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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

ausdrücke einzuwickeln, etwas sehr Einschmeichelndes hat. Der Moderne vermeidet
die alten Formen nicht, weil er sie verachtet, sondern weil er von ihnen gelernt
hat, daß die Schönheit immer das natürliche Ergebnis einer Reihe von Funktionen
ist, die mit Nachahmung vorhandner Kunstformen nichts zu thun haben. Zweck,
Eigenschaften des Materials, technische Behandlung und ideale Bestimmung des
Gegenstands bilden die Formen. Das Ornament ist die Sprache der Zeit, die es
versteht, das historische Ornament ist für uns ein Zitat aus einer fremden Sprache,
unsre Linienzüge aber sollen ausdrücken, was wir empfinden. (Hier hätte der
Ältere sagen können: "sollen, ja, gewiß anch wollen, aber können und thun, darauf
käme es an, so ausdrücken also, daß wir andern versteh"" -- aber er sagt nichts.)
Der Moderne ist wahr. Was nicht wahr ist, kann nicht sein. Fort mit allem
Idealismus, der aus Zeiten stammt, die uns innerlich fremd sind. Wir haben
bisher mit historischer Objektivität ältere Stile nachgeahmt, jetzt sehen wir ein, daß
wir unsre Eigenart dabei preisgegeben haben, und die suchen wir wieder in einer
großen Stileinheit, in der sich die Kirchen von den Bahnhöfen ebenso unterscheiden,
wie das Nassauer Haus in Nürnberg von der Lorenzkirche oder das Brüsseler Rat¬
haus von der Gudulakathedrale. -- Hier möchte nun der Alte das Wort nehmen,
aber sein junger Gegner hört ihn gar nicht mehr an, sondern er begiebt sich in
den Musiksaal, auch der Erzähler giebt ihn als "prachtvolles Exemplar" preis und
geht ebenfalls den Klängen von Dvoraks Furiante nach. Jetzt ist es zu spät.
Warum hat er nicht früher gesprochen! Mit zwei Zitaten aus Nietzsche über die
Nachahmer, die die Historie mißbrauchen nud die Zukunft damit verbauen, wird
die Streitfrage gegen ihn entschieden.

Wenn dem alten Herrn nun das Protokoll jener Verhandlungen, fein mit
Schwabacher Schrift und Buchschmuck auf Büttenpapier gedruckt, zu Gesichte kommt,
so wird ihm zu manchen Bemerkungen seines Gegners wohl nachträglich noch einiges
einfallen. Jener sagt z. B: "Eine unüberbrückbare Kluft trennt unsre An¬
schauungen. Ihnen sind die Stilformen der Vergangenheit künstlerische Ausdrucks-
niittel von zeitloser allgemeiner Bedeutung; für mich haben sie keine Daseins¬
berechtigung mehr, sobald die Zeit, aus deren Anschauungen und Strebungen sie
erwachsen sind, vorbei ist. Der einzige Schluß, den ich aus der durch das Studium
der Kunstgeschichte gewonnenen Erkenntnis, daß jeder historische Stil seine Schön¬
heit hat, daß also jedes Zeitalter die Fähigkeit besessen hat, in eigenartiger Weise
schön zu gestalten, ziehe, ist der, daß dann auch unsre Zeit dazu den Beruf, die
Kraft und die Fähigkeit besitzt." -- "Ja, mein Verehrtester, rühmlichst bekannter
Herr Maler, wie das Protokoll auf Seite 10 Sie so vorteilhaft einführt, wenn
Ihr Schaffen und Leisten ebenso kühn ist, wie Ihre Schlußfolgerung, mit andern
Worten, wenn Ihre persönliche malerische Phantasie imstande sein wird, den ganzen
historischen Formenschatz totzuschlagen, dann kommt auf unser beider Meinung und
die dazwischen liegende Kluft überhaupt nichts mehr an. Dieses Wenn ist aber für
mich noch von allerlei Fragezeichen umgeben, gönnen Sie uns also lieber bis dahin
die Freude an dem Alten, das uns vertraut und verständlich geworden ist. Bei
Ihrer Linienkunst empfinden wir bis jetzt noch nichts, und Ihre Plakatbuchstaben
können wir nicht einmal lesen." So etwas wird der alte Herr für sich hinredcn.
Er könnte sich aber vielleicht anch noch nach einigen unverächtlichen Bundesgenossen
umsehen. Im Goldner Buch (Leipzig, Weber) haben angesehene Männer, Gro߬
industrielle wie Lobmeyr, Kunstverleger wie Georg Hirth, ferner im Kunstgewerbe
thätige Künstler und Theoretiker ihr Urteil über den neuen Stil abgegeben, und durch
alle diese Aussprüche geht der Grundton On ö8t, de>u^c>ur8 l'önjÄnt, alö ciuolciu'rin. Wie
die Geschichte bis jetzt zeigt, hat sich in den bestimmenden Formen der Architektur und
in dem nebenhergehenden Kleingewerbe etwas Neues von Geltung und Dauer nur ans


