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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

spiegle sich auch in dem bekannten Buche des Professor Reinhold: "Die bewegenden
Kräfte der Volkswirtschaft"; nur wenige Behauptungen fänden sich darin, die der
Verfasser nicht selbst wieder umstürze; zu diesen wenigen gehöre der Satz: "Der
Politik entgeht kein Gebiet des praktischen Lebens"; woraus, nebenbei bemerkt, folgt,
daß es ungemein schwierig für uichtpolitische Vereine, Versammlungen und öffentliche
Vorträge ist, der Polizei und dem Strafrichter zu entgehn, Da man annehmen
darf, daß May die politischen Ansichten eines bedeutenden Teils der Hamburger
Kaufmannschaft vertritt, so verdient seine Schrift einige Beachtung; nur deshalb
wollen wir ihre Hauptgedanken hier wiedergeben, ohne uns dafür zu engagiere"
und ohne sie zu kritisieren; das zweite ist nicht nötig, da jedermann die politische"
Grundnnschnuuugen der Grenzboten kennt. May beginnt mit englischen Kund¬
gebungen, die den Verdruß darüber ausdrücken, daß England in Gefahr steht, im
Ausfuhrhandel von Deutschland und den Vereinigten Staaten überflügelt zu werden,
und daß ihm Deutschland in der Levante den Wind aus den Segeln genommen
hat. Übrigens hätten die Engländer zwar, was sie jetzt einsehen, mit der Unter¬
stützung der kretensischen und armenischen Aufwiegler eine große Dummheit begangen,
aber auch ohne diese Dummheit würden sie nicht in der Lage gewesen sein, an
Deutschlands Stelle die wirtschaftliche Erschließung Auatolieus zu unternehmen; dazu
fehle ihnen die Kraft, weil sie nach dem Geständnis ihrer Auslandskonsulu in der
kaufmännischen wie in der technischen Tüchtigkeit hinter Deutschland zurückgeblieben
seien, und weil sie eine "usinuige Menge unsinnig großer Interessensphären mit
Beschlag belegt hätten. Solche Interessensphären, wie z. B. die in China, nützten
gar nichts, und auch die Kriegsflotte nütze ihnen nichts, weil damit kein dem rus¬
sischen Heere ebenbürtiges Landheer hingeschafft werden könne, schon aus dem ein¬
fachen Grunde nicht, weil die Engländer keins haben. Die gänzliche Ohnmacht
Englands in dieser Hinsicht, die sich ja seitdem im Bureukriege vor aller Welt
bloßgestellt hat, und die gegenwärtig den Hauptinhalt des Tagesgesprächs liefert,
weist May statistisch nach. Daraus erkläre es sich, daß England die Freundschaft
Deutschlands suche, und aus einem offiziösen Artikel des Hamburgischen Korrespon-
denten folgert er, daß thatsächlich ein geheimes Bündnis mit England bestehe. Das
sei auch das einzig vernünftige, denn wir könnten Englands Flotte ebensogut
brauchen wie die Engländer unser Landheer. Zwar sei Rußland ein weit zuver¬
lässigerer Bundesgenosse als England, und es sei zu bedauern, daß uns Caprivi
dessen beraubt habe durch die Kündigung des genialen RückVersicherungsvertrags,
den Bismarck geschlossen hatte, aber in einer andern, sehr wesentlichen Beziehung
sei doch die englische Freundschaft der russischen vorzuziehn. England befolge daheim
und in seinen Kolonien die Politik der offnen Thür; jedes Gebiet, das England
besetze, sei für die ganze Welt, also auch für uns gewonnen; Rußland dagegen
sperre die Thür zu, und was es an Gebiet erwerbe, das sei für unsern Handel,
für unsre Exportindustrie verloren. Zwischen England und uns, die wir uns eben¬
falls auf den Export angewiesen sähen, bestehe demnach trotz allen Konkurrenzneids
die vollkommenste Interessenharmonie. Freilich dürfe sich Deutschland uicht länger
der Wahrheit verschließen, daß, wer anderwärts offne Thüren verlangt, seine eigne
Thür offen halten müsse; rin der Schutzzülluerei müsse gebrochen werden; in den
Junkern, den Hauptstützen der Schutzzvlluerei und des Militarismus, sieht May
den Feind, der den wirtschaftlichen, sozialen und Kulturfortschritt hemme. Mit Hilfe
einer statistischen Tabelle sucht er nachzuweisen, daß unsre Militärausgabcn wirklich
schon drückend seien, und er ist überzeugt, daß, wenn dem Wettrüsten nicht Einhalt
gethan wird, die übrigen Staaten ebenso von ihrer Rüstung erdrückt werdeu würden,
wie es Italien schon ist. Er glaubt deshalb, daß der Zar seinen Vorschlag voll¬
kommen ernsthaft gemeint habe. Durch die Bezeichnung "Abrüstungsvorschlag"


