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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Das Doppelgeschwader, die Gefechtseinheit der deutschen Schlachtflotte

brechen zur Sektionskolonne (für das Geschwader "Kiellinie"), die Wendungen
geschehn dann annähernd in gleicher Weise wie in der Kompagnie, wenn wir
uns für die Sektionskolanne als geschlossenes Ganze das Schiff denken.
Natürlich haben wir bei diesem Vergleich zu berücksichtigen, daß ein Schiff
allein die Länge der Frontlinie einer kriegsstarken Kompagnie hat, und zwischen
den einzelnen Schiffen ein viermal so großer Abstand ist. Da die Bewegungen
zu gleicher Zeit ausgeführt werden müssen, ist ohne weiteres einleuchtend, wie
bedeutsam das richtige Erkennen der Signale ist, und daß ein falsch abgelesenes
Signal und eine dadurch veranlaßte falsche Bewegung eines Schiffes die Gefahr
eines Zusammenstoßes herbeiführen kann. Nur unausgesetzte
Schulung der Kommandanten und des gesamten bei der Lenkung
des Schiffs, sowie beim Ablesen der Signale beteiligten Per¬
sonals ermöglichen es, daß alle Bewegungen eines Geschwaders
genau und zuverlässig ausgeführt werden. Das Erkennen der
Signale wird durch .Kohlen- und Geschützranch erschwert, ramene-
lich die Schiffe auf den Flügeln oder am Schluß haben infolge
der großen Entfernung die größte Aufmerksamkeit zu beobachten;
außerdem wird durch den Lärm der Geschütze, insbesondre der
Schnelllndeartillerie die Verständigung an Bord des Schiffs
äußerst erschwert, sodciß es großer Ruhe und Überlegung bei
dem Kommandanten bedarf, die Befehle des Gcschwaderchefs
richtig auszuführen und das Schiff in der bestimmten Position
zu halten. Für alle Übungen, die im Geschwaderverband von
leichtem zu schweren fortschreitend vorgenommen werden, dient
der Ernstfall als Borbild. So sind es namentlich Gefechtsbilder
von Geschwader gegen Geschwader, die nach einer bestimmten Periode der Aus¬
bildung geübt werden. Nehmen wir an, daß unserm Geschwader ein feindliches
gegenübersteht, das sich in den Formationen bewegt, wie wir sie in Figur 1
und 2 gegeben haben, so erhalten wir folgende einfachen Gefechtsbilder:

1. Beide Geschwader passieren sich in Linie hintereinander (Kiellinie mit
entgegengesetzten Kursen, Fig. 3).



2. Beide Geschwader bekämpfen sich in Linie hintereinander (Kiellinie mit
gleichlaufenden Kursen, Fig. 4).

Das erste Gefechtsbild (Fig. 3) zeigt, daß es sich für beide Gegner um
die Ausnutzung einer verhältnismäßig kurzen Zeit für die Geschützwirkung
handelt. Beträgt die Gefechtslinie 2,8 Kilometer, und ist die Geschwindigkeit
von Freund und Feind 10 Seemeilen, so verbleibt jedes Schiff mir etwa drei
Minuten im wirksamsten Feuerbereich des Gegners. Es heißt also während
dieser kurzen Zeit alle Geschütze so ergiebig wie nur irgend möglich zu ver-


Das Doppelgeschwader, die Gefechtseinheit der deutschen Schlachtflotte

brechen zur Sektionskolonne (für das Geschwader „Kiellinie"), die Wendungen
geschehn dann annähernd in gleicher Weise wie in der Kompagnie, wenn wir
uns für die Sektionskolanne als geschlossenes Ganze das Schiff denken.
Natürlich haben wir bei diesem Vergleich zu berücksichtigen, daß ein Schiff
allein die Länge der Frontlinie einer kriegsstarken Kompagnie hat, und zwischen
den einzelnen Schiffen ein viermal so großer Abstand ist. Da die Bewegungen
zu gleicher Zeit ausgeführt werden müssen, ist ohne weiteres einleuchtend, wie
bedeutsam das richtige Erkennen der Signale ist, und daß ein falsch abgelesenes
Signal und eine dadurch veranlaßte falsche Bewegung eines Schiffes die Gefahr
eines Zusammenstoßes herbeiführen kann. Nur unausgesetzte
Schulung der Kommandanten und des gesamten bei der Lenkung
des Schiffs, sowie beim Ablesen der Signale beteiligten Per¬
sonals ermöglichen es, daß alle Bewegungen eines Geschwaders
genau und zuverlässig ausgeführt werden. Das Erkennen der
Signale wird durch .Kohlen- und Geschützranch erschwert, ramene-
lich die Schiffe auf den Flügeln oder am Schluß haben infolge
der großen Entfernung die größte Aufmerksamkeit zu beobachten;
außerdem wird durch den Lärm der Geschütze, insbesondre der
Schnelllndeartillerie die Verständigung an Bord des Schiffs
äußerst erschwert, sodciß es großer Ruhe und Überlegung bei
dem Kommandanten bedarf, die Befehle des Gcschwaderchefs
richtig auszuführen und das Schiff in der bestimmten Position
zu halten. Für alle Übungen, die im Geschwaderverband von
leichtem zu schweren fortschreitend vorgenommen werden, dient
der Ernstfall als Borbild. So sind es namentlich Gefechtsbilder
von Geschwader gegen Geschwader, die nach einer bestimmten Periode der Aus¬
bildung geübt werden. Nehmen wir an, daß unserm Geschwader ein feindliches
gegenübersteht, das sich in den Formationen bewegt, wie wir sie in Figur 1
und 2 gegeben haben, so erhalten wir folgende einfachen Gefechtsbilder:

