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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Aus den schwarzen Bergen

meiden, verdankt Fürst Nikolaus überhaupt seine großen Erfolge; dank seiner
Politischen Begabung, die von motorischer Rednergabe unterstützt wird, ist er
ein Mehrer seines Reichs geworden, das sich unter ihm auf das Doppelte
vergrößert hat. Einige gute Fahrstraßen sind von ihm angelegt worden, die
den Verkehr erleichtern, die Sicherheit des Landes ist vollkommen, und mit
Eifer unterzieht er sich der schweren Aufgabe, seine rauhen Unterthanen, die
mit Verehrung an ihrem Gospodar hängen, auf eine höhere Kulturstufe zu
heben. Seine soldatische Begabung hingegen, so sagt man, stehe hinter der
Politischen zurück; nicht nur der voreingenommne Spiridion Gopschewitsch,
dessen Werk sich auf die Klatschgeschichten Triester und Dalmatiner Blätter
stützt, sondern auch vorurteilsfreie Beobachter warfen ihm während des letzten
Krieges zu große Vorsicht, eine allzu ängstliche Schonung des Blutes seiner
Unterthanen vor. Mag der montenegrinische Landesvater immer ein wenig
dem Grundsatze LeM Zers-ut Mi des benachbarten Donaukaiserstaats gehuldigt
haben, sicher ist, daß er auch den zweiten Teil des Verses w kslix NontMsZro
vuds! beherzigt und durch die vorteilhafte Vermählung seiner bildschönen
Töchter mit Söhnen der angesehensten Dynastien Europas nicht wenig zur
Befestigung seines Thrones wie zum Wohle seines liliputanischen Fürstentums
beigetragen hat.

"Wenn Sie über die Dugapässe nach Gatzko in der Herzegowina wollen,
so sorgen Sie nur für gute Pferde und Führer," hatte Fürst Nikolaus am
Schlüsse der Unterhaltung gesagt. Endlich war ein ungarischer Deserteur als
Dolmetscher aufgetrieben, der als weniger ehrenhafter Uskoke über die Grenze
geflohen war, montenegrinische Tracht angelegt hatte und dem Uhrmacher¬
gewerbe in Niksitsch nachging. Der Pferdehandel war abgeschlossen, und eines
frühen Morgens scharrten vor unsrer Herberge zwei kräftige Reitpferde und
ein Packpferd für Koffer und Lebensmittel unter der Obhut zweier verwegen
aussehender, baumlanger Montenegriner. Die Begleitung des Ungarn, der uns
als Dolmetscher auf der einsamen Strecke hätte dienlich sein können, verbaten
sich die mißtrauischen Männer, die selbst ihres Königs Rock getragen hatten,
doch tröstete ihn ein Gulden über die Enttäuschung hinweg, und herzlich
schüttelten wir die Hand des Redakteurs des Nikschitscher "Nebesinje," der
uns freundlichst unterstützt hatte. Der Mann war weit harmloser und liebens¬
würdiger als sein Blatt, das von der Regierung gegründet und gefördert, die
österreichische Okkupation wütend anbellt und den Zorn aller Heiligen herab¬
beschwört auf das von Österreich besetzte Novibazcir, dessen Sandschak Monte¬
negro vom stammverwandten Serbien trennt, und das so frech nach Saloniki
hinzudeuten scheint, und auf den Felsen bei der Stadt, wo der Übermut der
Eroberer ein weithin in das Land hinausleuchtendes I?. ^l. I. (Franz Joseph I.)
hingemalt hat, serbischen Einheitsgedanken zum Hohn.

