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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Militärische Randglossen zum Burenkriege

aller Lehren der Vergangenheit, daß die burischen Streitkrüfte bei ihren
Operationen an das Schrittmaß ihrer Ochsenwagen gebunden seien. Deshalb
wurde, als nach einigen für die englischen Waffen nicht ungefährlichen Tagen
die Einschließung der Heerhaufen bei Esteourt und um Mooifluß aufgehoben
wurde, und die Buren aus Gründen, die noch nicht klar sind, mit all ihren
Leuten bis hinter den Tugela zurückgingen, in England der Mund wieder
recht voll genommen. Aha, sie fliehen! Das Erscheinen der ersten englischen
Bataillone und Batterien genügt, daß sich der Gegner in wilder Hast in
Sicherheit bringt! Aber ohne Zweifel wird General Clery vor ihm am Tugela
sein und ihn unter Verlegung des Übergangs vernichten. Das war so die
Tonart. Du lieber Himmel: schwerfällige englische Soldaten sollten behenden
Buren, denen der Rückzug nach allen Richtungen (mit Ausnahme nach Süden)
offen stand, und die eines Hindernisses wie des furtreichen Tugela spotten,
an diesem Flusse zuvorkommen! -- Eine gewisse Besonnenheit zeigte noch der
militärische Beurteiler der l'lines, der unterm 25. November meinte: "Die
Lage in Natal ist so merkwürdig kompliziert, daß es unmöglich ist, sie zu ver-
stehn. Die Verwegenheit der Buren, die drei britische feste Plätze zu isolieren
versuchen, während sie obendrein noch gegen Pietermaritzburg vorrücken, ist
beinahe unglaublich, aber die britischen Generale scheinen ihrer Aufgabe nicht
recht gewachsen zu sein." Der letzte Satz war etwas dreist, angesichts der
Thatsache, daß der Chefredakteur des og,lip Onroviolo gerade in jenen Tagen
zum Rücktritt gezwungen wurde, weil er den Buren und ihrer Sache Gerechtig¬
keit widerfahren ließ. Geradezu naiv nimmt sich aber eine Äußerung der
H. 8. 6.*) vom 18. November aus: Der soeben erfolgte Befehl zur Mobil¬
machung des Belagerungsparks sei das Vorspiel zur Belagerung von Pretoria!
Nebenbei bemerkt kamen die ersten Teile dieses Parks erst am 3. Januar in
Kapstadt an.

Auch der Lr. ^. vom 2. Dezember meint: "Die Lage bessert sich täglich....
Voraussichtlich wird bald ein Ende gemacht. Vor Weihnachten noch stehn
100000 Mann in Südafrika; ein größeres und besser ausgestattetes Heer hat
England noch niemals ins Feld gestellt. . . . Die Besetzung Pretorias ist
höchstens die Sache eines Monats, vielleicht anch kürzerer Zeit. . . . Jeden
Tag muß die Nachricht eintreffen, daß Ladysmith entsetzt ist. . . . Nach dem
Siege über den Kalifen können wir jetzt im Norden wie im Süden Afrikas
unser Haupt hochtragen. ... Die Einnahme von Bloemfontein und Pretoria
wird den Buren die verdiente Lektion erteilen."



*) Wir ziehn zu unsrer Blütenlese nur ernste Blätter heran, da das wütende Geleise der
untergeordneten Presse sür die Beurteilung des englischen Volks nicht maßgebend ist; an mili¬
tärischen Zeitungen fassen wir besonders die ^.rin^ unä Ukvz^ gai-fers, den LroaÄ ^.rwv und
die Huitscl Lsrvios Kaüvtts ins Auge, sämtlich des Sonnabends erscheinende Wochenblätter.
Im Interesse des Raumes kürzen wir ihre Namen im folgenden ab, also: A. S., Lr.
und II. 8. v.
Militärische Randglossen zum Burenkriege

aller Lehren der Vergangenheit, daß die burischen Streitkrüfte bei ihren
Operationen an das Schrittmaß ihrer Ochsenwagen gebunden seien. Deshalb
wurde, als nach einigen für die englischen Waffen nicht ungefährlichen Tagen
die Einschließung der Heerhaufen bei Esteourt und um Mooifluß aufgehoben
wurde, und die Buren aus Gründen, die noch nicht klar sind, mit all ihren
Leuten bis hinter den Tugela zurückgingen, in England der Mund wieder
recht voll genommen. Aha, sie fliehen! Das Erscheinen der ersten englischen
Bataillone und Batterien genügt, daß sich der Gegner in wilder Hast in
Sicherheit bringt! Aber ohne Zweifel wird General Clery vor ihm am Tugela
sein und ihn unter Verlegung des Übergangs vernichten. Das war so die
Tonart. Du lieber Himmel: schwerfällige englische Soldaten sollten behenden
Buren, denen der Rückzug nach allen Richtungen (mit Ausnahme nach Süden)
offen stand, und die eines Hindernisses wie des furtreichen Tugela spotten,
an diesem Flusse zuvorkommen! — Eine gewisse Besonnenheit zeigte noch der
militärische Beurteiler der l'lines, der unterm 25. November meinte: „Die
Lage in Natal ist so merkwürdig kompliziert, daß es unmöglich ist, sie zu ver-
stehn. Die Verwegenheit der Buren, die drei britische feste Plätze zu isolieren
versuchen, während sie obendrein noch gegen Pietermaritzburg vorrücken, ist
beinahe unglaublich, aber die britischen Generale scheinen ihrer Aufgabe nicht
recht gewachsen zu sein." Der letzte Satz war etwas dreist, angesichts der
Thatsache, daß der Chefredakteur des og,lip Onroviolo gerade in jenen Tagen
zum Rücktritt gezwungen wurde, weil er den Buren und ihrer Sache Gerechtig¬
keit widerfahren ließ. Geradezu naiv nimmt sich aber eine Äußerung der
H. 8. 6.*) vom 18. November aus: Der soeben erfolgte Befehl zur Mobil¬
machung des Belagerungsparks sei das Vorspiel zur Belagerung von Pretoria!
Nebenbei bemerkt kamen die ersten Teile dieses Parks erst am 3. Januar in
Kapstadt an.

