Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Vie Schweiz im neunzehnten Jahrhundert Despoten gar nicht Unrecht hatten, wenn sie sich in der Schweiz wohler fühlten Was der Verfasser an seinem Vaterlande, wie es am Ende des vorigen *) Ein so fehlerhafter Satz sollte doch in einem Monumentalwerke nicht vorkommen.
Vie Schweiz im neunzehnten Jahrhundert Despoten gar nicht Unrecht hatten, wenn sie sich in der Schweiz wohler fühlten Was der Verfasser an seinem Vaterlande, wie es am Ende des vorigen *) Ein so fehlerhafter Satz sollte doch in einem Monumentalwerke nicht vorkommen.
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Vie Schweiz im neunzehnten Jahrhundert
Despoten gar nicht Unrecht hatten, wenn sie sich in der Schweiz wohler fühlten
als zu Hause. Und diese Schar bedeutender Männer! Wir erinnern nur an
die bekanntesten von den vielen, die Lichenen aufzählt. In Genf lebten
außer Rousseau. der allein schon hundert Mittelmäßigkeiten aufwiegt, Bonnet,
Saussure, Necker und die beiden, die dem großen Mirabeau, während er sich
amüsierte, seine weltberühmten Reden gemacht haben: Etienne Dumont und
Pierre Abraham Reybaz. In Neuenburg Marat, freilich eine zweifelhafte
Zierde seiner Heimat. In Bern Albrecht und Gottlieb von Haller, Bonstetten
und eine litterarische Frau, Julie von Bordell. In Brugg Zimmermann, der
Verfasser der „Einsamkeit." In Zürich Geßner, Bodmer und Breitinger. In
Winterthur der Philosoph Sulzer, die Naturforscher Escher und Scheuchzer.
In Basel Euler, Jselin, Bernouilli und Merian. In Schaffhausen Johann
von Müller, in Graubünden Gaudentius von Salis. Endlich die großen
Pädagogen Pestalozzi und Fellenberg. Wenn man die europäischen Staaten
nach der Zahl der bedeutenden Geister, die auf eine Million Einwohner kommen,
in eine Reihe ordnet, so kommt die Schweiz zu oberst, Rußland zu unterst zu
stehn (der Schweiz dürften bis zum Beginn unsers Jahrhunderts die Nieder¬
lande am nächsten gestanden haben), d. h. also, da die Zahl und der Wert
der Blüten und Früchte den Wert des Stammes bezeugt, die zwei Millionen
Schweizer haben mehr Wert für die Menschheit als die hundert Millionen
Russen; wenn eine Pest beide hinwegraffte, so würde die Menschheit an jenen
unendlich viel, an diesen fast nichts verlieren.
Was der Verfasser an seinem Vaterlande, wie es am Ende des vorigen
Jahrhunderts war, hauptsächlich zu tadeln findet, faßt er in den Satz zu¬
sammen: „Der Mangel einer einheitlichen schweizerischen Staatsverfassung, die
Unmasse von Staatsverträgen, durch welche der lose Verband der Kantone
unter einander und mit dem Auslande verbunden waren/") die Abstufung
zwischen den eidgenössischen, zugewandten und Schutzverwandten Orten, zwischen
kantonalen und eidgenössischen, von zwei bis zwölf Orten regierten Landvogteien,
die Abstufungen der persönlichen Freiheit selbst in einzelnen Kantonen vom be¬
vorzugten Patrizier bis zum Leibeignen, zeigte dem tieferblickenden Beobachter,
daß die Schweiz ein Anachronismus war, deren ^so!) Existenz mit den fort¬
schreitenden Lehren von Freiheit und Gleichheit unvereinbar sei." Die Ab¬
stufungen der Freiheit sind nichts schlimmes, sondern das natürliche, und ihre
Abschaffung in der französischen Revolution hat den Staaten die Verlegenheiten
bereitet, in denen sie sich damit zu helfen pflegen, daß sie von Zeit zu Zeit
ein paar Dutzend oder hundert von den ürmern Staatsbürgern abschießen lassen,
wenn diese ihre Freiheit und Gleichheit ernst nehmen. Die einheitliche Staats-
verfassung aber fehlte aus dem einfachen Grunde, weil sie nicht nötig war; sie
stellte sich ein, sobald sie der Druck von außen erzwang. Wirklich unhaltbar
*) Ein so fehlerhafter Satz sollte doch in einem Monumentalwerke nicht vorkommen.
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