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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Russen und Engländer in Zentralasien

fessoren der Staatswissenschaften und der Rechte nichts besseres wissen, als
die Phrasen eines Chamberlain und Rhodes über die Prädestination dieser
oder jener Nasse zur Alleinherrschaft und Alleinexistenz der deutschen Jugend
als Evangelium zu predigen, so werden doch die deutschen Staatsmänner, wie
sie dies bisher gethan haben, ihre verantwortliche Amtsführung von solchen
Auswüchsen eines sensationssüchtigen Doktrinarismus auch in Zukunft nicht
beeinflussen lassen und sich vor der Ruchlosigkeit, die Entscheidung unnötig
auf die Spitze des Schwerts zu stellen, zu hüte" wisse". Wenn der Krieg
nötig wird in diesem Kampfe für Recht und Vernunft und Menschlichkeit,
aber auch um unser nationales Sein oder Nichtsein, dann müssen wir, wie
Vastian sagt, gerüstet sein zu Land bis an die Zähne und zur See desgleichen.
Dafür, so dürfen wir hoffen, ist nach Möglichkeit gesorgt und wird noch
weiter gesorgt werden. Nur kurzsichtige Narren können heute die Notwendig¬
keit einer außerordentlichen Steigerung unsrer Wehrkraft leugnen. Aber die
gesittete Welt muß dann auch wissen, wofür wir zu den Waffen greifen, und
hoffentlich wird auch in dieser Beziehung unsre Diplomatie ihre Schuldigkeit
thun in ehrlicher weitsichtiger Bündnispolitik.

Vor allem aber thut eins not angesichts der weltpolitischen Aufgaben, die
unsern Staatsmännern gestellt sind: die Rückkehr des deutschen Volks zur
Vernunft und Besinnung nach einer viel zu weit gegangueu Entartung und
Verirrung unsers innern politischen Parteilebens. Mißtrauen und Feindschaft
zu säen gegen die oberste Stelle im Reich, wie es heute unsre Parteipolitikcr
links und rechts und in der Mitte für ihre Aufgabe halten, ist angesichts der
äußern politischen Lage, die uns Scunoa wieder vor Augen führt, gerade das
Gegenteil von politischer Einsicht und Vaterlandsliebe.




Aussen und Engländer in Zentralasien
H. Toepfer von

le kürzlich durch die Zeitungen verbreitete Nachricht, daß die
Russen einen Hafen am Indischen Ozean erworben haben, lenkt
wieder die Aufmerksamkeit auf die unausgesetzte Minierarbeit in
Zentralasien, die früher oder später mit Notwendigkeit zu einer
kriegerischen Auseinandersetzung zwischen dem Zarenreich und den
Beherrschern Indiens führen muß. Und wenn sich auch die Nachricht als



*> Übersetzt aus der Rooo^o Vrvm^.
Russen und Engländer in Zentralasien

fessoren der Staatswissenschaften und der Rechte nichts besseres wissen, als
die Phrasen eines Chamberlain und Rhodes über die Prädestination dieser
oder jener Nasse zur Alleinherrschaft und Alleinexistenz der deutschen Jugend
als Evangelium zu predigen, so werden doch die deutschen Staatsmänner, wie
sie dies bisher gethan haben, ihre verantwortliche Amtsführung von solchen
Auswüchsen eines sensationssüchtigen Doktrinarismus auch in Zukunft nicht
beeinflussen lassen und sich vor der Ruchlosigkeit, die Entscheidung unnötig
auf die Spitze des Schwerts zu stellen, zu hüte» wisse». Wenn der Krieg
nötig wird in diesem Kampfe für Recht und Vernunft und Menschlichkeit,
aber auch um unser nationales Sein oder Nichtsein, dann müssen wir, wie
Vastian sagt, gerüstet sein zu Land bis an die Zähne und zur See desgleichen.
Dafür, so dürfen wir hoffen, ist nach Möglichkeit gesorgt und wird noch
weiter gesorgt werden. Nur kurzsichtige Narren können heute die Notwendig¬
keit einer außerordentlichen Steigerung unsrer Wehrkraft leugnen. Aber die
gesittete Welt muß dann auch wissen, wofür wir zu den Waffen greifen, und
hoffentlich wird auch in dieser Beziehung unsre Diplomatie ihre Schuldigkeit
thun in ehrlicher weitsichtiger Bündnispolitik.

