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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Litteratur

wie es scheint, etwas allzusehr ins Statistische geratnen bisherigen Arbeiten zur
Vorbereitung der Handelsverträge gegenüber kann das Studium des Buchs nur
empfohlen werden. Die geschichtliche Darstellung behandelt übrigens auch die Vor¬
geschichte, besonders die Gründung und den Ausbau des deutscheu Zollvereins, ziem¬
lich eingehend, sodaß der Titel fast als etwas zu eng gefaßt erscheinen kann.

Der Verfasser vertritt bei aller Objektivität entschieden die Politik der Handels¬
verträge, wie sie das Reich seit 1896 eingeschlagen hat, und faßt die Bismarckische
Zvllreform vou 1879 als eine für diese Politik notwendige Vorbereitung ause
Nicht unrichtig bezeichnet er sie als den "Übergang zur Politik der Repressalien."
Er sagt von ihr unter andern, der Erfolg der vom Fürsten Vismarck in den
achtziger Jahren gegen die beiden hartnäckigsten wirtschaftlichen Gegner Deutschlands
von damals, Österreich und Rußland, ans der Grundlage der Zvlltarifreform von
1879 gerichteten Maßnahmen sei trotz aller Deklamationen auf der freihändlerischen
Seite nicht ausgeblieben, und damit sei der Beweis erbracht worden, "daß die
deutsche Zvllreform von 1879 thatsächlich der Sache gemäßigten Freihandels
mehr genützt hat, als das frühere System Delbrücks."

Bekanntlich ist der Gedanke, sich durch Erhöhung der Zölle das Mittel zu
schaffen, vom Auslande größere Freiheiten für unsern Handelsverkehr zu er¬
lange", noch in den achtziger Jahren vom Fürsten Bismarck selbst auch in Bezug
auf die Getreidezölle offen ausgesprochen worden. Auch Bnchenberger hebt in seinen
"Grundzügen der deutschen Agrarpolitik" (1897), in der er überhaupt einen unserm
Anonhmus verwandten, der Zollpolitik des "neuen Kurses" wohlwollenden Standpunkt
vertritt, ausdrücklich hervor, daß die Erhöhung des Zolls für Weizen und Rogge"
von drei auf fünf Mark vom Jahre 1887 nicht ans einem damals besonders großen
Schutzbedürfnis der Landwirtschaft, sondern ans dem handelspolitischen Bedürfnis
hervorgegangen sei, beim Abschluß neuer Handelsverträge ein ausreichendes Kom¬
pensationsobjekt für handelspolitische Zugeständnisse bei andern Staaten zu habe".
Die Erfahrung hat hinreichend gelehrt, daß sich gerade Agrarzölle zu solchen Koiu-
pensativnsobjekten wenig eignen, da sie, ja schon die Aussicht ans sie, leider nur zu
leicht zur Erhöhung der Güterpreise und Gruudverschulduug führen können, zumut
in Gegenden des landwirtschaftlichen Großbetriebs.

Der Verfasser erwähnt aber auch, daß sich Fürst Bismarck schon 1879 in
seiner großen Rede in der Neichstagssitzuug vom 2. Mai zu Grundsätzen bekannt
hat, die dem agrarischen Programm von heute entsprechen, indem er schon damals
die Agrarzölle zur Hauptsache in unsrer ganzen Zollpolitik machte, den Notstand
der Landwirte weitaus in deu Vordergrund schob und ihre Verschuldung allein als
die Folge politischer Maßnahmen des Staats und patriotischer Opfer, die die alt-
preußischen Gutsbesitzer seit Anfang des Jahrhunderts für Deutschland gebracht
hätten, beurteilt wisse" wollte. Bismarck faßte dabei, wie sich unser Anonymus
ausdrückt, auch schon "eine volle Absperrung Deutschlands vom Ausland" ins Auge
und erklärte eine "Fortsetzung des Reichs nach Verlust seines Exporthandels" für
möglich. Über die Politik der Handelsverträge brach er dabei grundsätzlich schroff
den Stab. Die schutzzölluenscheu Länder prvsperierten, England mit seinem Freihandel
litte und beginne auch schon zu Schutzzöllen zu greifen und werde das immer mehr
thun. Bei allen Handelsverträgen sei der eine Teil immer der betrogne.

Bismarck war nichts weniger als ein doktrinärer Prinzipienreiter, und es ist
in gewissem Sinne schon richtig, wenn der Verfasser die Praxis der Bisnmrckischen
Zollpolitik in den Jahren 1886 bis 1896 nicht als gegensätzlich gegen die Handels¬
vertragspolitik hinstellt, wenn sich der Fürst auch nach seinem Rücktritt von der
verantwortlichen Leitung der politischen Geschäfte des Reichs immer schroffer aus
den agrarisch-doktrinären Standpunkt seiner Rede vom 2. Mai 1879 zurückzog-
Mit Recht mahnt der Anonymus bei der Erörterung der zukünftigen Zollreform


Litteratur

wie es scheint, etwas allzusehr ins Statistische geratnen bisherigen Arbeiten zur
Vorbereitung der Handelsverträge gegenüber kann das Studium des Buchs nur
empfohlen werden. Die geschichtliche Darstellung behandelt übrigens auch die Vor¬
geschichte, besonders die Gründung und den Ausbau des deutscheu Zollvereins, ziem¬
lich eingehend, sodaß der Titel fast als etwas zu eng gefaßt erscheinen kann.

