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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

denen die Möglichkeit seiner Verwirklichung abhängt, den Zusammenhang der
sozialistischen Bewegung mit den höchsten Zielen der Menschheit, deren Vervoll¬
kommnung in anthropologischer, religiöser und sittlicher Beziehung. Er unterscheidet
zwischen Kommunismus und Kollektivismus und versteht unter jenem die Verteilung
der Güter nach dem vernunftgemäßen Bedürfnis, unter diesem die Verteilung nach
dem sozialen Werte der Arbeitsleistung. Er glaubt, daß der Kollektivismus leichter
zu verwirklichen sei als der Kommunismus, daß seine Verwirklichung der Vervoll¬
kommnung der Menschheit dienen werde, und daß ihm die Entwicklung der Gesell¬
schaft zustrebe. Insbesondre sind es fünf neue Erscheinungen, die seiner Ansicht
nach diese Richtung erkennen lassen und den Kollektivismus vorbereiten: 1. ein neuer
Unternehmerstand, der sich seiner Pflichten gegen die Lohnarbeiter bewußt ist, und
der den Hauptbestandteil der modernen Aristokratie auszumachen beginnt; 2. die
Gewerkvereine, die deu Arbeitern einen größern Anteil am Produkt und bessere
Arbeitsbedingungen erkämpfen; 3. die Aktiengesellschaften, die nicht allein eine
Zwischenstufe zwischen der privatkapitalistischen und der kollektivistischen Organisation
der Unternehmungen sind, sondern auch durch die ihnen gesetzlich vorgeschriebne
öffentliche Rechnungslegung den Fortschritt zum Kollektivismus fördern; 4. die
Konzentration der Unternehmungen durch Kartelle und Fusionen; 5. das Eingreifen
des Staats zu Gunsten der kollektivistischen Forderungen durch die sozialpolitische
Gesetzgebung. Sulzer zeigt, wie Produktion und Verteilung nach und nach stück¬
weise in die kollektivistische Form übergeführt werden können, und wie diese im
einzelnen aussehen werde; Vermögens- und Einkommenunterschiede sollen innerhalb
vernünftiger Grenzen bestehen bleiben. Daß er die Familie nicht auflösen will, ver¬
steht sich bei seiner Stellung zum Christentum von selbst; Hebung des sittlichen
Niveaus in jeder Beziehung ist nach ihm die wesentlichste Bedingung der Ver-
wirklichungsmöglichkeit des kollektivistischen Ideals. Auf dessen Verwirklichung, glaubt
er, werde als letzte und höchste Kulturstufe ein Zustand folgen, wo der Staat mit
Bewußtsein an der sittlichen Vervollkommnung seiner Mitglieder arbeitet. Für die
Beurteilung dieser Ansicht kommt dreierlei in Betracht. Erstens der gegenwärtige
Zustand; und da ist es nun Thatsache, daß dieser die Richtung auf den Kollek¬
tivismus erkennen läßt. Zweitens die Frage, ob sich diese Richtung bis zur Er¬
reichung des Endziels durchsetzen werde; auf die können wir nichts andres antworten,
als daß wir es nicht wissen. Drittens die Ansicht, daß sich die Menschheit stetig
vervollkommne, und daß der Kollektivismus der Vervollkommnung dienen würde.
Beides bezweifeln wir; aber da beides einer großen Anzahl von Gebildeten als
Dogma gilt, und da, wie Sulzer sehr schön nachweist, die Dogmen sogar mächtigere
Triebfedern für die sozialen und politischen Bewegungen abgeben als die leiblichen
Bedürfnisse, so werden diese beiden Dogmen ohne Zweifel die Annäherung an den
Kollektivismus fördern. -- Dem Kollektivisten lassen wir einen extremen Individualisten
folgen: Diedrich Bischoff, der in seiner Schrift: Echte und falsche Ge¬
rechtigkeit, ein Wort wider den Sozialismus (Leipzig, Max Hesse, 1398) nachzu¬
weisen versucht, daß alles Unheil vom verkehrten Individualwillen komme, und daß
Besserung mir von der Willenserziehung zu erwarten sei. Wir können ihm in sehr
vielen: beistimmen, nur nicht in seiner Terminologie. Er definiert das Gerechte als
das Nützliche, was schon die Alten für unerlaubt erklärt haben. Seite 146 warnt
er vor Überschätzung der Moral, die unter Umständen schade; gerade dasselbe sagen
wir von der Gerechtigkeit, die wir zur Moral rechnen. Bischoff will eine Rechts¬
ordnung, die ihren Teilnehmern den höchsten möglichen Grad von Nutzen gewährt,
aber Rechtsordnung und Gerechtigkeit, namentlich subjektive Gerechtigkeit, sind
zweierlei. -- Walter Troeltsch, außerordentlicher Professor an der Universität
Tübingen, hat dem kaufmännischen Verein in Stuttgart fünf Vorträge gehalten:
über die Grundlagen unsrer heutigen Wirtschaftsverhältuisse, über Landwirtschaft,


