Wenn selbst Bezeichnungen für geistige und körperliche Eigenschaften, be¬ sonders für ungünstige, wie faul, dumm, bucklig, schwatzhaft, ans dein Türkischen in das Griechische eingedrungen sind, so ist das wohl so zu erklaren, daß es zunächst Schimpfwörter waren, die man von den Türken hörte und dann selbst gebrauchte, indem man sie zunächst auf diese anwandte. Immerhin setzt dieser Vorgang eine sehr innige Berührung der beiden Völker voraus und hat ein hohes psychologisches Interesse. Haben sich doch selbst in neugriechischen Eigen¬ namen türkische Prü- und Suffixe festgesetzt, wie in den vielen mit Hatzi-, Deu-, Kara- und -oglu gebildeten Familiennamen.
Wie man sieht, ist der neugriechische Wortschatz stark mit türkischen Elementen durchsetzt. In seinen Wirkungen teils wohlthätiger Art, wie in der Vermittlung zahlreicher Natur- und Kulturgüter, teils weniger erfreulich wie in der Verwaltung, hat das Turkmenen dazu beigetragen, dem modernen Griechentum das orientalische Kolorit zu geben, das in seiner noch unaus- geglichnen Verbindung mit modern-europäischem Wesen ein zwar etwas zwie¬ spältiges, aber kulturgeschichtlich doch reizvolles Ganze ausmacht. Übrigens sei noch bemerkt, daß sich der bei weitem größte Teil der osmanischen Elemente des neugriechischen auch in den übrigen Balkansprachen wiederfindet, im Alba- nesischen, serbischen, Bulgarischen und Rumänischen, da ja alle Balkanvölker einst zum byzantinischen Reiche gehörten und nach dessen Fall unter die türkische Herrschaft gerieten.
Fassen wir die sprachlichen Entlehnungen, die die Griechen in den letzten 1800 Jahren in ihre Sprache aufgenommen haben, noch einmal zusammen, und zwar jetzt nach sachlich zusammengehörigen Gruppen, so erhalten wir mosaikartig bunt zusammengesetzte Bilder, die uns erst einen wirklichen Begriff geben von der eigentümlichen Mischkultur der spätern und der heutigen Griechen. Betrachten wir beispielsweise das Haus und seine Teile, so finden wir daran drei Sprachen beteiligt, nämlich außer dem Griechischen selbst das Lateinische und das Türkische. Griechisch sind die Bezeichnungen für: Fundament, Mauer, Keller, Schwelle. Diele, Balken, Fenster, Schloß. Riegel, Küche. Herd, Dach. Dachrinne, Ziegel. Lateinisch: Haus, Thür, Treppe, Zimmer. Türkisch: Flur, Altan. Rauchfang, Sims, Decke, Fensterscheibe, Thürangel. Ähnliche Schichtungen lassen sich in der Bezeichnung des Mobiliars beobachten: nur die einfachsten Geräte tragen griechische Namen: Tisch, Bett (nebst Laken und Decke), Stuhl, Spiegel. Dazu kamen in der römischen Zeit Worte sür Schrank, Kissen, Gardine, Schemel. Die Türken führten dann noch Sofa (oder Divan) und Teppich ein. Namen für Gebrauchsgeräte verteilen sich etwa so: griechisch sind Glas, Messer, Gabel, Schere, Kerze, Nagel, Hammer, Kamm, Nadel. Lateinisch: Lampe, Napf, Löffel, Tuch. Italienisch: Teller, Serviette, Bind¬ faden, Flasche, Uhr, Nahmen. Türkisch: Tasse, Topf, Deckel. Docht, Kohlen¬ becken, Feuerzange, Taschenmesser.
Wenn selbst Bezeichnungen für geistige und körperliche Eigenschaften, be¬ sonders für ungünstige, wie faul, dumm, bucklig, schwatzhaft, ans dein Türkischen in das Griechische eingedrungen sind, so ist das wohl so zu erklaren, daß es zunächst Schimpfwörter waren, die man von den Türken hörte und dann selbst gebrauchte, indem man sie zunächst auf diese anwandte. Immerhin setzt dieser Vorgang eine sehr innige Berührung der beiden Völker voraus und hat ein hohes psychologisches Interesse. Haben sich doch selbst in neugriechischen Eigen¬ namen türkische Prü- und Suffixe festgesetzt, wie in den vielen mit Hatzi-, Deu-, Kara- und -oglu gebildeten Familiennamen.
Wie man sieht, ist der neugriechische Wortschatz stark mit türkischen Elementen durchsetzt. In seinen Wirkungen teils wohlthätiger Art, wie in der Vermittlung zahlreicher Natur- und Kulturgüter, teils weniger erfreulich wie in der Verwaltung, hat das Turkmenen dazu beigetragen, dem modernen Griechentum das orientalische Kolorit zu geben, das in seiner noch unaus- geglichnen Verbindung mit modern-europäischem Wesen ein zwar etwas zwie¬ spältiges, aber kulturgeschichtlich doch reizvolles Ganze ausmacht. Übrigens sei noch bemerkt, daß sich der bei weitem größte Teil der osmanischen Elemente des neugriechischen auch in den übrigen Balkansprachen wiederfindet, im Alba- nesischen, serbischen, Bulgarischen und Rumänischen, da ja alle Balkanvölker einst zum byzantinischen Reiche gehörten und nach dessen Fall unter die türkische Herrschaft gerieten.
