Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches UM Hcmtflechten und Fäkalien in der Bcickstube handelte. Das zweite ist eine Maßgebliches und Unmaßgebliches UM Hcmtflechten und Fäkalien in der Bcickstube handelte. Das zweite ist eine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0055" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231225"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_130" prev="#ID_129" next="#ID_131"> UM Hcmtflechten und Fäkalien in der Bcickstube handelte. Das zweite ist eine<lb/> Anekdote. Die Meister einiger kleiner Orte behaupteten, die Verordnung sei der<lb/> Ruin ihres Gewerbes. Als der Befragende einwandte, sie selbst nähmen ja gar<lb/> nicht einmal die ganze von der Verordnung erlaubte Arbeitszeit in Anspruch, da<lb/> antworteten sie: Ja, aber in den Fachzeitschriften wirds doch bewiesen! So hat<lb/> auch der Abgeordnete Hitze einmal im Reichstage geäußert: „Ich kenne eine ganze<lb/> Reihe von Innungen und Bäckermeistern, die anfangs die Verordnung billigten<lb/> und erst durch die Berliner Bäckermeister und andre Agitatoren dagegen ein¬<lb/> genommen wurden." Daß einer an sein Elend und um seinen drohenden Unter¬<lb/> gang glaubt, weil ihm beides von seiner Fachzeitschrift bewiesen wird, obwohl er<lb/> selbst davon nichts spürt, das soll auch in andern Bernfsständcn vorkommen. Die<lb/> Regierung weiß ja nun, was von diesem Rum zu halten ist. Ihr zuzutrauen, daß<lb/> solche Redensarten der Bäckerzeitnng auf sie Eindruck machen könnten, wie: „Noch<lb/> steht die Hohenzvllernbnrg unerschütterlich fest! Noch stehen wir treu zu Kaiser<lb/> und Reich!", das wäre eine gar nicht einmal indirekte Mnjestätsbeleidigung; die<lb/> Bäckerkrätze als Fundament des Hohenzollernthrons! Pfui Teufel! Abgesehen von<lb/> der Unanständigkeit gerade dieses Falls machen aber die Drohungen solcher Kreise<lb/> den Männern der Regierung gewiß großen Spaß. Revolutionäre mit Glatzen und<lb/> Schincerbnucheu! Welch eine Phantasie! Laßt wohlbeleibte Männer um mich sein,<lb/> mit kahlen Köpfen, und die nachts foder auch tagsj gut schlafe»! sagt Cäsar, der<lb/> mit Recht nur die Dürren fürchtet. Soeben wieder hat eine Gesellschaft von ge¬<lb/> mütlichen Felder gedroht, die in Dresden versammelten Gastwirte, allerdings nicht<lb/> wegen des ihnen drohenden Kelluerschutzes — darüber haben sich die Herren sehr<lb/> anständig ausgesprochen —, sondern wegen der Beschränkung der Tanzbelustigungen<lb/> auf dem Lande. Wenn das so fortgehe, dann würden die Gastwirte aufhören, die<lb/> treusten Stützen des Staats zu sei«. So wankt und bricht eine Stütze nach der<lb/> andern; armer Staat! Sehr hübsch macht sich die Bemerkung, nicht durch Ver¬<lb/> mehrung der Kirchen, wohl aber durch die der Tanzbelustigungen könne man die<lb/> Leute ans Land fesseln, ein großes Wort, gelassen ausgesprochen, ein Wort, das,<lb/> je nachdem, zu einer Posse oder einem ernsten Buche ausgesponnen werden könnte,<lb/> oder vielmehr zu mehreren ernsten Büchern, einem theologischen, einem kultur-<lb/> geschichtlichen, einem volkswirtschaftlichen und einem Leitfaden der Regierungskunst<lb/> für Landräte. Aber kehren nur zu den Bäcker» zurück und gedenken nur noch<lb/> einer dritte» Merkwürdigkeit! Als Schädigung beklagen es einige Meister, daß<lb/> sie eine» Gesellen oder Lehrling, der zwölf Stunden in der Backstube gearbeitet<lb/> hat, uicht mehr zum Brot- und Semmclaustragen vertuenden können, und daß sie<lb/> demnach besondre Austräger bezahlen müssen. Wir haben es hier mit einem der<lb/> zahlreichen Fälle zu thun, wo die Wirkung der Konkurrenz nicht in einer Ver¬<lb/> besserung der Produktion, sondern nur in unnötiger Meuschenschinderei besteht. Vor<lb/> 120 Jahren dachte kein Bäcker daran, mit seinen Leuten des Nachts zu arbeiten.<lb/> Die Bäcker machte» es wie alle andern vernünftigen Meuscheu, sie arbeiteten bei<lb/> Tage, und i» der Nacht schliefe» sie. Da kam einer auf deu klugen Einfall, des<lb/> Nachts zu arbeiten «ud die Frühstücksemmeln ganz frisch zu liefern — flugs zwang<lb/> die Konkurrenz alle übrigen, ihm nachzufolgen. Vor fünfzig Jahren dachte noch<lb/> kein Bäcker daran, seinen Kunden die Ware ins Haus zu schicken. Seine dicke<lb/> Iran saß um Fenster und reichte den Dienstmädchens Lehrjungen und Haustiudern<lb/> die Semmeln und Brote hinaus, ohne sich dabei sehr zu beeilen. Da verfiel einer<lb/> auf deu Gedanken, einen seiner Lehrjungen mit dem Semmelkvrbe und eine» andern<lb/> mit dem Brotwagen herumzuschicken, und aus Furcht, Kunden zu verlieren, folgten<lb/> die andern nach. Es ist ja heute mit allen andern Waren ebenso; wenn man im</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0055]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