Maßgebliches und Unmaßgebliches

spiegle sich auch in dem bekannten Buche des Professor Reinhold: „Die bewegenden
Kräfte der Volkswirtschaft"; nur wenige Behauptungen fänden sich darin, die der
Verfasser nicht selbst wieder umstürze; zu diesen wenigen gehöre der Satz: „Der
Politik entgeht kein Gebiet des praktischen Lebens"; woraus, nebenbei bemerkt, folgt,
daß es ungemein schwierig für uichtpolitische Vereine, Versammlungen und öffentliche
Vorträge ist, der Polizei und dem Strafrichter zu entgehn, Da man annehmen
darf, daß May die politischen Ansichten eines bedeutenden Teils der Hamburger
Kaufmannschaft vertritt, so verdient seine Schrift einige Beachtung; nur deshalb
wollen wir ihre Hauptgedanken hier wiedergeben, ohne uns dafür zu engagiere»
und ohne sie zu kritisieren; das zweite ist nicht nötig, da jedermann die politische»
Grundnnschnuuugen der Grenzboten kennt. May beginnt mit englischen Kund¬
gebungen, die den Verdruß darüber ausdrücken, daß England in Gefahr steht, im
Ausfuhrhandel von Deutschland und den Vereinigten Staaten überflügelt zu werden,
und daß ihm Deutschland in der Levante den Wind aus den Segeln genommen
hat. Übrigens hätten die Engländer zwar, was sie jetzt einsehen, mit der Unter¬
stützung der kretensischen und armenischen Aufwiegler eine große Dummheit begangen,
aber auch ohne diese Dummheit würden sie nicht in der Lage gewesen sein, an
Deutschlands Stelle die wirtschaftliche Erschließung Auatolieus zu unternehmen; dazu
fehle ihnen die Kraft, weil sie nach dem Geständnis ihrer Auslandskonsulu in der
kaufmännischen wie in der technischen Tüchtigkeit hinter Deutschland zurückgeblieben
seien, und weil sie eine »usinuige Menge unsinnig großer Interessensphären mit
Beschlag belegt hätten. Solche Interessensphären, wie z. B. die in China, nützten
gar nichts, und auch die Kriegsflotte nütze ihnen nichts, weil damit kein dem rus¬
sischen Heere ebenbürtiges Landheer hingeschafft werden könne, schon aus dem ein¬
fachen Grunde nicht, weil die Engländer keins haben. Die gänzliche Ohnmacht
Englands in dieser Hinsicht, die sich ja seitdem im Bureukriege vor aller Welt
bloßgestellt hat, und die gegenwärtig den Hauptinhalt des Tagesgesprächs liefert,
weist May statistisch nach. Daraus erkläre es sich, daß England die Freundschaft
Deutschlands suche, und aus einem offiziösen Artikel des Hamburgischen Korrespon-
denten folgert er, daß thatsächlich ein geheimes Bündnis mit England bestehe. Das
sei auch das einzig vernünftige, denn wir könnten Englands Flotte ebensogut
brauchen wie die Engländer unser Landheer. Zwar sei Rußland ein weit zuver¬
lässigerer Bundesgenosse als England, und es sei zu bedauern, daß uns Caprivi
dessen beraubt habe durch die Kündigung des genialen RückVersicherungsvertrags,
den Bismarck geschlossen hatte, aber in einer andern, sehr wesentlichen Beziehung
sei doch die englische Freundschaft der russischen vorzuziehn. England befolge daheim
und in seinen Kolonien die Politik der offnen Thür; jedes Gebiet, das England
besetze, sei für die ganze Welt, also auch für uns gewonnen; Rußland dagegen
sperre die Thür zu, und was es an Gebiet erwerbe, das sei für unsern Handel,
für unsre Exportindustrie verloren. Zwischen England und uns, die wir uns eben¬
falls auf den Export angewiesen sähen, bestehe demnach trotz allen Konkurrenzneids
die vollkommenste Interessenharmonie. Freilich dürfe sich Deutschland uicht länger
der Wahrheit verschließen, daß, wer anderwärts offne Thüren verlangt, seine eigne
Thür offen halten müsse; rin der Schutzzülluerei müsse gebrochen werden; in den
Junkern, den Hauptstützen der Schutzzvlluerei und des Militarismus, sieht May
den Feind, der den wirtschaftlichen, sozialen und Kulturfortschritt hemme. Mit Hilfe
einer statistischen Tabelle sucht er nachzuweisen, daß unsre Militärausgabcn wirklich
schon drückend seien, und er ist überzeugt, daß, wenn dem Wettrüsten nicht Einhalt
gethan wird, die übrigen Staaten ebenso von ihrer Rüstung erdrückt werdeu würden,
wie es Italien schon ist. Er glaubt deshalb, daß der Zar seinen Vorschlag voll¬
kommen ernsthaft gemeint habe. Durch die Bezeichnung „Abrüstungsvorschlag"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/58>, abgerufen am 01.07.2024.