Fassen wir die sprachlichen Entlehnungen, die die Griechen in den letzten 1800 Jahren in ihre Sprache aufgenommen haben, noch einmal zusammen, und zwar jetzt nach sachlich zusammengehörigen Gruppen, so erhalten wir mosaikartig bunt zusammengesetzte Bilder, die uns erst einen wirklichen Begriff geben von der eigentümlichen Mischkultur der spätern und der heutigen Griechen. Betrachten wir beispielsweise das Haus und seine Teile, so finden wir daran drei Sprachen beteiligt, nämlich außer dem Griechischen selbst das Lateinische und das Türkische. Griechisch sind die Bezeichnungen für: Fundament, Mauer, Keller, Schwelle. Diele, Balken, Fenster, Schloß. Riegel, Küche. Herd, Dach. Dachrinne, Ziegel. Lateinisch: Haus, Thür, Treppe, Zimmer. Türkisch: Flur, Altan. Rauchfang, Sims, Decke, Fensterscheibe, Thürangel. Ähnliche Schichtungen lassen sich in der Bezeichnung des Mobiliars beobachten: nur die einfachsten Geräte tragen griechische Namen: Tisch, Bett (nebst Laken und Decke), Stuhl, Spiegel. Dazu kamen in der römischen Zeit Worte sür Schrank, Kissen, Gardine, Schemel. Die Türken führten dann noch Sofa (oder Divan) und Teppich ein. Namen für Gebrauchsgeräte verteilen sich etwa so: griechisch sind Glas, Messer, Gabel, Schere, Kerze, Nagel, Hammer, Kamm, Nadel. Lateinisch: Lampe, Napf, Löffel, Tuch. Italienisch: Teller, Serviette, Bind¬ faden, Flasche, Uhr, Nahmen. Türkisch: Tasse, Topf, Deckel. Docht, Kohlen¬ becken, Feuerzange, Taschenmesser.
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in das Griechische eingedrungen sind, so ist das wohl so zu erklaren, daß es
zunächst Schimpfwörter waren, die man von den Türken hörte und dann selbst
gebrauchte, indem man sie zunächst auf diese anwandte. Immerhin setzt dieser
Vorgang eine sehr innige Berührung der beiden Völker voraus und hat ein
hohes psychologisches Interesse. Haben sich doch selbst in neugriechischen Eigen¬
namen türkische Prü- und Suffixe festgesetzt, wie in den vielen mit Hatzi-,
Deu-, Kara- und -oglu gebildeten Familiennamen.
Wie man sieht, ist der neugriechische Wortschatz stark mit türkischen
Elementen durchsetzt. In seinen Wirkungen teils wohlthätiger Art, wie in
der Vermittlung zahlreicher Natur- und Kulturgüter, teils weniger erfreulich
wie in der Verwaltung, hat das Turkmenen dazu beigetragen, dem modernen
Griechentum das orientalische Kolorit zu geben, das in seiner noch unaus-
geglichnen Verbindung mit modern-europäischem Wesen ein zwar etwas zwie¬
spältiges, aber kulturgeschichtlich doch reizvolles Ganze ausmacht. Übrigens
sei noch bemerkt, daß sich der bei weitem größte Teil der osmanischen Elemente
des neugriechischen auch in den übrigen Balkansprachen wiederfindet, im Alba-
nesischen, serbischen, Bulgarischen und Rumänischen, da ja alle Balkanvölker
einst zum byzantinischen Reiche gehörten und nach dessen Fall unter die türkische
Herrschaft gerieten.
Fassen wir die sprachlichen Entlehnungen, die die Griechen in den letzten
1800 Jahren in ihre Sprache aufgenommen haben, noch einmal zusammen,
und zwar jetzt nach sachlich zusammengehörigen Gruppen, so erhalten wir
mosaikartig bunt zusammengesetzte Bilder, die uns erst einen wirklichen Begriff
geben von der eigentümlichen Mischkultur der spätern und der heutigen Griechen.
Betrachten wir beispielsweise das Haus und seine Teile, so finden wir daran
drei Sprachen beteiligt, nämlich außer dem Griechischen selbst das Lateinische
und das Türkische. Griechisch sind die Bezeichnungen für: Fundament, Mauer,
Keller, Schwelle. Diele, Balken, Fenster, Schloß. Riegel, Küche. Herd, Dach.
Dachrinne, Ziegel. Lateinisch: Haus, Thür, Treppe, Zimmer. Türkisch:
Flur, Altan. Rauchfang, Sims, Decke, Fensterscheibe, Thürangel. Ähnliche
Schichtungen lassen sich in der Bezeichnung des Mobiliars beobachten: nur
die einfachsten Geräte tragen griechische Namen: Tisch, Bett (nebst Laken und
Decke), Stuhl, Spiegel. Dazu kamen in der römischen Zeit Worte sür Schrank,
Kissen, Gardine, Schemel. Die Türken führten dann noch Sofa (oder Divan)
und Teppich ein. Namen für Gebrauchsgeräte verteilen sich etwa so: griechisch
sind Glas, Messer, Gabel, Schere, Kerze, Nagel, Hammer, Kamm, Nadel.
Lateinisch: Lampe, Napf, Löffel, Tuch. Italienisch: Teller, Serviette, Bind¬
faden, Flasche, Uhr, Nahmen. Türkisch: Tasse, Topf, Deckel. Docht, Kohlen¬
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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/222>, abgerufen am 24.01.2025.
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