Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Militärische Randglossen zum Burenkriege

So entlasten wir zugleich einen später folgenden Abschnitt, der sich mit
englischen Lügennachrichten, englischer Thorheit und englischer Prahlerei be¬
schäftigen wird: ein üppig wucherndes Feld von Ungeheuerlichkeiten und ge¬
legentlich auch -- Unverschämtheiten!




Den zweiten Teil des Burenkriegs können wir als die "Ära Butter"
bezeichnen, den dritten als die "Ära Roberts-Kitchener."

Sir Nedvers Butter, der wegen seiner kaustischer Kritiken gefürchtete
Kommandant des Lagers von Aldershot, wurde als der zukünftige Nieder¬
zwinger der Buren in den englischen Blättern weidlich gepriesen. Und in
der That gehört er zu den einsichtigern englischen Generalen; sein hie und
da zur Schau getragnes Selbstbewußtseil? machte ihn für die Rolle eines
Oberbefehlshabers der sämtlichen britischen Streitkräfte in Südafrika um so
geeigneter. Natürlich hat er das ihn: bei der Abfahrt zugeschriebne Prahl¬
wort, er werde in vier Wochen in Pretoria sein -- nie gesprochen; wer
etwas von ihm wußte, war davon ohne weiteres überzeugt, und es hätte
einer förmlichen Ableugnung, wie sie in einem Briefe an einen Freund von
liegt, gar nicht bedurft. Im Gegenteil antwortete Butter vor dem Antritt
der Seereise auf die Frage: Wie lauge er wohl wegbleiben werde? --
"Etwa sechs Monate!" Und auf die Bemerkung: Sechs Monate seien eine
lange Zeit, sagte er: "Der Weg bis zum Ziele ist auch lang." Daß mich
die sechs Monate nicht ausreichen würden, haben damals nur wenige geahnt.
Die angeblichen "vier Wochen" fanden aber unter den eignen Landsleuten des
Generals willigen Glauben, und eine in Stuttgart lebende englische Dame
sandte im November vorigen Jahres -- Quelle: eine große, durchaus nicht
burenfreundliche deutsche Zeitung -- eine Ansichtspostkarte "an den General
Butter, ankommend Pretoria" ab. Diese Karte soll nun -- ein wenig Scherz
beim Ernste kann nicht schaden -- anfang Februar mit dein PostVermerk zurück¬
gelangt sein: "Butter in Pretoria gänzlich unbekannt; auch mit Hilfe der
Polizei nicht zu ermitteln."

Zur Beurteilung der Maßnahmen Butters wäre es nun von Bedeutung
zu wissen, ob die Verzetteluug des ersten Armeekorps, das die Buren zu
Paaren treiben sollte, auf den verschiednen Kriegsschauplätzen (einschließlich der
Entsendung Methnens zum Entsatz von Kimberley) wirklich Butters Werk ist.
Wir vermögen es nicht zu glauben, obgleich I. A. Balfour um 30. Januar im
Unterhause mit dem Eutrüstungstone gekränkter Unschuld die denkwürdigen
Worte sprach: "Die Regierung hat sich weder direkt noch indirekt in das freie
Verfügungsrecht der Generale im Felde gemischt." Das bezieht sich doch auch
auf das Verhalten des Generals White beim Ausbruch der Feindseligkeiten im
nördlichen Natal. Wir haben früher schon die Ansicht vertreten, daß nur
politische Gründe und Beeinflussungen zu der militärisch nicht zu rechtfertigenden
Behauptung von Dundee-Ladhsmith geführt haben könnten. Inzwischen sind


Militärische Randglossen zum Burenkriege

So entlasten wir zugleich einen später folgenden Abschnitt, der sich mit
englischen Lügennachrichten, englischer Thorheit und englischer Prahlerei be¬
schäftigen wird: ein üppig wucherndes Feld von Ungeheuerlichkeiten und ge¬
legentlich auch — Unverschämtheiten!




Den zweiten Teil des Burenkriegs können wir als die „Ära Butter"
bezeichnen, den dritten als die „Ära Roberts-Kitchener."