Maßgebliches und Unmaßgebliches

ausdrücke einzuwickeln, etwas sehr Einschmeichelndes hat. Der Moderne vermeidet
die alten Formen nicht, weil er sie verachtet, sondern weil er von ihnen gelernt
hat, daß die Schönheit immer das natürliche Ergebnis einer Reihe von Funktionen
ist, die mit Nachahmung vorhandner Kunstformen nichts zu thun haben. Zweck,
Eigenschaften des Materials, technische Behandlung und ideale Bestimmung des
Gegenstands bilden die Formen. Das Ornament ist die Sprache der Zeit, die es
versteht, das historische Ornament ist für uns ein Zitat aus einer fremden Sprache,
unsre Linienzüge aber sollen ausdrücken, was wir empfinden. (Hier hätte der
Ältere sagen können: „sollen, ja, gewiß anch wollen, aber können und thun, darauf
käme es an, so ausdrücken also, daß wir andern versteh»" — aber er sagt nichts.)
Der Moderne ist wahr. Was nicht wahr ist, kann nicht sein. Fort mit allem
Idealismus, der aus Zeiten stammt, die uns innerlich fremd sind. Wir haben
bisher mit historischer Objektivität ältere Stile nachgeahmt, jetzt sehen wir ein, daß
wir unsre Eigenart dabei preisgegeben haben, und die suchen wir wieder in einer
großen Stileinheit, in der sich die Kirchen von den Bahnhöfen ebenso unterscheiden,
wie das Nassauer Haus in Nürnberg von der Lorenzkirche oder das Brüsseler Rat¬
haus von der Gudulakathedrale. — Hier möchte nun der Alte das Wort nehmen,
aber sein junger Gegner hört ihn gar nicht mehr an, sondern er begiebt sich in
den Musiksaal, auch der Erzähler giebt ihn als „prachtvolles Exemplar" preis und
geht ebenfalls den Klängen von Dvoraks Furiante nach. Jetzt ist es zu spät.
Warum hat er nicht früher gesprochen! Mit zwei Zitaten aus Nietzsche über die
Nachahmer, die die Historie mißbrauchen nud die Zukunft damit verbauen, wird
die Streitfrage gegen ihn entschieden.

Wenn dem alten Herrn nun das Protokoll jener Verhandlungen, fein mit
Schwabacher Schrift und Buchschmuck auf Büttenpapier gedruckt, zu Gesichte kommt,
so wird ihm zu manchen Bemerkungen seines Gegners wohl nachträglich noch einiges
einfallen. Jener sagt z. B: „Eine unüberbrückbare Kluft trennt unsre An¬
schauungen. Ihnen sind die Stilformen der Vergangenheit künstlerische Ausdrucks-
niittel von zeitloser allgemeiner Bedeutung; für mich haben sie keine Daseins¬
berechtigung mehr, sobald die Zeit, aus deren Anschauungen und Strebungen sie
erwachsen sind, vorbei ist. Der einzige Schluß, den ich aus der durch das Studium
der Kunstgeschichte gewonnenen Erkenntnis, daß jeder historische Stil seine Schön¬
heit hat, daß also jedes Zeitalter die Fähigkeit besessen hat, in eigenartiger Weise
schön zu gestalten, ziehe, ist der, daß dann auch unsre Zeit dazu den Beruf, die
Kraft und die Fähigkeit besitzt." — „Ja, mein Verehrtester, rühmlichst bekannter
Herr Maler, wie das Protokoll auf Seite 10 Sie so vorteilhaft einführt, wenn
Ihr Schaffen und Leisten ebenso kühn ist, wie Ihre Schlußfolgerung, mit andern
Worten, wenn Ihre persönliche malerische Phantasie imstande sein wird, den ganzen
historischen Formenschatz totzuschlagen, dann kommt auf unser beider Meinung und
die dazwischen liegende Kluft überhaupt nichts mehr an. Dieses Wenn ist aber für
mich noch von allerlei Fragezeichen umgeben, gönnen Sie uns also lieber bis dahin
die Freude an dem Alten, das uns vertraut und verständlich geworden ist. Bei
Ihrer Linienkunst empfinden wir bis jetzt noch nichts, und Ihre Plakatbuchstaben
können wir nicht einmal lesen." So etwas wird der alte Herr für sich hinredcn.
Er könnte sich aber vielleicht anch noch nach einigen unverächtlichen Bundesgenossen
umsehen. Im Goldner Buch (Leipzig, Weber) haben angesehene Männer, Gro߬
industrielle wie Lobmeyr, Kunstverleger wie Georg Hirth, ferner im Kunstgewerbe
thätige Künstler und Theoretiker ihr Urteil über den neuen Stil abgegeben, und durch
alle diese Aussprüche geht der Grundton On ö8t, de>u^c>ur8 l'önjÄnt, alö ciuolciu'rin. Wie
die Geschichte bis jetzt zeigt, hat sich in den bestimmenden Formen der Architektur und
in dem nebenhergehenden Kleingewerbe etwas Neues von Geltung und Dauer nur ans


