Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.Möglichkeiten "ut Notwendigkeiten der auswärtigen Politik Deutschlands bleibt ein Sohn seiner Zeit. Ihm war die Bedeutung der Seeherrschaft und Glücklicherweise ist die Erkenntnis von der Bedeutung der Seegeltung Namentlich begegnet uns dieses Verharren in alten und überlebten Möglichkeiten »ut Notwendigkeiten der auswärtigen Politik Deutschlands bleibt ein Sohn seiner Zeit. Ihm war die Bedeutung der Seeherrschaft und Glücklicherweise ist die Erkenntnis von der Bedeutung der Seegeltung Namentlich begegnet uns dieses Verharren in alten und überlebten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0013" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231183"/> <fw type="header" place="top"> Möglichkeiten »ut Notwendigkeiten der auswärtigen Politik Deutschlands</fw><lb/> <p xml:id="ID_11" prev="#ID_10"> bleibt ein Sohn seiner Zeit. Ihm war die Bedeutung der Seeherrschaft und<lb/> der Seegeltung für Deutschland verschlossen, er hat vor weltpolitischen Plänen<lb/> als vor einer Abenteurer- und Prestigepolitik gewarnt, die Kriegsflotte als<lb/> Machtmittel hat er kaum anerkannt, sein politisches Testament, die „Gedanken<lb/> und Erinnerungen" enthalten von der Marine, von den Kolonien, von der<lb/> Verflechtung in die Weltwirtschaft und von deutscher Überseepolitik kaum ein<lb/> Wort. Darin soll nicht der Schatten eines Vorwurfs liegen. Der Gründer<lb/> des Deutschen Reichs hat ein so gewaltiges Tagewerk vollbracht, daß sein<lb/> Lebensabend den Pflichten der kommenden Zeit fern und fremd gegenüberstand.<lb/> Aber in seinem Geiste heißt es handeln, wenn man auch mit neuen Mitteln<lb/> für die Größe, Macht und Wohlfahrt des Reichs arbeitet, wie das neue Jahr¬<lb/> hundert es fordert.</p><lb/> <p xml:id="ID_12"> Glücklicherweise ist die Erkenntnis von der Bedeutung der Seegeltung<lb/> Deutschlands und des einzigen Instruments, sie zu erlangen und zu behaupten,<lb/> einer starken Kriegsflotte, doch schon in sehr weite Kreise gedrungen. Es ist<lb/> eine That Kaiser Wilhelms II., die in ihrer ganzen Tragweite erst in späterer<lb/> Zeit von der Geschichte gewürdigt werden wird, daß sein Blick zuerst die<lb/> Wandlung von der europäischen zur Weltpolitik erkannte und seine rastlose<lb/> Energie scharf und bestimmt daraus die praktischen Folgen zog. Unermüdlich<lb/> war er als Erzieher der Deutschen für den Flottengedanken thätig. Und als<lb/> das Flottengesetz 1897 an den Reichstag kam, war der Boden schon gelockert<lb/> und empfänglich. Die parlamentarischen Verhandlungen, eine starke, vornehmlich<lb/> von den Gebildeten getragne Bewegung in der Nation, eine rührige Propa¬<lb/> ganda in Wort und Schrift, Vereine und Versammlungen haben dieses Werk<lb/> der Erziehung und Aufklärung aufgenommen und mit Erfolg fortgesetzt. Nur<lb/> politische Mnmienhaftigkeit und radikale Verranntheit verschließen sich heute<lb/> noch der Thatsache, daß die Annahme des Marinegesetzes eine Notwendigkeit<lb/> für unsre Existenz als Reich und Volk war. Aber andrerseits ist doch nicht<lb/> zu leugnen, daß selbst Wohlmeinende — breite Schichten der Bevölkerung so¬<lb/> wohl als sogar führende Politiker — noch weit davon entfernt sind, den<lb/> wahren Stand der Dinge und die unausbleibliche Richtung der Entwicklung<lb/> so scharf zu erfassen, daß sie sich auch mit ihren Ansichten über die Art und<lb/> Weise, wie den Notwendigkeiten und den Möglichkeiten zu begegnen ist, den<lb/> neuen Aufgaben anpassen. Wir stecken mit unsern politischen Anschauungen<lb/> noch vielfach und jedenfalls viel zu tief in der Zeit der Festlandspolitik, wo<lb/> ein starkes Heer allein die ulliwÄ r.illo war, wenn die friedlichen Mittel der<lb/> Staatskunst versagten. Von der vollen Bedeutung der Flotte für das Reich<lb/> als Groß- und Weltmacht haben sehr weite Kreise noch kaum eine Ahnung.</p><lb/> <p xml:id="ID_13" next="#ID_14"> Namentlich begegnet uns dieses Verharren in alten und überlebten<lb/> Traditionen bei der Erörterung von Bündnissen Deutschlands mit andern<lb/> Mächten. Gerade hier aber ist scharf zwischen Festlandspolitik und Über-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0013]
