Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr."Der Gefangne" mag unter dem Pseudonamen Lenen erscheinen, unter welchem ergebner Diener N. Niembsch von Strehlennu. Die sehnlichst erwartete Antwort Gustav Schwcibs wollte nicht kommen. ") Berge. "Schwäbische Chronik" vom 1". Oktober 1850, Ur. 248.
„Der Gefangne" mag unter dem Pseudonamen Lenen erscheinen, unter welchem ergebner Diener N. Niembsch von Strehlennu. Die sehnlichst erwartete Antwort Gustav Schwcibs wollte nicht kommen. ") Berge. „Schwäbische Chronik" vom 1». Oktober 1850, Ur. 248.
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„Der Gefangne" mag unter dem Pseudonamen Lenen erscheinen, unter welchem
ich bereits Mehreres habe drucken lassen. Ist meine Weise so glücklich, Euer Wohl-
geboren den Wunsch zu erregen, mehrere meiner Gedichte durch Ihr Blatt bekannt
zu machen, so wird mir das um so angenehmer sei» als ich gesonnen bin, meine
ganze Sammlung nächstens herauszugeben, und ich für solche keine ehrendere An¬
kündigung kenne, als die durch Ihre Zeitschrift. Mit dem Ersuchen, mir Ihre
Entscheidung durch die Geroldsche Buchhandlung zu senden, bin ich Euer Wohl-
geboren
ergebner Diener
N. Niembsch von Strehlennu.
Die sehnlichst erwartete Antwort Gustav Schwcibs wollte nicht kommen.
Schwab war damals Redakteur am „Morgenblatt" und durchaus nicht immer in
der Lage, die täglich oft zahlreich einlaufenden Gedichte fremder Poeten sofort zu
lesen, geschweige denn zu beurteilen, um den Einsendern umgehend seine Ent¬
scheidung mitzuteilen. Lenau, des Harrens müde, reiste von Heidelberg nach
Stuttgart. Am 9. August kam er, geleitet von einem Lohndiener, zu Schwab,
bei dem gerade der Dichter Gustav Pfizer weilte, um sich die Antwort des
Redakteurs selbst zu holen. Schwab „eilte verlegen in seine Studierstube, um
einen Blick in die anvertrauten Papiere zu werfen. Nach deu ersten Zeilen
verbreitete sich dem Leser jener Glanz über das Papier, der, nach dem Wort
des römischen Lyrikers, ans dem Anlächeln der Muse quillt, und er eilte ver¬
gnügt zu seinem Besuche zurück, gab der Freude über deu unerwarteten Dichter¬
fund beredte Worte und erklärte die Zusendung sür höchst willkommen."*)
Damit war eine Bekanntschaft angebahnt, die von den wichtigsten günstigen
Erfolgen für Lenau werden sollte. Gustav Schwcibs warme Kunstbegeisterung,
die mächtig aufflammte, wenn er ein wahres Talent fand, sein „reiches, weiches,
reines und frommes Gemüt," wie sein ehemaliger Schüler Grüneisen in dank¬
barer Verehrung schreibt, schlug voll dem neu gewonnenen Freunde entgegen-
Wenn Lenau im schönen Schwabenlande so schnell heimisch wurde, wenn sich
ihm hier so manches edle männliche Herz erschloß — es sei nur an Karl
Mayer, Justinus Kerner, Ludwig Uhland, Graf Alexander von Württemberg,
Gustav Pfizer, Hofrat Reinbeck, Gustav Hartmann erinnert —, wenn er sich
hier im Sturme eine Reihe edler Frauenherzen eroberte, die miteinander wett¬
eiferten, dem eitern- und heimatlosen Wandrer das Mutterhaus und das Vater¬
land zu ersetzen es seien nur Emilie Reinbeck und deren Schwester Julie
Hartmann, Sophie Schwab, sowie Friederike Kerner, Emma Niendorf (Baronin
von Suckow), Gräfin Marie von Württemberg genannt — so verdankt Lenau
diese Freundschaften und Bekanntschaften, die Fülle von Liebe und Ver¬
ehrung, von Kunstsinn und Lebensweisheit, die er hier fand, zunächst Gustav
Schwab.
") Berge. „Schwäbische Chronik" vom 1». Oktober 1850, Ur. 248.
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