Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Rentenstellen und Vermögensausgleich

on den Änderungen, die auf dem Gebiete der Jnvaliditcits- und
Altersversicherung nach dem im Neichsgesetzblatt vom 24. Juli
d. I, veröffentlichten Jnvalidenversicherungsgesetze vom 13. Juli
1899 in Aussicht stehn, sind unzweifelhaft die wichtigsten die
Einrichtung von Rentenstellen und die Durchführung eines Ver¬
mögensausgleichs unter den Versicherungsanstalten zu Gunsten einiger not¬
leidenden Anstalten.

Beiden Neuerungen ist gemeinsam, daß sie ein Eingriff sind in die durch
das Gesetz vom 22. Juni 1889 eingeführte Selbstverwaltung der zur Durch¬
führung der Jnvaliditäts- und Altersversicherung berufnen Körperschaften, der
Versicherungsanstalten. Dagegen unterscheiden sich beide dadurch, daß es sich bei
dem Vermögensausgleich um die absolut notwendige Beseitigung eines Mangels
handelt, der von Jahr zu Jahr immer fühlbarer hervortritt und die Existenz
und Leistungsfähigkeit einiger Anstalten bedroht, während die Einrichtung von
Rentenstellen nur aus Zweckmäßigkeitsgründen beabsichtigt wird. Die Nenten-
stellen sollen einerseits den Nentenbewerbern die Möglichkeit zur mündlichen Ver¬
tretung ihrer Ansprüche erleichtern, andrerseits der Staatsverwaltung und ihren
Vertretern eine engere Fühlung mit den Verhältnissen, Wünschen und Stim¬
mungen in der arbeitenden Klasse ermöglichen. Diesen Gedanken hat der Staats¬
sekretär Graf von Posadowsky bei der Einführung des Gesetzentwurfs in
die erste Lesung des Reichstags besonders hervorgehoben, wobei er durch¬
leuchten ließ, daß das Institut zugleich ein erster Versuch sein solle, der
erstrebenswerten Vereinigung aller Zweige der Arbeiterversicherung und der
damit notwendigen Dezentralisation ihrer Organe den Boden zu ebnen. Bei
dieser Gelegenheit trat auch zum erstenmal die Absicht der Reichsregierung
mit Bestimmtheit hervor, die Nentenstellen wenigstens für die Bezirke der


Grenzboten III 1899 79.


Rentenstellen und Vermögensausgleich

on den Änderungen, die auf dem Gebiete der Jnvaliditcits- und
Altersversicherung nach dem im Neichsgesetzblatt vom 24. Juli
d. I, veröffentlichten Jnvalidenversicherungsgesetze vom 13. Juli
1899 in Aussicht stehn, sind unzweifelhaft die wichtigsten die
Einrichtung von Rentenstellen und die Durchführung eines Ver¬
mögensausgleichs unter den Versicherungsanstalten zu Gunsten einiger not¬
leidenden Anstalten.

Beiden Neuerungen ist gemeinsam, daß sie ein Eingriff sind in die durch
das Gesetz vom 22. Juni 1889 eingeführte Selbstverwaltung der zur Durch¬
führung der Jnvaliditäts- und Altersversicherung berufnen Körperschaften, der
Versicherungsanstalten. Dagegen unterscheiden sich beide dadurch, daß es sich bei
dem Vermögensausgleich um die absolut notwendige Beseitigung eines Mangels
handelt, der von Jahr zu Jahr immer fühlbarer hervortritt und die Existenz
und Leistungsfähigkeit einiger Anstalten bedroht, während die Einrichtung von
Rentenstellen nur aus Zweckmäßigkeitsgründen beabsichtigt wird. Die Nenten-
stellen sollen einerseits den Nentenbewerbern die Möglichkeit zur mündlichen Ver¬
tretung ihrer Ansprüche erleichtern, andrerseits der Staatsverwaltung und ihren
Vertretern eine engere Fühlung mit den Verhältnissen, Wünschen und Stim¬
mungen in der arbeitenden Klasse ermöglichen. Diesen Gedanken hat der Staats¬
sekretär Graf von Posadowsky bei der Einführung des Gesetzentwurfs in
die erste Lesung des Reichstags besonders hervorgehoben, wobei er durch¬
leuchten ließ, daß das Institut zugleich ein erster Versuch sein solle, der
erstrebenswerten Vereinigung aller Zweige der Arbeiterversicherung und der
damit notwendigen Dezentralisation ihrer Organe den Boden zu ebnen. Bei
dieser Gelegenheit trat auch zum erstenmal die Absicht der Reichsregierung
mit Bestimmtheit hervor, die Nentenstellen wenigstens für die Bezirke der


