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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Archäologische Studienfahrten nach Griechenland und Rleinasien

denn öfters mußte auf sie gewartet oder sonstige Rücksicht genommen werden
-- wobei übrigens Dörpfeld merkwürdig geduldig und ritterlich war! --, wir
hätten uns ohne sie vielfach freier und ungenierter bewegen können und waren
nur froh, daß sie wenigstens die Reitertour durch Arkadien nicht mitmachten,
also von Argos mit der Bahn nach Athen zurückkehrten und erst in Olympia
wieder zu uns kamen. Vollends auf der Inselreihe, wo wir die ganze Zeit
auf den engen Raum: eines kleinen Schiffes angewiesen waren, wo sich aber
infolge der weniger strapaziösen Reiseart die Zahl der Damen noch sehr ver¬
mehrt hatte, ging der Charakter einer ernsthaften Studienreise doch zum Teil
verloren, vollends da Dörpfeld sich noch mehr als bisher auf den Stand¬
punkt eines guten Ordinarius stellte, der auch die Schwachen durchaus mit
fortbringen will, wodurch aber das wissenschaftliche Niveau immer zu leiden
pflegt.

Wenn ich ferner das Gefühl hatte, daß die behagliche Kameradschaftlich¬
keit und demokratische Gleichstellung der Teilnehmer vielleicht noch größer Hütte
sein können, so will ich die Damen nicht allein dafür verantwortlich machen,
denn erstlich wirkte in dieser Hinsicht die zufällige Anwesenheit hochgestellter
Personen ein, und außerdem brachte es die große Teilnehmerzahl und ihre
Nationalitätenverschiedenheit mit sich, daß sich einzelne Gruppen bildeten, die
sich gegen die andern ziemlich ablehnend verhielten. Wir waren mir achtzehn
Reichsdeutsche, ich der einzige Sachse; vierzehn Herren waren Österreicher (ein¬
schließlich Tschechen, Polen, Ruderer und Italiener), die andern waren Dänen,
Franzosen, Belgier, Holländer, Engländer und Amerikaner. Man sieht also,
daß die deutsche Archäologie bei den andern Nationen in hohem Ansehen stehn
muß, da sich diese so eifrig zu unsern Unternehmungen drängen, und es muß
uns mit Stolz erfüllen, wenn die Herren, die, aus irgend einem Winkel der
Bukowina oder Jstriens oder Amerikas kommend, ihre Rcisestipendien zu
griechischen Studien verwenden sollen, dies im Anschluß an eine deutsche Ein¬
richtung thun und den Ruhm der deutschen Wissenschaft in ihrer Heimat ver¬
breiten; aber ich muß gestehn, ich bin ein wenig Chauvinist und sähe es lieber,
wenn die Fremden dabei nicht so dominieren dürften, und wenn dafür lieber
mehr deutsche Herren des Vorzugs teilhaftig würden, die vom Deutschen Reich
gegründeten und mit deutschem Gelde subventionierten Einrichtungen zu be¬
nutzen.

Ich habe deshalb die mir gebotne Gelegenheit ergriffen, die verehrten
Herren Kollegen auf die gegenwärtig obwaltenden Verhältnisse aufmerksam zu
machen und sie zugleich auf die Erfolge der jungen Archäologie im allgemeinen
und die Vorzüge einer griechischen Studienreise im besondern hinzuweisen, und
zwar appelliere ich keineswegs an die klassischen Philologen allein, sondern
an alle Lehrer und alle Fakultäten, da ich der Meinung bin, daß für jeden
von uns ein derartiger Besuch Griechenlands ein erfrischendes Stahlbad
für Leib und Seele sein würde, und ich glaube mit keinem bessern Wunsche


Archäologische Studienfahrten nach Griechenland und Rleinasien

denn öfters mußte auf sie gewartet oder sonstige Rücksicht genommen werden
— wobei übrigens Dörpfeld merkwürdig geduldig und ritterlich war! —, wir
hätten uns ohne sie vielfach freier und ungenierter bewegen können und waren
nur froh, daß sie wenigstens die Reitertour durch Arkadien nicht mitmachten,
also von Argos mit der Bahn nach Athen zurückkehrten und erst in Olympia
wieder zu uns kamen. Vollends auf der Inselreihe, wo wir die ganze Zeit
auf den engen Raum: eines kleinen Schiffes angewiesen waren, wo sich aber
infolge der weniger strapaziösen Reiseart die Zahl der Damen noch sehr ver¬
mehrt hatte, ging der Charakter einer ernsthaften Studienreise doch zum Teil
verloren, vollends da Dörpfeld sich noch mehr als bisher auf den Stand¬
punkt eines guten Ordinarius stellte, der auch die Schwachen durchaus mit
fortbringen will, wodurch aber das wissenschaftliche Niveau immer zu leiden
pflegt.