Sir Nedvers Butter, der wegen seiner kaustischer Kritiken gefürchtete
Kommandant des Lagers von Aldershot, wurde als der zukünftige Nieder¬
zwinger der Buren in den englischen Blättern weidlich gepriesen. Und in
der That gehört er zu den einsichtigern englischen Generalen; sein hie und
da zur Schau getragnes Selbstbewußtseil? machte ihn für die Rolle eines
Oberbefehlshabers der sämtlichen britischen Streitkräfte in Südafrika um so
geeigneter. Natürlich hat er das ihn: bei der Abfahrt zugeschriebne Prahl¬
wort, er werde in vier Wochen in Pretoria sein — nie gesprochen; wer
etwas von ihm wußte, war davon ohne weiteres überzeugt, und es hätte
einer förmlichen Ableugnung, wie sie in einem Briefe an einen Freund von
liegt, gar nicht bedurft. Im Gegenteil antwortete Butter vor dem Antritt
der Seereise auf die Frage: Wie lauge er wohl wegbleiben werde? —
„Etwa sechs Monate!" Und auf die Bemerkung: Sechs Monate seien eine
lange Zeit, sagte er: „Der Weg bis zum Ziele ist auch lang." Daß mich
die sechs Monate nicht ausreichen würden, haben damals nur wenige geahnt.
Die angeblichen „vier Wochen" fanden aber unter den eignen Landsleuten des
Generals willigen Glauben, und eine in Stuttgart lebende englische Dame
sandte im November vorigen Jahres — Quelle: eine große, durchaus nicht
burenfreundliche deutsche Zeitung — eine Ansichtspostkarte „an den General
Butter, ankommend Pretoria" ab. Diese Karte soll nun — ein wenig Scherz
beim Ernste kann nicht schaden — anfang Februar mit dein PostVermerk zurück¬
gelangt sein: „Butter in Pretoria gänzlich unbekannt; auch mit Hilfe der
Polizei nicht zu ermitteln."

Zur Beurteilung der Maßnahmen Butters wäre es nun von Bedeutung
zu wissen, ob die Verzetteluug des ersten Armeekorps, das die Buren zu
Paaren treiben sollte, auf den verschiednen Kriegsschauplätzen (einschließlich der
Entsendung Methnens zum Entsatz von Kimberley) wirklich Butters Werk ist.
Wir vermögen es nicht zu glauben, obgleich I. A. Balfour um 30. Januar im
Unterhause mit dem Eutrüstungstone gekränkter Unschuld die denkwürdigen
Worte sprach: „Die Regierung hat sich weder direkt noch indirekt in das freie
Verfügungsrecht der Generale im Felde gemischt." Das bezieht sich doch auch
auf das Verhalten des Generals White beim Ausbruch der Feindseligkeiten im
nördlichen Natal. Wir haben früher schon die Ansicht vertreten, daß nur
politische Gründe und Beeinflussungen zu der militärisch nicht zu rechtfertigenden
Behauptung von Dundee-Ladhsmith geführt haben könnten. Inzwischen sind


