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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Der Römerstaat

Der Parteikampf war ferner kein Kampf zwischen einer Kapitnlmacht und
den produktiven Ständen. Die wuchernden Reichen waren ebenfalls Bauern,
Großbauern, allerdings adliche, also nach heutiger Sprechweise Ritterguts¬
besitzer, nur daß ihre Höfe vor dem Jahre 200 den Umfang des heutigen
durchschnittlichen Ritterguts nicht erreichte". Es war also ein Kampf der
kleinen Landwirte gegen die großen, die, nur in einem bedeutend weitern
Bezirk, ungefähr die Rolle spielten, wie heute der russische Dorfwucherer in
seiner Gemeinde. Die ärgsten Geldjuden, die es je in der Geschichte gegeben
hat, nennt Nodbertus die adlichen Gutsbesitzer Altroms. Mommsen weiß, ge¬
stützt auf den berühmten Handelsvertrag Roms mit Karthago vom Jahre 509,
auf Müuzfunde und andre Beweisstücke, sehr viel zu erzählen von der Be¬
deutung Roms als einer Handelsmacht schon in vorhistorischer Zeit. Wie
immer es damit stehen mag, jedenfalls hat er darin Recht, daß wie die Kapi¬
talisten, so auch die Handelsherren Roms niemand anders gewesen sind als
seine großen Bauern. Ein ähnlicher Zustand kehrt im Anfange des deutschen
Städtelebens, im zehnten und elften Jahrhundert wieder, wo zuweilen die
sämtlichen Bürger einer Stadt als Kaufleute bezeichnet werden. Es waren die
Grundbesitzer, die auch außerhalb der Stadtmauern großen Besitz und das
Recht hatte", die Überschüsse ihrer Wirtschaft zu exportiereu und Gegenstände
des Luxus dafür einzuführen. Es gab also in Rom während des großen
Ständekampfs keinen besondern Handelsstand, weder el"e" solchen von Waren-
Händler" "och einen von Geldhändlern. El"zal"e Getreidehändler, deren Auf¬
gabe es war, in Zeiten des Mangels Getreide aus dem Auslande herbei>
zuschaffeu, scheint es nach Dionys 9, 25 gegeben zu haben. Die Krämer
gehörten zur unangeseheuen und einflußloser Klasse der Gewerbtreibenden.

Endlich handelte es sich niemals um einen Kampf zwischen Unternehmern
und Arbeiter". Freie Lohnarbeiter hat es zwar, wie es scheun, jederzeit ge¬
geben, aber in so geringer Anzahl, daß sie nicht in Betracht kamen. Die Masse
der besitzlosen Arbeiter bestand ans Sklaven, und diese waren für die Politik
nicht vorhanden, denn sie waren 6o M'v nicht Menschen, sondern Sache",
mstrumonw vooiüig,, stimmbegabte Arbeitsmaschinen. Sie waren der eine der
beiden Bestandteile des antiken Kapitals, dieses Wort im volkswirtschaftlichen
Sinne genommen. Da es Maschinen gar nicht gab, und das Inventar um
Werkzeugen und Geräten weder sehr vielfach noch sehr kostbar war, so bestand
das Kapitalvermögen des römischen ?ator launig.8 der Hauptsache "ach aus
üumlig, se xoormm, Sklaven und Vieh. Die Sklaven konnten ausbrechen und
Unheil anrichten wie durch Mißhandlungen wild gemachte Bullen, aber sie
konnten weder Forderungen an den Staat richten, noch Revolutionen machen.
Man darf jedoch nicht glauben, daß mit dem empörenden juristischen Begriff
des Sklaven im Privatleben Ernst gemacht worden wäre, und daß man den
Sklaven weder für einen Menschen gehalten, noch als solchen behandelt hätte;


Der Römerstaat

Der Parteikampf war ferner kein Kampf zwischen einer Kapitnlmacht und
den produktiven Ständen. Die wuchernden Reichen waren ebenfalls Bauern,
Großbauern, allerdings adliche, also nach heutiger Sprechweise Ritterguts¬
besitzer, nur daß ihre Höfe vor dem Jahre 200 den Umfang des heutigen
durchschnittlichen Ritterguts nicht erreichte». Es war also ein Kampf der
kleinen Landwirte gegen die großen, die, nur in einem bedeutend weitern
Bezirk, ungefähr die Rolle spielten, wie heute der russische Dorfwucherer in
seiner Gemeinde. Die ärgsten Geldjuden, die es je in der Geschichte gegeben
hat, nennt Nodbertus die adlichen Gutsbesitzer Altroms. Mommsen weiß, ge¬
stützt auf den berühmten Handelsvertrag Roms mit Karthago vom Jahre 509,
auf Müuzfunde und andre Beweisstücke, sehr viel zu erzählen von der Be¬
deutung Roms als einer Handelsmacht schon in vorhistorischer Zeit. Wie
immer es damit stehen mag, jedenfalls hat er darin Recht, daß wie die Kapi¬
talisten, so auch die Handelsherren Roms niemand anders gewesen sind als
seine großen Bauern. Ein ähnlicher Zustand kehrt im Anfange des deutschen
Städtelebens, im zehnten und elften Jahrhundert wieder, wo zuweilen die
sämtlichen Bürger einer Stadt als Kaufleute bezeichnet werden. Es waren die
Grundbesitzer, die auch außerhalb der Stadtmauern großen Besitz und das
Recht hatte», die Überschüsse ihrer Wirtschaft zu exportiereu und Gegenstände
des Luxus dafür einzuführen. Es gab also in Rom während des großen
Ständekampfs keinen besondern Handelsstand, weder el»e» solchen von Waren-
Händler» »och einen von Geldhändlern. El»zal»e Getreidehändler, deren Auf¬
gabe es war, in Zeiten des Mangels Getreide aus dem Auslande herbei>
zuschaffeu, scheint es nach Dionys 9, 25 gegeben zu haben. Die Krämer
gehörten zur unangeseheuen und einflußloser Klasse der Gewerbtreibenden.