Maßgebliches und Unmaßgebliches

denen die Möglichkeit seiner Verwirklichung abhängt, den Zusammenhang der
sozialistischen Bewegung mit den höchsten Zielen der Menschheit, deren Vervoll¬
kommnung in anthropologischer, religiöser und sittlicher Beziehung. Er unterscheidet
zwischen Kommunismus und Kollektivismus und versteht unter jenem die Verteilung
der Güter nach dem vernunftgemäßen Bedürfnis, unter diesem die Verteilung nach
dem sozialen Werte der Arbeitsleistung. Er glaubt, daß der Kollektivismus leichter
zu verwirklichen sei als der Kommunismus, daß seine Verwirklichung der Vervoll¬
kommnung der Menschheit dienen werde, und daß ihm die Entwicklung der Gesell¬
schaft zustrebe. Insbesondre sind es fünf neue Erscheinungen, die seiner Ansicht
nach diese Richtung erkennen lassen und den Kollektivismus vorbereiten: 1. ein neuer
Unternehmerstand, der sich seiner Pflichten gegen die Lohnarbeiter bewußt ist, und
der den Hauptbestandteil der modernen Aristokratie auszumachen beginnt; 2. die
Gewerkvereine, die deu Arbeitern einen größern Anteil am Produkt und bessere
Arbeitsbedingungen erkämpfen; 3. die Aktiengesellschaften, die nicht allein eine
Zwischenstufe zwischen der privatkapitalistischen und der kollektivistischen Organisation
der Unternehmungen sind, sondern auch durch die ihnen gesetzlich vorgeschriebne
öffentliche Rechnungslegung den Fortschritt zum Kollektivismus fördern; 4. die
Konzentration der Unternehmungen durch Kartelle und Fusionen; 5. das Eingreifen
des Staats zu Gunsten der kollektivistischen Forderungen durch die sozialpolitische
Gesetzgebung. Sulzer zeigt, wie Produktion und Verteilung nach und nach stück¬
weise in die kollektivistische Form übergeführt werden können, und wie diese im
einzelnen aussehen werde; Vermögens- und Einkommenunterschiede sollen innerhalb
vernünftiger Grenzen bestehen bleiben. Daß er die Familie nicht auflösen will, ver¬
steht sich bei seiner Stellung zum Christentum von selbst; Hebung des sittlichen
Niveaus in jeder Beziehung ist nach ihm die wesentlichste Bedingung der Ver-
wirklichungsmöglichkeit des kollektivistischen Ideals. Auf dessen Verwirklichung, glaubt
er, werde als letzte und höchste Kulturstufe ein Zustand folgen, wo der Staat mit
Bewußtsein an der sittlichen Vervollkommnung seiner Mitglieder arbeitet. Für die
Beurteilung dieser Ansicht kommt dreierlei in Betracht. Erstens der gegenwärtige
Zustand; und da ist es nun Thatsache, daß dieser die Richtung auf den Kollek¬
tivismus erkennen läßt. Zweitens die Frage, ob sich diese Richtung bis zur Er¬
reichung des Endziels durchsetzen werde; auf die können wir nichts andres antworten,
als daß wir es nicht wissen. Drittens die Ansicht, daß sich die Menschheit stetig
vervollkommne, und daß der Kollektivismus der Vervollkommnung dienen würde.
Beides bezweifeln wir; aber da beides einer großen Anzahl von Gebildeten als
Dogma gilt, und da, wie Sulzer sehr schön nachweist, die Dogmen sogar mächtigere
Triebfedern für die sozialen und politischen Bewegungen abgeben als die leiblichen
Bedürfnisse, so werden diese beiden Dogmen ohne Zweifel die Annäherung an den
Kollektivismus fördern. — Dem Kollektivisten lassen wir einen extremen Individualisten
folgen: Diedrich Bischoff, der in seiner Schrift: Echte und falsche Ge¬
rechtigkeit, ein Wort wider den Sozialismus (Leipzig, Max Hesse, 1398) nachzu¬
weisen versucht, daß alles Unheil vom verkehrten Individualwillen komme, und daß
Besserung mir von der Willenserziehung zu erwarten sei. Wir können ihm in sehr
vielen: beistimmen, nur nicht in seiner Terminologie. Er definiert das Gerechte als
das Nützliche, was schon die Alten für unerlaubt erklärt haben. Seite 146 warnt
er vor Überschätzung der Moral, die unter Umständen schade; gerade dasselbe sagen
wir von der Gerechtigkeit, die wir zur Moral rechnen. Bischoff will eine Rechts¬
ordnung, die ihren Teilnehmern den höchsten möglichen Grad von Nutzen gewährt,
aber Rechtsordnung und Gerechtigkeit, namentlich subjektive Gerechtigkeit, sind
zweierlei. — Walter Troeltsch, außerordentlicher Professor an der Universität
Tübingen, hat dem kaufmännischen Verein in Stuttgart fünf Vorträge gehalten:
über die Grundlagen unsrer heutigen Wirtschaftsverhältuisse, über Landwirtschaft,