Wenn ich ferner das Gefühl hatte, daß die behagliche Kameradschaftlich¬
keit und demokratische Gleichstellung der Teilnehmer vielleicht noch größer Hütte
sein können, so will ich die Damen nicht allein dafür verantwortlich machen,
denn erstlich wirkte in dieser Hinsicht die zufällige Anwesenheit hochgestellter
Personen ein, und außerdem brachte es die große Teilnehmerzahl und ihre
Nationalitätenverschiedenheit mit sich, daß sich einzelne Gruppen bildeten, die
sich gegen die andern ziemlich ablehnend verhielten. Wir waren mir achtzehn
Reichsdeutsche, ich der einzige Sachse; vierzehn Herren waren Österreicher (ein¬
schließlich Tschechen, Polen, Ruderer und Italiener), die andern waren Dänen,
Franzosen, Belgier, Holländer, Engländer und Amerikaner. Man sieht also,
daß die deutsche Archäologie bei den andern Nationen in hohem Ansehen stehn
muß, da sich diese so eifrig zu unsern Unternehmungen drängen, und es muß
uns mit Stolz erfüllen, wenn die Herren, die, aus irgend einem Winkel der
Bukowina oder Jstriens oder Amerikas kommend, ihre Rcisestipendien zu
griechischen Studien verwenden sollen, dies im Anschluß an eine deutsche Ein¬
richtung thun und den Ruhm der deutschen Wissenschaft in ihrer Heimat ver¬
breiten; aber ich muß gestehn, ich bin ein wenig Chauvinist und sähe es lieber,
wenn die Fremden dabei nicht so dominieren dürften, und wenn dafür lieber
mehr deutsche Herren des Vorzugs teilhaftig würden, die vom Deutschen Reich
gegründeten und mit deutschem Gelde subventionierten Einrichtungen zu be¬
nutzen.

Ich habe deshalb die mir gebotne Gelegenheit ergriffen, die verehrten
Herren Kollegen auf die gegenwärtig obwaltenden Verhältnisse aufmerksam zu
machen und sie zugleich auf die Erfolge der jungen Archäologie im allgemeinen
und die Vorzüge einer griechischen Studienreise im besondern hinzuweisen, und
zwar appelliere ich keineswegs an die klassischen Philologen allein, sondern
an alle Lehrer und alle Fakultäten, da ich der Meinung bin, daß für jeden
von uns ein derartiger Besuch Griechenlands ein erfrischendes Stahlbad
für Leib und Seele sein würde, und ich glaube mit keinem bessern Wunsche


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[0490] Archäologische Studienfahrten nach Griechenland und Rleinasien denn öfters mußte auf sie gewartet oder sonstige Rücksicht genommen werden — wobei übrigens Dörpfeld merkwürdig geduldig und ritterlich war! —, wir hätten uns ohne sie vielfach freier und ungenierter bewegen können und waren nur froh, daß sie wenigstens die Reitertour durch Arkadien nicht mitmachten, also von Argos mit der Bahn nach Athen zurückkehrten und erst in Olympia wieder zu uns kamen. Vollends auf der Inselreihe, wo wir die ganze Zeit auf den engen Raum: eines kleinen Schiffes angewiesen waren, wo sich aber infolge der weniger strapaziösen Reiseart die Zahl der Damen noch sehr ver¬ mehrt hatte, ging der Charakter einer ernsthaften Studienreise doch zum Teil verloren, vollends da Dörpfeld sich noch mehr als bisher auf den Stand¬ punkt eines guten Ordinarius stellte, der auch die Schwachen durchaus mit fortbringen will, wodurch aber das wissenschaftliche Niveau immer zu leiden pflegt. Wenn ich ferner das Gefühl hatte, daß die behagliche Kameradschaftlich¬ keit und demokratische Gleichstellung der Teilnehmer vielleicht noch größer Hütte sein können, so will ich die Damen nicht allein dafür verantwortlich machen, denn erstlich wirkte in dieser Hinsicht die zufällige Anwesenheit hochgestellter Personen ein, und außerdem brachte es die große Teilnehmerzahl und ihre Nationalitätenverschiedenheit mit sich, daß sich einzelne Gruppen bildeten, die sich gegen die andern ziemlich ablehnend verhielten. Wir waren mir achtzehn Reichsdeutsche, ich der einzige Sachse; vierzehn Herren waren Österreicher (ein¬ schließlich Tschechen, Polen, Ruderer und Italiener), die andern waren Dänen, Franzosen, Belgier, Holländer, Engländer und Amerikaner. Man sieht also, daß die deutsche Archäologie bei den andern Nationen in hohem Ansehen stehn muß, da sich diese so eifrig zu unsern Unternehmungen drängen, und es muß uns mit Stolz erfüllen, wenn die Herren, die, aus irgend einem Winkel der Bukowina oder Jstriens oder Amerikas kommend, ihre Rcisestipendien zu griechischen Studien verwenden sollen, dies im Anschluß an eine deutsche Ein¬ richtung thun und den Ruhm der deutschen Wissenschaft in ihrer Heimat ver¬ breiten; aber ich muß gestehn, ich bin ein wenig Chauvinist und sähe es lieber, wenn die Fremden dabei nicht so dominieren dürften, und wenn dafür lieber mehr deutsche Herren des Vorzugs teilhaftig würden, die vom Deutschen Reich gegründeten und mit deutschem Gelde subventionierten Einrichtungen zu be¬ nutzen. Ich habe deshalb die mir gebotne Gelegenheit ergriffen, die verehrten Herren Kollegen auf die gegenwärtig obwaltenden Verhältnisse aufmerksam zu machen und sie zugleich auf die Erfolge der jungen Archäologie im allgemeinen und die Vorzüge einer griechischen Studienreise im besondern hinzuweisen, und zwar appelliere ich keineswegs an die klassischen Philologen allein, sondern an alle Lehrer und alle Fakultäten, da ich der Meinung bin, daß für jeden von uns ein derartiger Besuch Griechenlands ein erfrischendes Stahlbad für Leib und Seele sein würde, und ich glaube mit keinem bessern Wunsche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/490>, abgerufen am 01.07.2024.