Möglichkeiten »ut Notwendigkeiten der auswärtigen Politik Deutschlands
bleibt ein Sohn seiner Zeit. Ihm war die Bedeutung der Seeherrschaft und
der Seegeltung für Deutschland verschlossen, er hat vor weltpolitischen Plänen
als vor einer Abenteurer- und Prestigepolitik gewarnt, die Kriegsflotte als
Machtmittel hat er kaum anerkannt, sein politisches Testament, die „Gedanken
und Erinnerungen" enthalten von der Marine, von den Kolonien, von der
Verflechtung in die Weltwirtschaft und von deutscher Überseepolitik kaum ein
Wort. Darin soll nicht der Schatten eines Vorwurfs liegen. Der Gründer
des Deutschen Reichs hat ein so gewaltiges Tagewerk vollbracht, daß sein
Lebensabend den Pflichten der kommenden Zeit fern und fremd gegenüberstand.
Aber in seinem Geiste heißt es handeln, wenn man auch mit neuen Mitteln
für die Größe, Macht und Wohlfahrt des Reichs arbeitet, wie das neue Jahr¬
hundert es fordert.
Glücklicherweise ist die Erkenntnis von der Bedeutung der Seegeltung
Deutschlands und des einzigen Instruments, sie zu erlangen und zu behaupten,
einer starken Kriegsflotte, doch schon in sehr weite Kreise gedrungen. Es ist
eine That Kaiser Wilhelms II., die in ihrer ganzen Tragweite erst in späterer
Zeit von der Geschichte gewürdigt werden wird, daß sein Blick zuerst die
Wandlung von der europäischen zur Weltpolitik erkannte und seine rastlose
Energie scharf und bestimmt daraus die praktischen Folgen zog. Unermüdlich
war er als Erzieher der Deutschen für den Flottengedanken thätig. Und als
das Flottengesetz 1897 an den Reichstag kam, war der Boden schon gelockert
und empfänglich. Die parlamentarischen Verhandlungen, eine starke, vornehmlich
von den Gebildeten getragne Bewegung in der Nation, eine rührige Propa¬
ganda in Wort und Schrift, Vereine und Versammlungen haben dieses Werk
der Erziehung und Aufklärung aufgenommen und mit Erfolg fortgesetzt. Nur
politische Mnmienhaftigkeit und radikale Verranntheit verschließen sich heute
noch der Thatsache, daß die Annahme des Marinegesetzes eine Notwendigkeit
für unsre Existenz als Reich und Volk war. Aber andrerseits ist doch nicht
zu leugnen, daß selbst Wohlmeinende — breite Schichten der Bevölkerung so¬
wohl als sogar führende Politiker — noch weit davon entfernt sind, den
wahren Stand der Dinge und die unausbleibliche Richtung der Entwicklung
so scharf zu erfassen, daß sie sich auch mit ihren Ansichten über die Art und
Weise, wie den Notwendigkeiten und den Möglichkeiten zu begegnen ist, den
neuen Aufgaben anpassen. Wir stecken mit unsern politischen Anschauungen
noch vielfach und jedenfalls viel zu tief in der Zeit der Festlandspolitik, wo
ein starkes Heer allein die ulliwÄ r.illo war, wenn die friedlichen Mittel der
Staatskunst versagten. Von der vollen Bedeutung der Flotte für das Reich
als Groß- und Weltmacht haben sehr weite Kreise noch kaum eine Ahnung.
Namentlich begegnet uns dieses Verharren in alten und überlebten
Traditionen bei der Erörterung von Bündnissen Deutschlands mit andern
Mächten. Gerade hier aber ist scharf zwischen Festlandspolitik und Über-
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