Vor allem aber thut eins not angesichts der weltpolitischen Aufgaben, die
unsern Staatsmännern gestellt sind: die Rückkehr des deutschen Volks zur
Vernunft und Besinnung nach einer viel zu weit gegangueu Entartung und
Verirrung unsers innern politischen Parteilebens. Mißtrauen und Feindschaft
zu säen gegen die oberste Stelle im Reich, wie es heute unsre Parteipolitikcr
links und rechts und in der Mitte für ihre Aufgabe halten, ist angesichts der
äußern politischen Lage, die uns Scunoa wieder vor Augen führt, gerade das
Gegenteil von politischer Einsicht und Vaterlandsliebe.




Aussen und Engländer in Zentralasien
H. Toepfer von

le kürzlich durch die Zeitungen verbreitete Nachricht, daß die
Russen einen Hafen am Indischen Ozean erworben haben, lenkt
wieder die Aufmerksamkeit auf die unausgesetzte Minierarbeit in
Zentralasien, die früher oder später mit Notwendigkeit zu einer
kriegerischen Auseinandersetzung zwischen dem Zarenreich und den
Beherrschern Indiens führen muß. Und wenn sich auch die Nachricht als



*> Übersetzt aus der Rooo^o Vrvm^.
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[0399] Russen und Engländer in Zentralasien fessoren der Staatswissenschaften und der Rechte nichts besseres wissen, als die Phrasen eines Chamberlain und Rhodes über die Prädestination dieser oder jener Nasse zur Alleinherrschaft und Alleinexistenz der deutschen Jugend als Evangelium zu predigen, so werden doch die deutschen Staatsmänner, wie sie dies bisher gethan haben, ihre verantwortliche Amtsführung von solchen Auswüchsen eines sensationssüchtigen Doktrinarismus auch in Zukunft nicht beeinflussen lassen und sich vor der Ruchlosigkeit, die Entscheidung unnötig auf die Spitze des Schwerts zu stellen, zu hüte» wisse». Wenn der Krieg nötig wird in diesem Kampfe für Recht und Vernunft und Menschlichkeit, aber auch um unser nationales Sein oder Nichtsein, dann müssen wir, wie Vastian sagt, gerüstet sein zu Land bis an die Zähne und zur See desgleichen. Dafür, so dürfen wir hoffen, ist nach Möglichkeit gesorgt und wird noch weiter gesorgt werden. Nur kurzsichtige Narren können heute die Notwendig¬ keit einer außerordentlichen Steigerung unsrer Wehrkraft leugnen. Aber die gesittete Welt muß dann auch wissen, wofür wir zu den Waffen greifen, und hoffentlich wird auch in dieser Beziehung unsre Diplomatie ihre Schuldigkeit thun in ehrlicher weitsichtiger Bündnispolitik. Vor allem aber thut eins not angesichts der weltpolitischen Aufgaben, die unsern Staatsmännern gestellt sind: die Rückkehr des deutschen Volks zur Vernunft und Besinnung nach einer viel zu weit gegangueu Entartung und Verirrung unsers innern politischen Parteilebens. Mißtrauen und Feindschaft zu säen gegen die oberste Stelle im Reich, wie es heute unsre Parteipolitikcr links und rechts und in der Mitte für ihre Aufgabe halten, ist angesichts der äußern politischen Lage, die uns Scunoa wieder vor Augen führt, gerade das Gegenteil von politischer Einsicht und Vaterlandsliebe. Aussen und Engländer in Zentralasien H. Toepfer von le kürzlich durch die Zeitungen verbreitete Nachricht, daß die Russen einen Hafen am Indischen Ozean erworben haben, lenkt wieder die Aufmerksamkeit auf die unausgesetzte Minierarbeit in Zentralasien, die früher oder später mit Notwendigkeit zu einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen dem Zarenreich und den Beherrschern Indiens führen muß. Und wenn sich auch die Nachricht als *> Übersetzt aus der Rooo^o Vrvm^.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/399>, abgerufen am 15.01.2025.