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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Der moderne Holzschnitt und seine Zukunft

cmftrag, ja sogar gewisse Zufälligkeiten der Oberflüche erkennen kann. Dem
Holzschnitt dagegen will man es verbieten. An Übertreibungen hat es ja auch
hier nicht gefehlt. Aber auch hier darf man nicht die ganze Richtung sür sie
verantwortlich machen. Und was der Radierung recht ist, ist dem Holzschnitte
jedenfalls billig. Ja in noch höherm Grade. Denn die Radierung ist eine
Künstlertechnik, die auch von wirklichen Malern zum Ausdruck ihrer Gedanken
benutzt werden kann, wahrend der Holzschnitt seiner ganzen Natur nach auf
Reproduktion angewiesen ist. Ist doch seine Technik viel zu schwierig, als daß
er jemals eine Künstlertcchnik in dem Sinne der Radiernng oder der Litho¬
graphie werden könnte. Und wo sich Maler, wie das neuerdings zuweilen
geschehen ist, einbilden, sie müßten ihren Gedanken in selbstgeschnittnen Zeich¬
nungen Ausdruck geben, da kommt eben nichts heraus als Primitivismus und
Stümperei. Gerade deshalb aber muß der Holzschnitt seine reproduktiven
Fähigkeiten vor allem und möglichst konsequent auszubilden suchen. Die Gefahr,
daß er bei diesem Bemühen von der Autotypie ausgestochen werden könne,
liegt nicht sehr nahe. Denn während die Zinkographie, d. h. die Linienhoch¬
ätzung wohl imstande ist, lineare Federzeichnungen annähernd ebenso gut wieder¬
zugeben wie der Holzschnitt, wird bei allen königer Originalen der Holzschnitt
wegen seiner größern Reinheit, Gleichmäßigkeit und Fernwirkung immer den
Vorrang vor der Autotypie behalten. Ist schon die Photographie, besonders was
die Tonwerke betrifft, keineswegs eine treue Reproduktion, so noch viel weniger
die Autotypie, die noch immer mit den größten technischen Schwierigkeiten zu
kämpfen hat. Und gerade die Konkurrenz mit der Autotypie wird den Holz¬
schnitt zwingen, seine spezifisch künstlerischen Seiten, nämlich die geistreiche
Charakteristik der Stoffe, die Kraft und Reinheit der Flächenwirkung, das effekt¬
volle Zusammenhalten der Töne, besonders auszubilden. Schund giebt es
natürlich in jeder Technik, ebenso wie in jeder Kunst. Aber die Frage nach
der Berechtigung einer Technik darf man nicht auf Grund des Schunds be¬
antworten, sondern auf Grund ihrer besten Leistungen. Wenn also die Maler
selbst, wie Menzel, Boecklin, Lenbach, Max, Bartels, neuerdings auch die
Worpsweder, dem Holzschnitt die Reproduktion ihrer Werke anvertrauen, so
haben wir Kritiker eigentlich keine Veranlassung, etwas dagegen einzuwenden.
Diese Maler wissen natürlich sehr wohl, daß die Radierung eine schönere und
vornehmere Neproduktionsart ist, und würden, wenn der Kostenpunkt nicht mit¬
spräche, vielleicht selbst eine Heliogravüre vorziehen. Aber sie wissen auch,
daß der Holzschnitt für den billigen Preis, zu dem man ihn haben kann, und
für die Leichtigkeit, mit der er sich dem Letterusatz einfügt, sehr Respektables
leistet. Der Holzschnitt ist eben auch jetzt noch wie früher die eigentlich populäre
Vervielsältigungsgattung, die dem großen Publikum die Fortschritte unsrer
Malerei vermittelt. Er ist deshalb sür die Wiedergabe von Gemälden niemals
ganz zu entbehren. Sein größter Nachteil ist immer noch das glänzende weiße