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0288" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290699"/>
          <fw type="header" place="top"> Militärische Randglossen zum Burenkriege</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1095"> So entlasten wir zugleich einen später folgenden Abschnitt, der sich mit<lb/>
englischen Lügennachrichten, englischer Thorheit und englischer Prahlerei be¬<lb/>
schäftigen wird: ein üppig wucherndes Feld von Ungeheuerlichkeiten und ge¬<lb/>
legentlich auch &#x2014; Unverschämtheiten!</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1096"> Den zweiten Teil des Burenkriegs können wir als die &#x201E;Ära Butter"<lb/>
bezeichnen, den dritten als die &#x201E;Ära Roberts-Kitchener."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1097"> Sir Nedvers Butter, der wegen seiner kaustischer Kritiken gefürchtete<lb/>
Kommandant des Lagers von Aldershot, wurde als der zukünftige Nieder¬<lb/>
zwinger der Buren in den englischen Blättern weidlich gepriesen. Und in<lb/>
der That gehört er zu den einsichtigern englischen Generalen; sein hie und<lb/>
da zur Schau getragnes Selbstbewußtseil? machte ihn für die Rolle eines<lb/>
Oberbefehlshabers der sämtlichen britischen Streitkräfte in Südafrika um so<lb/>
geeigneter. Natürlich hat er das ihn: bei der Abfahrt zugeschriebne Prahl¬<lb/>
wort, er werde in vier Wochen in Pretoria sein &#x2014; nie gesprochen; wer<lb/>
etwas von ihm wußte, war davon ohne weiteres überzeugt, und es hätte<lb/>
einer förmlichen Ableugnung, wie sie in einem Briefe an einen Freund von<lb/>
liegt, gar nicht bedurft. Im Gegenteil antwortete Butter vor dem Antritt<lb/>
der Seereise auf die Frage: Wie lauge er wohl wegbleiben werde? &#x2014;<lb/>
&#x201E;Etwa sechs Monate!" Und auf die Bemerkung: Sechs Monate seien eine<lb/>
lange Zeit, sagte er: &#x201E;Der Weg bis zum Ziele ist auch lang." Daß mich<lb/>
die sechs Monate nicht ausreichen würden, haben damals nur wenige geahnt.<lb/>
Die angeblichen &#x201E;vier Wochen" fanden aber unter den eignen Landsleuten des<lb/>
Generals willigen Glauben, und eine in Stuttgart lebende englische Dame<lb/>
sandte im November vorigen Jahres &#x2014; Quelle: eine große, durchaus nicht<lb/>
burenfreundliche deutsche Zeitung &#x2014; eine Ansichtspostkarte &#x201E;an den General<lb/>
Butter, ankommend Pretoria" ab. Diese Karte soll nun &#x2014; ein wenig Scherz<lb/>
beim Ernste kann nicht schaden &#x2014; anfang Februar mit dein PostVermerk zurück¬<lb/>
gelangt sein: &#x201E;Butter in Pretoria gänzlich unbekannt; auch mit Hilfe der<lb/>
Polizei nicht zu ermitteln."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1098" next="#ID_1099"> Zur Beurteilung der Maßnahmen Butters wäre es nun von Bedeutung<lb/>
zu wissen, ob die Verzetteluug des ersten Armeekorps, das die Buren zu<lb/>
Paaren treiben sollte, auf den verschiednen Kriegsschauplätzen (einschließlich der<lb/>
Entsendung Methnens zum Entsatz von Kimberley) wirklich Butters Werk ist.<lb/>
Wir vermögen es nicht zu glauben, obgleich I. A. Balfour um 30. Januar im<lb/>
Unterhause mit dem Eutrüstungstone gekränkter Unschuld die denkwürdigen<lb/>
Worte sprach: &#x201E;Die Regierung hat sich weder direkt noch indirekt in das freie<lb/>
Verfügungsrecht der Generale im Felde gemischt." Das bezieht sich doch auch<lb/>
auf das Verhalten des Generals White beim Ausbruch der Feindseligkeiten im<lb/>
nördlichen Natal. Wir haben früher schon die Ansicht vertreten, daß nur<lb/>
politische Gründe und Beeinflussungen zu der militärisch nicht zu rechtfertigenden<lb/>
Behauptung von Dundee-Ladhsmith geführt haben könnten.  Inzwischen sind</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0288] Militärische Randglossen zum Burenkriege So entlasten wir zugleich einen später folgenden Abschnitt, der sich mit englischen Lügennachrichten, englischer Thorheit und englischer Prahlerei be¬ schäftigen wird: ein üppig wucherndes Feld von Ungeheuerlichkeiten und ge¬ legentlich auch — Unverschämtheiten! Den zweiten Teil des Burenkriegs können wir als die „Ära Butter" bezeichnen, den dritten als die „Ära Roberts-Kitchener." Sir Nedvers Butter, der wegen seiner kaustischer Kritiken gefürchtete Kommandant des Lagers von Aldershot, wurde als der zukünftige Nieder¬ zwinger der Buren in den englischen Blättern weidlich gepriesen. Und in der That gehört er zu den einsichtigern englischen Generalen; sein hie und da zur Schau getragnes Selbstbewußtseil? machte ihn für die Rolle eines Oberbefehlshabers der sämtlichen britischen Streitkräfte in Südafrika um so geeigneter. Natürlich hat er das ihn: bei der Abfahrt zugeschriebne Prahl¬ wort, er werde in vier Wochen in Pretoria sein — nie gesprochen; wer etwas von ihm wußte, war davon ohne weiteres überzeugt, und es hätte einer förmlichen Ableugnung, wie sie in einem Briefe an einen Freund von liegt, gar nicht bedurft. Im Gegenteil antwortete Butter vor dem Antritt der Seereise auf die Frage: Wie lauge er wohl wegbleiben werde? — „Etwa sechs Monate!" Und auf die Bemerkung: Sechs Monate seien eine lange Zeit, sagte er: „Der Weg bis zum Ziele ist auch lang." Daß mich die sechs Monate nicht ausreichen würden, haben damals nur wenige geahnt. Die angeblichen „vier Wochen" fanden aber unter den eignen Landsleuten des Generals willigen Glauben, und eine in Stuttgart lebende englische Dame sandte im November vorigen Jahres — Quelle: eine große, durchaus nicht burenfreundliche deutsche Zeitung — eine Ansichtspostkarte „an den General Butter, ankommend Pretoria" ab. Diese Karte soll nun — ein wenig Scherz beim Ernste kann nicht schaden — anfang Februar mit dein PostVermerk zurück¬ gelangt sein: „Butter in Pretoria gänzlich unbekannt; auch mit Hilfe der Polizei nicht zu ermitteln." Zur Beurteilung der Maßnahmen Butters wäre es nun von Bedeutung zu wissen, ob die Verzetteluug des ersten Armeekorps, das die Buren zu Paaren treiben sollte, auf den verschiednen Kriegsschauplätzen (einschließlich der Entsendung Methnens zum Entsatz von Kimberley) wirklich Butters Werk ist. Wir vermögen es nicht zu glauben, obgleich I. A. Balfour um 30. Januar im Unterhause mit dem Eutrüstungstone gekränkter Unschuld die denkwürdigen Worte sprach: „Die Regierung hat sich weder direkt noch indirekt in das freie Verfügungsrecht der Generale im Felde gemischt." Das bezieht sich doch auch auf das Verhalten des Generals White beim Ausbruch der Feindseligkeiten im nördlichen Natal. Wir haben früher schon die Ansicht vertreten, daß nur politische Gründe und Beeinflussungen zu der militärisch nicht zu rechtfertigenden Behauptung von Dundee-Ladhsmith geführt haben könnten. Inzwischen sind

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/288
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/288>, abgerufen am 01.07.2024.