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[0107] Maßgebliches und Unmaßgebliches denen die Möglichkeit seiner Verwirklichung abhängt, den Zusammenhang der sozialistischen Bewegung mit den höchsten Zielen der Menschheit, deren Vervoll¬ kommnung in anthropologischer, religiöser und sittlicher Beziehung. Er unterscheidet zwischen Kommunismus und Kollektivismus und versteht unter jenem die Verteilung der Güter nach dem vernunftgemäßen Bedürfnis, unter diesem die Verteilung nach dem sozialen Werte der Arbeitsleistung. Er glaubt, daß der Kollektivismus leichter zu verwirklichen sei als der Kommunismus, daß seine Verwirklichung der Vervoll¬ kommnung der Menschheit dienen werde, und daß ihm die Entwicklung der Gesell¬ schaft zustrebe. Insbesondre sind es fünf neue Erscheinungen, die seiner Ansicht nach diese Richtung erkennen lassen und den Kollektivismus vorbereiten: 1. ein neuer Unternehmerstand, der sich seiner Pflichten gegen die Lohnarbeiter bewußt ist, und der den Hauptbestandteil der modernen Aristokratie auszumachen beginnt; 2. die Gewerkvereine, die deu Arbeitern einen größern Anteil am Produkt und bessere Arbeitsbedingungen erkämpfen; 3. die Aktiengesellschaften, die nicht allein eine Zwischenstufe zwischen der privatkapitalistischen und der kollektivistischen Organisation der Unternehmungen sind, sondern auch durch die ihnen gesetzlich vorgeschriebne öffentliche Rechnungslegung den Fortschritt zum Kollektivismus fördern; 4. die Konzentration der Unternehmungen durch Kartelle und Fusionen; 5. das Eingreifen des Staats zu Gunsten der kollektivistischen Forderungen durch die sozialpolitische Gesetzgebung. Sulzer zeigt, wie Produktion und Verteilung nach und nach stück¬ weise in die kollektivistische Form übergeführt werden können, und wie diese im einzelnen aussehen werde; Vermögens- und Einkommenunterschiede sollen innerhalb vernünftiger Grenzen bestehen bleiben. Daß er die Familie nicht auflösen will, ver¬ steht sich bei seiner Stellung zum Christentum von selbst; Hebung des sittlichen Niveaus in jeder Beziehung ist nach ihm die wesentlichste Bedingung der Ver- wirklichungsmöglichkeit des kollektivistischen Ideals. Auf dessen Verwirklichung, glaubt er, werde als letzte und höchste Kulturstufe ein Zustand folgen, wo der Staat mit Bewußtsein an der sittlichen Vervollkommnung seiner Mitglieder arbeitet. Für die Beurteilung dieser Ansicht kommt dreierlei in Betracht. Erstens der gegenwärtige Zustand; und da ist es nun Thatsache, daß dieser die Richtung auf den Kollek¬ tivismus erkennen läßt. Zweitens die Frage, ob sich diese Richtung bis zur Er¬ reichung des Endziels durchsetzen werde; auf die können wir nichts andres antworten, als daß wir es nicht wissen. Drittens die Ansicht, daß sich die Menschheit stetig vervollkommne, und daß der Kollektivismus der Vervollkommnung dienen würde. Beides bezweifeln wir; aber da beides einer großen Anzahl von Gebildeten als Dogma gilt, und da, wie Sulzer sehr schön nachweist, die Dogmen sogar mächtigere Triebfedern für die sozialen und politischen Bewegungen abgeben als die leiblichen Bedürfnisse, so werden diese beiden Dogmen ohne Zweifel die Annäherung an den Kollektivismus fördern. — Dem Kollektivisten lassen wir einen extremen Individualisten folgen: Diedrich Bischoff, der in seiner Schrift: Echte und falsche Ge¬ rechtigkeit, ein Wort wider den Sozialismus (Leipzig, Max Hesse, 1398) nachzu¬ weisen versucht, daß alles Unheil vom verkehrten Individualwillen komme, und daß Besserung mir von der Willenserziehung zu erwarten sei. Wir können ihm in sehr vielen: beistimmen, nur nicht in seiner Terminologie. Er definiert das Gerechte als das Nützliche, was schon die Alten für unerlaubt erklärt haben. Seite 146 warnt er vor Überschätzung der Moral, die unter Umständen schade; gerade dasselbe sagen wir von der Gerechtigkeit, die wir zur Moral rechnen. Bischoff will eine Rechts¬ ordnung, die ihren Teilnehmern den höchsten möglichen Grad von Nutzen gewährt, aber Rechtsordnung und Gerechtigkeit, namentlich subjektive Gerechtigkeit, sind zweierlei. — Walter Troeltsch, außerordentlicher Professor an der Universität Tübingen, hat dem kaufmännischen Verein in Stuttgart fünf Vorträge gehalten: über die Grundlagen unsrer heutigen Wirtschaftsverhältuisse, über Landwirtschaft,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/107>, abgerufen am 30.06.2024.