1. Beide Geschwader passieren sich in Linie hintereinander (Kiellinie mit
entgegengesetzten Kursen, Fig. 3).



2. Beide Geschwader bekämpfen sich in Linie hintereinander (Kiellinie mit
gleichlaufenden Kursen, Fig. 4).

Das erste Gefechtsbild (Fig. 3) zeigt, daß es sich für beide Gegner um
die Ausnutzung einer verhältnismäßig kurzen Zeit für die Geschützwirkung
handelt. Beträgt die Gefechtslinie 2,8 Kilometer, und ist die Geschwindigkeit
von Freund und Feind 10 Seemeilen, so verbleibt jedes Schiff mir etwa drei
Minuten im wirksamsten Feuerbereich des Gegners. Es heißt also während
dieser kurzen Zeit alle Geschütze so ergiebig wie nur irgend möglich zu ver-


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[0594] Das Doppelgeschwader, die Gefechtseinheit der deutschen Schlachtflotte brechen zur Sektionskolonne (für das Geschwader „Kiellinie"), die Wendungen geschehn dann annähernd in gleicher Weise wie in der Kompagnie, wenn wir uns für die Sektionskolanne als geschlossenes Ganze das Schiff denken. Natürlich haben wir bei diesem Vergleich zu berücksichtigen, daß ein Schiff allein die Länge der Frontlinie einer kriegsstarken Kompagnie hat, und zwischen den einzelnen Schiffen ein viermal so großer Abstand ist. Da die Bewegungen zu gleicher Zeit ausgeführt werden müssen, ist ohne weiteres einleuchtend, wie bedeutsam das richtige Erkennen der Signale ist, und daß ein falsch abgelesenes Signal und eine dadurch veranlaßte falsche Bewegung eines Schiffes die Gefahr [Abbildung] eines Zusammenstoßes herbeiführen kann. Nur unausgesetzte Schulung der Kommandanten und des gesamten bei der Lenkung des Schiffs, sowie beim Ablesen der Signale beteiligten Per¬ sonals ermöglichen es, daß alle Bewegungen eines Geschwaders genau und zuverlässig ausgeführt werden. Das Erkennen der Signale wird durch .Kohlen- und Geschützranch erschwert, ramene- lich die Schiffe auf den Flügeln oder am Schluß haben infolge der großen Entfernung die größte Aufmerksamkeit zu beobachten; außerdem wird durch den Lärm der Geschütze, insbesondre der Schnelllndeartillerie die Verständigung an Bord des Schiffs äußerst erschwert, sodciß es großer Ruhe und Überlegung bei dem Kommandanten bedarf, die Befehle des Gcschwaderchefs richtig auszuführen und das Schiff in der bestimmten Position zu halten. Für alle Übungen, die im Geschwaderverband von leichtem zu schweren fortschreitend vorgenommen werden, dient der Ernstfall als Borbild. So sind es namentlich Gefechtsbilder von Geschwader gegen Geschwader, die nach einer bestimmten Periode der Aus¬ bildung geübt werden. Nehmen wir an, daß unserm Geschwader ein feindliches gegenübersteht, das sich in den Formationen bewegt, wie wir sie in Figur 1 und 2 gegeben haben, so erhalten wir folgende einfachen Gefechtsbilder: 1. Beide Geschwader passieren sich in Linie hintereinander (Kiellinie mit entgegengesetzten Kursen, Fig. 3). [Abbildung] 2. Beide Geschwader bekämpfen sich in Linie hintereinander (Kiellinie mit gleichlaufenden Kursen, Fig. 4). Das erste Gefechtsbild (Fig. 3) zeigt, daß es sich für beide Gegner um die Ausnutzung einer verhältnismäßig kurzen Zeit für die Geschützwirkung handelt. Beträgt die Gefechtslinie 2,8 Kilometer, und ist die Geschwindigkeit von Freund und Feind 10 Seemeilen, so verbleibt jedes Schiff mir etwa drei Minuten im wirksamsten Feuerbereich des Gegners. Es heißt also während dieser kurzen Zeit alle Geschütze so ergiebig wie nur irgend möglich zu ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/594>, abgerufen am 04.07.2024.