Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Denn kein Zweifel danach, daß der Spott der Niederländer gegen Mönch und Denken wir uns nur an die Stelle des Paters und der, wie es im Nieder¬ In ganz anderm Sinne und Umfange als etwa das Erzeugnis eines Vskar Streicher ') Angabe bei Firmenich I, 380.
Denn kein Zweifel danach, daß der Spott der Niederländer gegen Mönch und Denken wir uns nur an die Stelle des Paters und der, wie es im Nieder¬ In ganz anderm Sinne und Umfange als etwa das Erzeugnis eines Vskar Streicher ') Angabe bei Firmenich I, 380.
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Denn kein Zweifel danach, daß der Spott der Niederländer gegen Mönch und
Nonne dem Liede ursprünglich ebenso fremd gewesen ist, wie der des Münsterschen
Stadtbürgers gegen den Bauersmann. Er ist ja auch unvereinbar mit der durch
Wort und Weise vernehmlich hindurchklingenden hellen Heiterkeit. Noch aber ist
deren ursprüngliche Veranlassung in den westdeutschen Fassungen sichtbar und
ausgesprochen, der Mai, der Mai. Noch wurde es vor fünfzig Jahren, ^) vielleicht
gilt das bis heute, und ich weiß es nur nicht, in Kleve vom jungen Volke beim
Umtanzen des Maibnums gesungen und gespielt, und zwar in derselben Weise
wie anderwärts von den Kindern: „Herr Bauer, hast du Geld." Der geschlossene
Kreis springt im Tanze um den Pater herum, und wenn der gewählt hat und
dann die beiden bei der dritten Strophe niedergekniet sind, um sich dem Gebote
der vierten folgsam zu küssen und sechsmal den Kuß zu wiederhole», dann wird
das von den Tanzenden mit lautschallenden Jubel begleitet.
Denken wir uns nur an die Stelle des Paters und der, wie es im Nieder¬
ländischen besonders giftig heißt, „heiligen Nonne" ein rechtschaffnes, unschuldiges
Pärchen — noch lebt in der niederländischen Überlieferung die Erinnerung daran
in den zärtlichen Worten der ersten Strophe: „er nahm sein süßes Lieb bei der
Hand" —, dann haben wir eins von den fröhlichen Tanzspielen, das unsre Urvvr-
eltern vor tausend und mehr Jahren übten, wenn der Frühlingsgott auf seinem
Wagen oder Schiffe segnend seineu Umzug durch das Land hielt. Und manches
unsrer Ureltcrnpaare mag sich bei solchem Spiele zu einander gefunden haben.
In ganz anderm Sinne und Umfange als etwa das Erzeugnis eines
schaffenden Dichters haben also die Kinderlieder, hat jedes von ihnen seine Vor¬
geschichte. Hier wird wenig, ja ich möchte glauben, nichts ganz nen geschaffen,
sondern Vorhandnes nur immer wieder anders angewandt. Was die Ausführungen
oben zum Beweise dessen beigebracht haben, erstreckt sich freilich auf einen sehr
kleinen Bruchteil des großen Gebiets und ist selbst da noch unvollständig, nur eine
Auslese aus größerm Vorrat. Allein Vollständigkeit im strengen Sinne würde
hier thatsächlich vom Hundertsten zum Tausendsten führen; denn mit gröbern oder
feinern Fäden hängt da, buchstäblich genommen, alles unter einander zusammen.
Und es gäbe kein Ende. Aber das Dargebotue wird genügen, einerseits zur
Prüfung der eben wiederholten Behauptung anzuregen und andrerseits die den
vorausgehenden Betrachtungen zu Gründe liegende Ansicht zu rechtfertigen. Wie
nämlich längst einzelne Kinderlieder für sich zu wertvollen Mitteln wissenschaftlicher
Erkenntnis gemacht worden sind, bis auf Rudolf Hildebrand fast ausschließlich auf
dem Gebiete des alten Götterglaubens, so kann auch die vergleichende Betrachtung
ihrer geschichtliche» Entwicklung für das weite Gebiet der deutschen Volkskunde in
mehrfacher Beziehung fruchtbar werden.
Vskar Streicher
') Angabe bei Firmenich I, 380.
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