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[0526] Maßgebliches und Unmaßgebliches ausdrücke einzuwickeln, etwas sehr Einschmeichelndes hat. Der Moderne vermeidet die alten Formen nicht, weil er sie verachtet, sondern weil er von ihnen gelernt hat, daß die Schönheit immer das natürliche Ergebnis einer Reihe von Funktionen ist, die mit Nachahmung vorhandner Kunstformen nichts zu thun haben. Zweck, Eigenschaften des Materials, technische Behandlung und ideale Bestimmung des Gegenstands bilden die Formen. Das Ornament ist die Sprache der Zeit, die es versteht, das historische Ornament ist für uns ein Zitat aus einer fremden Sprache, unsre Linienzüge aber sollen ausdrücken, was wir empfinden. (Hier hätte der Ältere sagen können: „sollen, ja, gewiß anch wollen, aber können und thun, darauf käme es an, so ausdrücken also, daß wir andern versteh»" — aber er sagt nichts.) Der Moderne ist wahr. Was nicht wahr ist, kann nicht sein. Fort mit allem Idealismus, der aus Zeiten stammt, die uns innerlich fremd sind. Wir haben bisher mit historischer Objektivität ältere Stile nachgeahmt, jetzt sehen wir ein, daß wir unsre Eigenart dabei preisgegeben haben, und die suchen wir wieder in einer großen Stileinheit, in der sich die Kirchen von den Bahnhöfen ebenso unterscheiden, wie das Nassauer Haus in Nürnberg von der Lorenzkirche oder das Brüsseler Rat¬ haus von der Gudulakathedrale. — Hier möchte nun der Alte das Wort nehmen, aber sein junger Gegner hört ihn gar nicht mehr an, sondern er begiebt sich in den Musiksaal, auch der Erzähler giebt ihn als „prachtvolles Exemplar" preis und geht ebenfalls den Klängen von Dvoraks Furiante nach. Jetzt ist es zu spät. Warum hat er nicht früher gesprochen! Mit zwei Zitaten aus Nietzsche über die Nachahmer, die die Historie mißbrauchen nud die Zukunft damit verbauen, wird die Streitfrage gegen ihn entschieden. Wenn dem alten Herrn nun das Protokoll jener Verhandlungen, fein mit Schwabacher Schrift und Buchschmuck auf Büttenpapier gedruckt, zu Gesichte kommt, so wird ihm zu manchen Bemerkungen seines Gegners wohl nachträglich noch einiges einfallen. Jener sagt z. B: „Eine unüberbrückbare Kluft trennt unsre An¬ schauungen. Ihnen sind die Stilformen der Vergangenheit künstlerische Ausdrucks- niittel von zeitloser allgemeiner Bedeutung; für mich haben sie keine Daseins¬ berechtigung mehr, sobald die Zeit, aus deren Anschauungen und Strebungen sie erwachsen sind, vorbei ist. Der einzige Schluß, den ich aus der durch das Studium der Kunstgeschichte gewonnenen Erkenntnis, daß jeder historische Stil seine Schön¬ heit hat, daß also jedes Zeitalter die Fähigkeit besessen hat, in eigenartiger Weise schön zu gestalten, ziehe, ist der, daß dann auch unsre Zeit dazu den Beruf, die Kraft und die Fähigkeit besitzt." — „Ja, mein Verehrtester, rühmlichst bekannter Herr Maler, wie das Protokoll auf Seite 10 Sie so vorteilhaft einführt, wenn Ihr Schaffen und Leisten ebenso kühn ist, wie Ihre Schlußfolgerung, mit andern Worten, wenn Ihre persönliche malerische Phantasie imstande sein wird, den ganzen historischen Formenschatz totzuschlagen, dann kommt auf unser beider Meinung und die dazwischen liegende Kluft überhaupt nichts mehr an. Dieses Wenn ist aber für mich noch von allerlei Fragezeichen umgeben, gönnen Sie uns also lieber bis dahin die Freude an dem Alten, das uns vertraut und verständlich geworden ist. Bei Ihrer Linienkunst empfinden wir bis jetzt noch nichts, und Ihre Plakatbuchstaben können wir nicht einmal lesen." So etwas wird der alte Herr für sich hinredcn. Er könnte sich aber vielleicht anch noch nach einigen unverächtlichen Bundesgenossen umsehen. Im Goldner Buch (Leipzig, Weber) haben angesehene Männer, Gro߬ industrielle wie Lobmeyr, Kunstverleger wie Georg Hirth, ferner im Kunstgewerbe thätige Künstler und Theoretiker ihr Urteil über den neuen Stil abgegeben, und durch alle diese Aussprüche geht der Grundton On ö8t, de>u^c>ur8 l'önjÄnt, alö ciuolciu'rin. Wie die Geschichte bis jetzt zeigt, hat sich in den bestimmenden Formen der Architektur und in dem nebenhergehenden Kleingewerbe etwas Neues von Geltung und Dauer nur ans

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/526>, abgerufen am 01.07.2024.