bei ihnen nicht der Text, sondern die Musik die Hauptsache und oft auch das
Frühere ist: unsre Gassenhauer stammen gewöhnlich aus der Operette, oder es sind
beliebt gewordne Marsch- und Tanzweisen, denen man einen Text untergelegt hat,
und neuerdings dringen sie wohl auch aus dein „Variötö" auf die Gasse. Der
Gassenhauer hat aber auch ein viel kürzeres Dasein als das volkstümliche Lied.
Während das Lied Jahrzehnte, bisweilen Jahrhunderte überdauert, lebt der Gassen¬
hauer nur ein halbes Jahr, höchstens ein Jahr. Man kann sagen, daß in den
letzten dreißig Jahren jedes Jahr immer zwei bis drei Gassenhauer nebeneinander
in Blüte gestanden haben; kommt ein vierter hinzu, so stirbt der erste sicherlich ab.
Es wäre eine lohnende Aufgabe, einmal die deutschen Gassenhauer des neunzehnten
Jahrhunderts zu sammeln, aber freilich, leicht ist die Aufgabe nicht. Eigentlich kann
sie nur der lösen, der die Gassenhauer alle mit erlebt hat. Wer sie also auch nur
bis 1850 zurück sammeln wollte, müßte schon ein Mann von fünfundsechzig bis
siebzig Jahren sein. Der würde dann, wenn er sich die nötigen Hilfsmittel zu
verschaffen wüßte, aus dem letzten halben Jahrhundert etwa hundertfünfzig Stück
zusammenbringen. In den fünfziger Jahren florierte die Polka. Da sang man
nach beliebten Polkamelodien: „Wahns dich, kämm dich, putz dich schön" oder „Trau¬
gott, laß den Affen los" oder „Ach ich bin so müde." Ein jüngeres Geschlecht
hat sich dann an Hirsch in der Tanzstunde ergötzt („Eins, zwei, drei, bei der Bank
vorbei"), an der Witwe Quinche und an Ladewigs großem Portemonnaie. Noch
später kam „Fischerin, du kleine," „Auf der grünen Wiese," „Im Grünewald, im
Grünewald ist Holzauktion," „Ja, beim Souper," „Ist denn kein Stuhl da,"
„Komm, Karline" — die herrliche Washingtonpost nicht zu vergessen („Sie hat
en Floh — rentiner Hut"). An dem Wege, an dem alle diese Blumen geblüht
haben, steht auch das Bienenhaus.

Fleißig benutzt hat der Herausgeber namentlich auch die neuern Provinzial-
sammluugen von Volksliedern, ferner Schulliederbücher und Kommersbücher. Dabei
hat natürlich auch manches mit Aufnahme gefunden, was nur in verhältnismäßig
engen Kreisen volkstümlich geworden ist. Mit Schulliederbüchern und Kommers¬
büchern muß man sehr vorsichtig sein. Sie gleichen Kaufläden, in denen einem
eine Menge Dinge als „beliebt" angepriesen werden, von denen der Herausgeber
bloß wünscht, daß sie beliebt werden — möchten. Wenn der betriebsame Veranstalter
einer solchen Sammlung irgend ein Lied, das ihm gefällt, mit aufnimmt und seine
Schulkinder singen läßt, so wird deshalb noch lange kein volkstümliches Lied daraus.
In manchen Schulen wird jetzt sogar das Brahmssche Wiegenlied gesungen („Guten
Abend, gut Nacht"), das bei all seiner kunstvollen Einfachheit doch unverkennbar
nach dem Studierzimmer und demi Salon duftet. Kann so etwas später, nach dem
Abschluß der Schulzeit, noch Halt haben?

Der Herausgeber selbst erörtert ja im Vorwort die oft erörterte Frage nach
dem Unterschied zwischen dem Kunstlied, dem „volkstümlichen" Lied und dem „Volks¬
lied." Die Sache scheint uns sehr einfach zu sein. Die drei verhalten sich zu