Endlich handelte es sich niemals um einen Kampf zwischen Unternehmern
und Arbeiter». Freie Lohnarbeiter hat es zwar, wie es scheun, jederzeit ge¬
geben, aber in so geringer Anzahl, daß sie nicht in Betracht kamen. Die Masse
der besitzlosen Arbeiter bestand ans Sklaven, und diese waren für die Politik
nicht vorhanden, denn sie waren 6o M'v nicht Menschen, sondern Sache»,
mstrumonw vooiüig,, stimmbegabte Arbeitsmaschinen. Sie waren der eine der
beiden Bestandteile des antiken Kapitals, dieses Wort im volkswirtschaftlichen
Sinne genommen. Da es Maschinen gar nicht gab, und das Inventar um
Werkzeugen und Geräten weder sehr vielfach noch sehr kostbar war, so bestand
das Kapitalvermögen des römischen ?ator launig.8 der Hauptsache »ach aus
üumlig, se xoormm, Sklaven und Vieh. Die Sklaven konnten ausbrechen und
Unheil anrichten wie durch Mißhandlungen wild gemachte Bullen, aber sie
konnten weder Forderungen an den Staat richten, noch Revolutionen machen.
Man darf jedoch nicht glauben, daß mit dem empörenden juristischen Begriff
des Sklaven im Privatleben Ernst gemacht worden wäre, und daß man den
Sklaven weder für einen Menschen gehalten, noch als solchen behandelt hätte;


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[0267] Der Römerstaat Der Parteikampf war ferner kein Kampf zwischen einer Kapitnlmacht und den produktiven Ständen. Die wuchernden Reichen waren ebenfalls Bauern, Großbauern, allerdings adliche, also nach heutiger Sprechweise Ritterguts¬ besitzer, nur daß ihre Höfe vor dem Jahre 200 den Umfang des heutigen durchschnittlichen Ritterguts nicht erreichte». Es war also ein Kampf der kleinen Landwirte gegen die großen, die, nur in einem bedeutend weitern Bezirk, ungefähr die Rolle spielten, wie heute der russische Dorfwucherer in seiner Gemeinde. Die ärgsten Geldjuden, die es je in der Geschichte gegeben hat, nennt Nodbertus die adlichen Gutsbesitzer Altroms. Mommsen weiß, ge¬ stützt auf den berühmten Handelsvertrag Roms mit Karthago vom Jahre 509, auf Müuzfunde und andre Beweisstücke, sehr viel zu erzählen von der Be¬ deutung Roms als einer Handelsmacht schon in vorhistorischer Zeit. Wie immer es damit stehen mag, jedenfalls hat er darin Recht, daß wie die Kapi¬ talisten, so auch die Handelsherren Roms niemand anders gewesen sind als seine großen Bauern. Ein ähnlicher Zustand kehrt im Anfange des deutschen Städtelebens, im zehnten und elften Jahrhundert wieder, wo zuweilen die sämtlichen Bürger einer Stadt als Kaufleute bezeichnet werden. Es waren die Grundbesitzer, die auch außerhalb der Stadtmauern großen Besitz und das Recht hatte», die Überschüsse ihrer Wirtschaft zu exportiereu und Gegenstände des Luxus dafür einzuführen. Es gab also in Rom während des großen Ständekampfs keinen besondern Handelsstand, weder el»e» solchen von Waren- Händler» »och einen von Geldhändlern. El»zal»e Getreidehändler, deren Auf¬ gabe es war, in Zeiten des Mangels Getreide aus dem Auslande herbei> zuschaffeu, scheint es nach Dionys 9, 25 gegeben zu haben. Die Krämer gehörten zur unangeseheuen und einflußloser Klasse der Gewerbtreibenden. Endlich handelte es sich niemals um einen Kampf zwischen Unternehmern und Arbeiter». Freie Lohnarbeiter hat es zwar, wie es scheun, jederzeit ge¬ geben, aber in so geringer Anzahl, daß sie nicht in Betracht kamen. Die Masse der besitzlosen Arbeiter bestand ans Sklaven, und diese waren für die Politik nicht vorhanden, denn sie waren 6o M'v nicht Menschen, sondern Sache», mstrumonw vooiüig,, stimmbegabte Arbeitsmaschinen. Sie waren der eine der beiden Bestandteile des antiken Kapitals, dieses Wort im volkswirtschaftlichen Sinne genommen. Da es Maschinen gar nicht gab, und das Inventar um Werkzeugen und Geräten weder sehr vielfach noch sehr kostbar war, so bestand das Kapitalvermögen des römischen ?ator launig.8 der Hauptsache »ach aus üumlig, se xoormm, Sklaven und Vieh. Die Sklaven konnten ausbrechen und Unheil anrichten wie durch Mißhandlungen wild gemachte Bullen, aber sie konnten weder Forderungen an den Staat richten, noch Revolutionen machen. Man darf jedoch nicht glauben, daß mit dem empörenden juristischen Begriff des Sklaven im Privatleben Ernst gemacht worden wäre, und daß man den Sklaven weder für einen Menschen gehalten, noch als solchen behandelt hätte;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/267>, abgerufen am 15.01.2025.