Der moderne Holzschnitt und seine Zukunft

cmftrag, ja sogar gewisse Zufälligkeiten der Oberflüche erkennen kann. Dem
Holzschnitt dagegen will man es verbieten. An Übertreibungen hat es ja auch
hier nicht gefehlt. Aber auch hier darf man nicht die ganze Richtung sür sie
verantwortlich machen. Und was der Radierung recht ist, ist dem Holzschnitte
jedenfalls billig. Ja in noch höherm Grade. Denn die Radierung ist eine
Künstlertechnik, die auch von wirklichen Malern zum Ausdruck ihrer Gedanken
benutzt werden kann, wahrend der Holzschnitt seiner ganzen Natur nach auf
Reproduktion angewiesen ist. Ist doch seine Technik viel zu schwierig, als daß
er jemals eine Künstlertcchnik in dem Sinne der Radiernng oder der Litho¬
graphie werden könnte. Und wo sich Maler, wie das neuerdings zuweilen
geschehen ist, einbilden, sie müßten ihren Gedanken in selbstgeschnittnen Zeich¬
nungen Ausdruck geben, da kommt eben nichts heraus als Primitivismus und
Stümperei. Gerade deshalb aber muß der Holzschnitt seine reproduktiven
Fähigkeiten vor allem und möglichst konsequent auszubilden suchen. Die Gefahr,
daß er bei diesem Bemühen von der Autotypie ausgestochen werden könne,
liegt nicht sehr nahe. Denn während die Zinkographie, d. h. die Linienhoch¬
ätzung wohl imstande ist, lineare Federzeichnungen annähernd ebenso gut wieder¬
zugeben wie der Holzschnitt, wird bei allen königer Originalen der Holzschnitt
wegen seiner größern Reinheit, Gleichmäßigkeit und Fernwirkung immer den
Vorrang vor der Autotypie behalten. Ist schon die Photographie, besonders was
die Tonwerke betrifft, keineswegs eine treue Reproduktion, so noch viel weniger
die Autotypie, die noch immer mit den größten technischen Schwierigkeiten zu
kämpfen hat. Und gerade die Konkurrenz mit der Autotypie wird den Holz¬
schnitt zwingen, seine spezifisch künstlerischen Seiten, nämlich die geistreiche
Charakteristik der Stoffe, die Kraft und Reinheit der Flächenwirkung, das effekt¬
volle Zusammenhalten der Töne, besonders auszubilden. Schund giebt es
natürlich in jeder Technik, ebenso wie in jeder Kunst. Aber die Frage nach
der Berechtigung einer Technik darf man nicht auf Grund des Schunds be¬
antworten, sondern auf Grund ihrer besten Leistungen. Wenn also die Maler
selbst, wie Menzel, Boecklin, Lenbach, Max, Bartels, neuerdings auch die
Worpsweder, dem Holzschnitt die Reproduktion ihrer Werke anvertrauen, so
haben wir Kritiker eigentlich keine Veranlassung, etwas dagegen einzuwenden.
Diese Maler wissen natürlich sehr wohl, daß die Radierung eine schönere und
vornehmere Neproduktionsart ist, und würden, wenn der Kostenpunkt nicht mit¬
spräche, vielleicht selbst eine Heliogravüre vorziehen. Aber sie wissen auch,
daß der Holzschnitt für den billigen Preis, zu dem man ihn haben kann, und
für die Leichtigkeit, mit der er sich dem Letterusatz einfügt, sehr Respektables
leistet. Der Holzschnitt ist eben auch jetzt noch wie früher die eigentlich populäre
Vervielsältigungsgattung, die dem großen Publikum die Fortschritte unsrer
Malerei vermittelt. Er ist deshalb sür die Wiedergabe von Gemälden niemals
ganz zu entbehren. Sein größter Nachteil ist immer noch das glänzende weiße


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[0284] Der moderne Holzschnitt und seine Zukunft cmftrag, ja sogar gewisse Zufälligkeiten der Oberflüche erkennen kann. Dem Holzschnitt dagegen will man es verbieten. An Übertreibungen hat es ja auch hier nicht gefehlt. Aber auch hier darf man nicht die ganze Richtung sür sie verantwortlich machen. Und was der Radierung recht ist, ist dem Holzschnitte jedenfalls billig. Ja in noch höherm Grade. Denn die Radierung ist eine Künstlertechnik, die auch von wirklichen Malern zum Ausdruck ihrer Gedanken benutzt werden kann, wahrend der Holzschnitt seiner ganzen Natur nach auf Reproduktion angewiesen ist. Ist doch seine Technik viel zu schwierig, als daß er jemals eine Künstlertcchnik in dem Sinne der Radiernng oder der Litho¬ graphie werden könnte. Und wo sich Maler, wie das neuerdings zuweilen geschehen ist, einbilden, sie müßten ihren Gedanken in selbstgeschnittnen Zeich¬ nungen Ausdruck geben, da kommt eben nichts heraus als Primitivismus und Stümperei. Gerade deshalb aber muß der Holzschnitt seine reproduktiven Fähigkeiten vor allem und möglichst konsequent auszubilden suchen. Die Gefahr, daß er bei diesem Bemühen von der Autotypie ausgestochen werden könne, liegt nicht sehr nahe. Denn während die Zinkographie, d. h. die Linienhoch¬ ätzung wohl imstande ist, lineare Federzeichnungen annähernd ebenso gut wieder¬ zugeben wie der Holzschnitt, wird bei allen königer Originalen der Holzschnitt wegen seiner größern Reinheit, Gleichmäßigkeit und Fernwirkung immer den Vorrang vor der Autotypie behalten. Ist schon die Photographie, besonders was die Tonwerke betrifft, keineswegs eine treue Reproduktion, so noch viel weniger die Autotypie, die noch immer mit den größten technischen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Und gerade die Konkurrenz mit der Autotypie wird den Holz¬ schnitt zwingen, seine spezifisch künstlerischen Seiten, nämlich die geistreiche Charakteristik der Stoffe, die Kraft und Reinheit der Flächenwirkung, das effekt¬ volle Zusammenhalten der Töne, besonders auszubilden. Schund giebt es natürlich in jeder Technik, ebenso wie in jeder Kunst. Aber die Frage nach der Berechtigung einer Technik darf man nicht auf Grund des Schunds be¬ antworten, sondern auf Grund ihrer besten Leistungen. Wenn also die Maler selbst, wie Menzel, Boecklin, Lenbach, Max, Bartels, neuerdings auch die Worpsweder, dem Holzschnitt die Reproduktion ihrer Werke anvertrauen, so haben wir Kritiker eigentlich keine Veranlassung, etwas dagegen einzuwenden. Diese Maler wissen natürlich sehr wohl, daß die Radierung eine schönere und vornehmere Neproduktionsart ist, und würden, wenn der Kostenpunkt nicht mit¬ spräche, vielleicht selbst eine Heliogravüre vorziehen. Aber sie wissen auch, daß der Holzschnitt für den billigen Preis, zu dem man ihn haben kann, und für die Leichtigkeit, mit der er sich dem Letterusatz einfügt, sehr Respektables leistet. Der Holzschnitt ist eben auch jetzt noch wie früher die eigentlich populäre Vervielsältigungsgattung, die dem großen Publikum die Fortschritte unsrer Malerei vermittelt. Er ist deshalb sür die Wiedergabe von Gemälden niemals ganz zu entbehren. Sein größter Nachteil ist immer noch das glänzende weiße

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/284>, abgerufen am 15.01.2025.