Auch der Lr. ^. vom 2. Dezember meint: „Die Lage bessert sich täglich....
Voraussichtlich wird bald ein Ende gemacht. Vor Weihnachten noch stehn
100000 Mann in Südafrika; ein größeres und besser ausgestattetes Heer hat
England noch niemals ins Feld gestellt. . . . Die Besetzung Pretorias ist
höchstens die Sache eines Monats, vielleicht anch kürzerer Zeit. . . . Jeden
Tag muß die Nachricht eintreffen, daß Ladysmith entsetzt ist. . . . Nach dem
Siege über den Kalifen können wir jetzt im Norden wie im Süden Afrikas
unser Haupt hochtragen. ... Die Einnahme von Bloemfontein und Pretoria
wird den Buren die verdiente Lektion erteilen."



*) Wir ziehn zu unsrer Blütenlese nur ernste Blätter heran, da das wütende Geleise der
untergeordneten Presse sür die Beurteilung des englischen Volks nicht maßgebend ist; an mili¬
tärischen Zeitungen fassen wir besonders die ^.rin^ unä Ukvz^ gai-fers, den LroaÄ ^.rwv und
die Huitscl Lsrvios Kaüvtts ins Auge, sämtlich des Sonnabends erscheinende Wochenblätter.
Im Interesse des Raumes kürzen wir ihre Namen im folgenden ab, also: A. S., Lr.
und II. 8. v.
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[0290] Militärische Randglossen zum Burenkriege aller Lehren der Vergangenheit, daß die burischen Streitkrüfte bei ihren Operationen an das Schrittmaß ihrer Ochsenwagen gebunden seien. Deshalb wurde, als nach einigen für die englischen Waffen nicht ungefährlichen Tagen die Einschließung der Heerhaufen bei Esteourt und um Mooifluß aufgehoben wurde, und die Buren aus Gründen, die noch nicht klar sind, mit all ihren Leuten bis hinter den Tugela zurückgingen, in England der Mund wieder recht voll genommen. Aha, sie fliehen! Das Erscheinen der ersten englischen Bataillone und Batterien genügt, daß sich der Gegner in wilder Hast in Sicherheit bringt! Aber ohne Zweifel wird General Clery vor ihm am Tugela sein und ihn unter Verlegung des Übergangs vernichten. Das war so die Tonart. Du lieber Himmel: schwerfällige englische Soldaten sollten behenden Buren, denen der Rückzug nach allen Richtungen (mit Ausnahme nach Süden) offen stand, und die eines Hindernisses wie des furtreichen Tugela spotten, an diesem Flusse zuvorkommen! — Eine gewisse Besonnenheit zeigte noch der militärische Beurteiler der l'lines, der unterm 25. November meinte: „Die Lage in Natal ist so merkwürdig kompliziert, daß es unmöglich ist, sie zu ver- stehn. Die Verwegenheit der Buren, die drei britische feste Plätze zu isolieren versuchen, während sie obendrein noch gegen Pietermaritzburg vorrücken, ist beinahe unglaublich, aber die britischen Generale scheinen ihrer Aufgabe nicht recht gewachsen zu sein." Der letzte Satz war etwas dreist, angesichts der Thatsache, daß der Chefredakteur des og,lip Onroviolo gerade in jenen Tagen zum Rücktritt gezwungen wurde, weil er den Buren und ihrer Sache Gerechtig¬ keit widerfahren ließ. Geradezu naiv nimmt sich aber eine Äußerung der H. 8. 6.*) vom 18. November aus: Der soeben erfolgte Befehl zur Mobil¬ machung des Belagerungsparks sei das Vorspiel zur Belagerung von Pretoria! Nebenbei bemerkt kamen die ersten Teile dieses Parks erst am 3. Januar in Kapstadt an. Auch der Lr. ^. vom 2. Dezember meint: „Die Lage bessert sich täglich.... Voraussichtlich wird bald ein Ende gemacht. Vor Weihnachten noch stehn 100000 Mann in Südafrika; ein größeres und besser ausgestattetes Heer hat England noch niemals ins Feld gestellt. . . . Die Besetzung Pretorias ist höchstens die Sache eines Monats, vielleicht anch kürzerer Zeit. . . . Jeden Tag muß die Nachricht eintreffen, daß Ladysmith entsetzt ist. . . . Nach dem Siege über den Kalifen können wir jetzt im Norden wie im Süden Afrikas unser Haupt hochtragen. ... Die Einnahme von Bloemfontein und Pretoria wird den Buren die verdiente Lektion erteilen." *) Wir ziehn zu unsrer Blütenlese nur ernste Blätter heran, da das wütende Geleise der untergeordneten Presse sür die Beurteilung des englischen Volks nicht maßgebend ist; an mili¬ tärischen Zeitungen fassen wir besonders die ^.rin^ unä Ukvz^ gai-fers, den LroaÄ ^.rwv und die Huitscl Lsrvios Kaüvtts ins Auge, sämtlich des Sonnabends erscheinende Wochenblätter. Im Interesse des Raumes kürzen wir ihre Namen im folgenden ab, also: A. S., Lr. und II. 8. v.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/290>, abgerufen am 25.08.2024.