Grenzboten III 1899 79.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0585" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231755"/>
            <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341869_231169/figures/grenzboten_341869_231169_231755_000.jpg"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Rentenstellen und Vermögensausgleich</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1915"> on den Änderungen, die auf dem Gebiete der Jnvaliditcits- und<lb/>
Altersversicherung nach dem im Neichsgesetzblatt vom 24. Juli<lb/>
d. I, veröffentlichten Jnvalidenversicherungsgesetze vom 13. Juli<lb/>
1899 in Aussicht stehn, sind unzweifelhaft die wichtigsten die<lb/>
Einrichtung von Rentenstellen und die Durchführung eines Ver¬<lb/>
mögensausgleichs unter den Versicherungsanstalten zu Gunsten einiger not¬<lb/>
leidenden Anstalten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1916" next="#ID_1917"> Beiden Neuerungen ist gemeinsam, daß sie ein Eingriff sind in die durch<lb/>
das Gesetz vom 22. Juni 1889 eingeführte Selbstverwaltung der zur Durch¬<lb/>
führung der Jnvaliditäts- und Altersversicherung berufnen Körperschaften, der<lb/>
Versicherungsanstalten. Dagegen unterscheiden sich beide dadurch, daß es sich bei<lb/>
dem Vermögensausgleich um die absolut notwendige Beseitigung eines Mangels<lb/>
handelt, der von Jahr zu Jahr immer fühlbarer hervortritt und die Existenz<lb/>
und Leistungsfähigkeit einiger Anstalten bedroht, während die Einrichtung von<lb/>
Rentenstellen nur aus Zweckmäßigkeitsgründen beabsichtigt wird. Die Nenten-<lb/>
stellen sollen einerseits den Nentenbewerbern die Möglichkeit zur mündlichen Ver¬<lb/>
tretung ihrer Ansprüche erleichtern, andrerseits der Staatsverwaltung und ihren<lb/>
Vertretern eine engere Fühlung mit den Verhältnissen, Wünschen und Stim¬<lb/>
mungen in der arbeitenden Klasse ermöglichen. Diesen Gedanken hat der Staats¬<lb/>
sekretär Graf von Posadowsky bei der Einführung des Gesetzentwurfs in<lb/>
die erste Lesung des Reichstags besonders hervorgehoben, wobei er durch¬<lb/>
leuchten ließ, daß das Institut zugleich ein erster Versuch sein solle, der<lb/>
erstrebenswerten Vereinigung aller Zweige der Arbeiterversicherung und der<lb/>
damit notwendigen Dezentralisation ihrer Organe den Boden zu ebnen. Bei<lb/>
dieser Gelegenheit trat auch zum erstenmal die Absicht der Reichsregierung<lb/>
mit Bestimmtheit hervor, die Nentenstellen wenigstens für die Bezirke der</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1899 79.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0585] [Abbildung] Rentenstellen und Vermögensausgleich on den Änderungen, die auf dem Gebiete der Jnvaliditcits- und Altersversicherung nach dem im Neichsgesetzblatt vom 24. Juli d. I, veröffentlichten Jnvalidenversicherungsgesetze vom 13. Juli 1899 in Aussicht stehn, sind unzweifelhaft die wichtigsten die Einrichtung von Rentenstellen und die Durchführung eines Ver¬ mögensausgleichs unter den Versicherungsanstalten zu Gunsten einiger not¬ leidenden Anstalten. Beiden Neuerungen ist gemeinsam, daß sie ein Eingriff sind in die durch das Gesetz vom 22. Juni 1889 eingeführte Selbstverwaltung der zur Durch¬ führung der Jnvaliditäts- und Altersversicherung berufnen Körperschaften, der Versicherungsanstalten. Dagegen unterscheiden sich beide dadurch, daß es sich bei dem Vermögensausgleich um die absolut notwendige Beseitigung eines Mangels handelt, der von Jahr zu Jahr immer fühlbarer hervortritt und die Existenz und Leistungsfähigkeit einiger Anstalten bedroht, während die Einrichtung von Rentenstellen nur aus Zweckmäßigkeitsgründen beabsichtigt wird. Die Nenten- stellen sollen einerseits den Nentenbewerbern die Möglichkeit zur mündlichen Ver¬ tretung ihrer Ansprüche erleichtern, andrerseits der Staatsverwaltung und ihren Vertretern eine engere Fühlung mit den Verhältnissen, Wünschen und Stim¬ mungen in der arbeitenden Klasse ermöglichen. Diesen Gedanken hat der Staats¬ sekretär Graf von Posadowsky bei der Einführung des Gesetzentwurfs in die erste Lesung des Reichstags besonders hervorgehoben, wobei er durch¬ leuchten ließ, daß das Institut zugleich ein erster Versuch sein solle, der erstrebenswerten Vereinigung aller Zweige der Arbeiterversicherung und der damit notwendigen Dezentralisation ihrer Organe den Boden zu ebnen. Bei dieser Gelegenheit trat auch zum erstenmal die Absicht der Reichsregierung mit Bestimmtheit hervor, die Nentenstellen wenigstens für die Bezirke der Grenzboten III 1899 79.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/585
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/585>, abgerufen am 15.01.2025.