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[0480] Litteratur selbst einzelne solcher Lieder mit aufgenommen, Wohl in der Erwägung, daß eines viele Lieder des achtzehnten Jahrhunderts, namentlich in den Kompositionen von Schulz, Reichardt, Zelter, doch lediglich durch den Einzelgesang am Klavier, im Haus und in der Familie, volkstümlich geworden sind. Man müßte dann freilich noch weiter gehn und mich das neuere Salonlied berücksichtigen. Von Rubinstein z. B. sind einzelne Lieder sehr bekannt und beliebt geworden. Die paar senti¬ mentalen Nummern von Lassen genügen nicht. Auf der andern Seite hat der Herausgeber auch einem Gassenhauer wie dem Bienenhaus Aufnahme gewährt. Unsre Gassenhauer gehören ja ohne Zweifel auch zu den volkstümlichen Liedern. Fängt man aber einmal damit an, so findet man kein Ende, denn sie bilden doch eine Gruppe sür sich. Erstens schon deshalb, weil bei ihnen nicht der Text, sondern die Musik die Hauptsache und oft auch das Frühere ist: unsre Gassenhauer stammen gewöhnlich aus der Operette, oder es sind beliebt gewordne Marsch- und Tanzweisen, denen man einen Text untergelegt hat, und neuerdings dringen sie wohl auch aus dein „Variötö" auf die Gasse. Der Gassenhauer hat aber auch ein viel kürzeres Dasein als das volkstümliche Lied. Während das Lied Jahrzehnte, bisweilen Jahrhunderte überdauert, lebt der Gassen¬ hauer nur ein halbes Jahr, höchstens ein Jahr. Man kann sagen, daß in den letzten dreißig Jahren jedes Jahr immer zwei bis drei Gassenhauer nebeneinander in Blüte gestanden haben; kommt ein vierter hinzu, so stirbt der erste sicherlich ab. Es wäre eine lohnende Aufgabe, einmal die deutschen Gassenhauer des neunzehnten Jahrhunderts zu sammeln, aber freilich, leicht ist die Aufgabe nicht. Eigentlich kann sie nur der lösen, der die Gassenhauer alle mit erlebt hat. Wer sie also auch nur bis 1850 zurück sammeln wollte, müßte schon ein Mann von fünfundsechzig bis siebzig Jahren sein. Der würde dann, wenn er sich die nötigen Hilfsmittel zu verschaffen wüßte, aus dem letzten halben Jahrhundert etwa hundertfünfzig Stück zusammenbringen. In den fünfziger Jahren florierte die Polka. Da sang man nach beliebten Polkamelodien: „Wahns dich, kämm dich, putz dich schön" oder „Trau¬ gott, laß den Affen los" oder „Ach ich bin so müde." Ein jüngeres Geschlecht hat sich dann an Hirsch in der Tanzstunde ergötzt („Eins, zwei, drei, bei der Bank vorbei"), an der Witwe Quinche und an Ladewigs großem Portemonnaie. Noch später kam „Fischerin, du kleine," „Auf der grünen Wiese," „Im Grünewald, im Grünewald ist Holzauktion," „Ja, beim Souper," „Ist denn kein Stuhl da," „Komm, Karline" — die herrliche Washingtonpost nicht zu vergessen („Sie hat en Floh — rentiner Hut"). An dem Wege, an dem alle diese Blumen geblüht haben, steht auch das Bienenhaus. Fleißig benutzt hat der Herausgeber namentlich auch die neuern Provinzial- sammluugen von Volksliedern, ferner Schulliederbücher und Kommersbücher. Dabei hat natürlich auch manches mit Aufnahme gefunden, was nur in verhältnismäßig engen Kreisen volkstümlich geworden ist. Mit Schulliederbüchern und Kommers¬ büchern muß man sehr vorsichtig sein. Sie gleichen Kaufläden, in denen einem eine Menge Dinge als „beliebt" angepriesen werden, von denen der Herausgeber bloß wünscht, daß sie beliebt werden — möchten. Wenn der betriebsame Veranstalter einer solchen Sammlung irgend ein Lied, das ihm gefällt, mit aufnimmt und seine Schulkinder singen läßt, so wird deshalb noch lange kein volkstümliches Lied daraus. In manchen Schulen wird jetzt sogar das Brahmssche Wiegenlied gesungen („Guten Abend, gut Nacht"), das bei all seiner kunstvollen Einfachheit doch unverkennbar nach dem Studierzimmer und demi Salon duftet. Kann so etwas später, nach dem Abschluß der Schulzeit, noch Halt haben? Der Herausgeber selbst erörtert ja im Vorwort die oft erörterte Frage nach dem Unterschied zwischen dem Kunstlied, dem „volkstümlichen" Lied und dem „Volks¬ lied." Die Sache scheint uns sehr einfach zu sein. Die drei verhalten sich zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/480>, abgerufen am 26.06.2024.