UM Hcmtflechten und Fäkalien in der Bcickstube handelte. Das zweite ist eine
Anekdote. Die Meister einiger kleiner Orte behaupteten, die Verordnung sei der
Ruin ihres Gewerbes. Als der Befragende einwandte, sie selbst nähmen ja gar
nicht einmal die ganze von der Verordnung erlaubte Arbeitszeit in Anspruch, da
antworteten sie: Ja, aber in den Fachzeitschriften wirds doch bewiesen! So hat
auch der Abgeordnete Hitze einmal im Reichstage geäußert: „Ich kenne eine ganze
Reihe von Innungen und Bäckermeistern, die anfangs die Verordnung billigten
und erst durch die Berliner Bäckermeister und andre Agitatoren dagegen ein¬
genommen wurden." Daß einer an sein Elend und um seinen drohenden Unter¬
gang glaubt, weil ihm beides von seiner Fachzeitschrift bewiesen wird, obwohl er
selbst davon nichts spürt, das soll auch in andern Bernfsständcn vorkommen. Die
Regierung weiß ja nun, was von diesem Rum zu halten ist. Ihr zuzutrauen, daß
solche Redensarten der Bäckerzeitnng auf sie Eindruck machen könnten, wie: „Noch
steht die Hohenzvllernbnrg unerschütterlich fest! Noch stehen wir treu zu Kaiser
und Reich!", das wäre eine gar nicht einmal indirekte Mnjestätsbeleidigung; die
Bäckerkrätze als Fundament des Hohenzollernthrons! Pfui Teufel! Abgesehen von
der Unanständigkeit gerade dieses Falls machen aber die Drohungen solcher Kreise
den Männern der Regierung gewiß großen Spaß. Revolutionäre mit Glatzen und
Schincerbnucheu! Welch eine Phantasie! Laßt wohlbeleibte Männer um mich sein,
mit kahlen Köpfen, und die nachts foder auch tagsj gut schlafe»! sagt Cäsar, der
mit Recht nur die Dürren fürchtet. Soeben wieder hat eine Gesellschaft von ge¬
mütlichen Felder gedroht, die in Dresden versammelten Gastwirte, allerdings nicht
wegen des ihnen drohenden Kelluerschutzes — darüber haben sich die Herren sehr
anständig ausgesprochen —, sondern wegen der Beschränkung der Tanzbelustigungen
auf dem Lande. Wenn das so fortgehe, dann würden die Gastwirte aufhören, die
treusten Stützen des Staats zu sei«. So wankt und bricht eine Stütze nach der
andern; armer Staat! Sehr hübsch macht sich die Bemerkung, nicht durch Ver¬
mehrung der Kirchen, wohl aber durch die der Tanzbelustigungen könne man die
Leute ans Land fesseln, ein großes Wort, gelassen ausgesprochen, ein Wort, das,
je nachdem, zu einer Posse oder einem ernsten Buche ausgesponnen werden könnte,
oder vielmehr zu mehreren ernsten Büchern, einem theologischen, einem kultur-
geschichtlichen, einem volkswirtschaftlichen und einem Leitfaden der Regierungskunst
für Landräte. Aber kehren nur zu den Bäcker» zurück und gedenken nur noch
einer dritte» Merkwürdigkeit! Als Schädigung beklagen es einige Meister, daß
sie eine» Gesellen oder Lehrling, der zwölf Stunden in der Backstube gearbeitet
hat, uicht mehr zum Brot- und Semmclaustragen vertuenden können, und daß sie
demnach besondre Austräger bezahlen müssen. Wir haben es hier mit einem der
zahlreichen Fälle zu thun, wo die Wirkung der Konkurrenz nicht in einer Ver¬
besserung der Produktion, sondern nur in unnötiger Meuschenschinderei besteht. Vor
120 Jahren dachte kein Bäcker daran, mit seinen Leuten des Nachts zu arbeiten.
Die Bäcker machte» es wie alle andern vernünftigen Meuscheu, sie arbeiteten bei
Tage, und i» der Nacht schliefe» sie. Da kam einer auf deu klugen Einfall, des
Nachts zu arbeiten «ud die Frühstücksemmeln ganz frisch zu liefern — flugs zwang
die Konkurrenz alle übrigen, ihm nachzufolgen. Vor fünfzig Jahren dachte noch
kein Bäcker daran, seinen Kunden die Ware ins Haus zu schicken. Seine dicke
Iran saß um Fenster und reichte den Dienstmädchens Lehrjungen und Haustiudern
die Semmeln und Brote hinaus, ohne sich dabei sehr zu beeilen. Da verfiel einer
auf deu Gedanken, einen seiner Lehrjungen mit dem Semmelkvrbe und eine» andern
mit dem Brotwagen herumzuschicken, und aus Furcht, Kunden zu verlieren, folgten
die andern nach. Es ist ja heute mit allen andern Waren ebenso; wenn man im
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