Der Verfasser vertritt bei aller Objektivität entschieden die Politik der Handels¬
verträge, wie sie das Reich seit 1896 eingeschlagen hat, und faßt die Bismarckische
Zvllreform vou 1879 als eine für diese Politik notwendige Vorbereitung ause
Nicht unrichtig bezeichnet er sie als den „Übergang zur Politik der Repressalien."
Er sagt von ihr unter andern, der Erfolg der vom Fürsten Vismarck in den
achtziger Jahren gegen die beiden hartnäckigsten wirtschaftlichen Gegner Deutschlands
von damals, Österreich und Rußland, ans der Grundlage der Zvlltarifreform von
1879 gerichteten Maßnahmen sei trotz aller Deklamationen auf der freihändlerischen
Seite nicht ausgeblieben, und damit sei der Beweis erbracht worden, „daß die
deutsche Zvllreform von 1879 thatsächlich der Sache gemäßigten Freihandels
mehr genützt hat, als das frühere System Delbrücks."

Bekanntlich ist der Gedanke, sich durch Erhöhung der Zölle das Mittel zu
schaffen, vom Auslande größere Freiheiten für unsern Handelsverkehr zu er¬
lange», noch in den achtziger Jahren vom Fürsten Bismarck selbst auch in Bezug
auf die Getreidezölle offen ausgesprochen worden. Auch Bnchenberger hebt in seinen
„Grundzügen der deutschen Agrarpolitik" (1897), in der er überhaupt einen unserm
Anonhmus verwandten, der Zollpolitik des „neuen Kurses" wohlwollenden Standpunkt
vertritt, ausdrücklich hervor, daß die Erhöhung des Zolls für Weizen und Rogge»
von drei auf fünf Mark vom Jahre 1887 nicht ans einem damals besonders großen
Schutzbedürfnis der Landwirtschaft, sondern ans dem handelspolitischen Bedürfnis
hervorgegangen sei, beim Abschluß neuer Handelsverträge ein ausreichendes Kom¬
pensationsobjekt für handelspolitische Zugeständnisse bei andern Staaten zu habe».
Die Erfahrung hat hinreichend gelehrt, daß sich gerade Agrarzölle zu solchen Koiu-
pensativnsobjekten wenig eignen, da sie, ja schon die Aussicht ans sie, leider nur zu
leicht zur Erhöhung der Güterpreise und Gruudverschulduug führen können, zumut
in Gegenden des landwirtschaftlichen Großbetriebs.

Der Verfasser erwähnt aber auch, daß sich Fürst Bismarck schon 1879 in
seiner großen Rede in der Neichstagssitzuug vom 2. Mai zu Grundsätzen bekannt
hat, die dem agrarischen Programm von heute entsprechen, indem er schon damals
die Agrarzölle zur Hauptsache in unsrer ganzen Zollpolitik machte, den Notstand
der Landwirte weitaus in deu Vordergrund schob und ihre Verschuldung allein als
die Folge politischer Maßnahmen des Staats und patriotischer Opfer, die die alt-
preußischen Gutsbesitzer seit Anfang des Jahrhunderts für Deutschland gebracht
hätten, beurteilt wisse» wollte. Bismarck faßte dabei, wie sich unser Anonymus
ausdrückt, auch schon „eine volle Absperrung Deutschlands vom Ausland" ins Auge
und erklärte eine „Fortsetzung des Reichs nach Verlust seines Exporthandels" für
möglich. Über die Politik der Handelsverträge brach er dabei grundsätzlich schroff
den Stab. Die schutzzölluenscheu Länder prvsperierten, England mit seinem Freihandel
litte und beginne auch schon zu Schutzzöllen zu greifen und werde das immer mehr
thun. Bei allen Handelsverträgen sei der eine Teil immer der betrogne.

Bismarck war nichts weniger als ein doktrinärer Prinzipienreiter, und es ist
in gewissem Sinne schon richtig, wenn der Verfasser die Praxis der Bisnmrckischen
Zollpolitik in den Jahren 1886 bis 1896 nicht als gegensätzlich gegen die Handels¬
vertragspolitik hinstellt, wenn sich der Fürst auch nach seinem Rücktritt von der
verantwortlichen Leitung der politischen Geschäfte des Reichs immer schroffer aus
den agrarisch-doktrinären Standpunkt seiner Rede vom 2. Mai 1879 zurückzog-
Mit Recht mahnt der Anonymus bei der Erörterung der zukünftigen Zollreform


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/270>, abgerufen am 04.07.2024.