Der Ritt durch die Dugapässe, eine schwache siebenundvierzig Kilometer


Aus den schwarzen Bergen

meiden, verdankt Fürst Nikolaus überhaupt seine großen Erfolge; dank seiner
Politischen Begabung, die von motorischer Rednergabe unterstützt wird, ist er
ein Mehrer seines Reichs geworden, das sich unter ihm auf das Doppelte
vergrößert hat. Einige gute Fahrstraßen sind von ihm angelegt worden, die
den Verkehr erleichtern, die Sicherheit des Landes ist vollkommen, und mit
Eifer unterzieht er sich der schweren Aufgabe, seine rauhen Unterthanen, die
mit Verehrung an ihrem Gospodar hängen, auf eine höhere Kulturstufe zu
heben. Seine soldatische Begabung hingegen, so sagt man, stehe hinter der
Politischen zurück; nicht nur der voreingenommne Spiridion Gopschewitsch,
dessen Werk sich auf die Klatschgeschichten Triester und Dalmatiner Blätter
stützt, sondern auch vorurteilsfreie Beobachter warfen ihm während des letzten
Krieges zu große Vorsicht, eine allzu ängstliche Schonung des Blutes seiner
Unterthanen vor. Mag der montenegrinische Landesvater immer ein wenig
dem Grundsatze LeM Zers-ut Mi des benachbarten Donaukaiserstaats gehuldigt
haben, sicher ist, daß er auch den zweiten Teil des Verses w kslix NontMsZro
vuds! beherzigt und durch die vorteilhafte Vermählung seiner bildschönen
Töchter mit Söhnen der angesehensten Dynastien Europas nicht wenig zur
Befestigung seines Thrones wie zum Wohle seines liliputanischen Fürstentums
beigetragen hat.

„Wenn Sie über die Dugapässe nach Gatzko in der Herzegowina wollen,
so sorgen Sie nur für gute Pferde und Führer," hatte Fürst Nikolaus am
Schlüsse der Unterhaltung gesagt. Endlich war ein ungarischer Deserteur als
Dolmetscher aufgetrieben, der als weniger ehrenhafter Uskoke über die Grenze
geflohen war, montenegrinische Tracht angelegt hatte und dem Uhrmacher¬
gewerbe in Niksitsch nachging. Der Pferdehandel war abgeschlossen, und eines
frühen Morgens scharrten vor unsrer Herberge zwei kräftige Reitpferde und
ein Packpferd für Koffer und Lebensmittel unter der Obhut zweier verwegen
aussehender, baumlanger Montenegriner. Die Begleitung des Ungarn, der uns
als Dolmetscher auf der einsamen Strecke hätte dienlich sein können, verbaten
sich die mißtrauischen Männer, die selbst ihres Königs Rock getragen hatten,
doch tröstete ihn ein Gulden über die Enttäuschung hinweg, und herzlich
schüttelten wir die Hand des Redakteurs des Nikschitscher „Nebesinje," der
uns freundlichst unterstützt hatte. Der Mann war weit harmloser und liebens¬
würdiger als sein Blatt, das von der Regierung gegründet und gefördert, die
österreichische Okkupation wütend anbellt und den Zorn aller Heiligen herab¬
beschwört auf das von Österreich besetzte Novibazcir, dessen Sandschak Monte¬
negro vom stammverwandten Serbien trennt, und das so frech nach Saloniki
hinzudeuten scheint, und auf den Felsen bei der Stadt, wo der Übermut der
Eroberer ein weithin in das Land hinausleuchtendes I?. ^l. I. (Franz Joseph I.)
hingemalt hat, serbischen Einheitsgedanken zum Hohn.

Der Ritt durch die Dugapässe, eine schwache siebenundvierzig Kilometer


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[0659] Aus den schwarzen Bergen meiden, verdankt Fürst Nikolaus überhaupt seine großen Erfolge; dank seiner Politischen Begabung, die von motorischer Rednergabe unterstützt wird, ist er ein Mehrer seines Reichs geworden, das sich unter ihm auf das Doppelte vergrößert hat. Einige gute Fahrstraßen sind von ihm angelegt worden, die den Verkehr erleichtern, die Sicherheit des Landes ist vollkommen, und mit Eifer unterzieht er sich der schweren Aufgabe, seine rauhen Unterthanen, die mit Verehrung an ihrem Gospodar hängen, auf eine höhere Kulturstufe zu heben. Seine soldatische Begabung hingegen, so sagt man, stehe hinter der Politischen zurück; nicht nur der voreingenommne Spiridion Gopschewitsch, dessen Werk sich auf die Klatschgeschichten Triester und Dalmatiner Blätter stützt, sondern auch vorurteilsfreie Beobachter warfen ihm während des letzten Krieges zu große Vorsicht, eine allzu ängstliche Schonung des Blutes seiner Unterthanen vor. Mag der montenegrinische Landesvater immer ein wenig dem Grundsatze LeM Zers-ut Mi des benachbarten Donaukaiserstaats gehuldigt haben, sicher ist, daß er auch den zweiten Teil des Verses w kslix NontMsZro vuds! beherzigt und durch die vorteilhafte Vermählung seiner bildschönen Töchter mit Söhnen der angesehensten Dynastien Europas nicht wenig zur Befestigung seines Thrones wie zum Wohle seines liliputanischen Fürstentums beigetragen hat. „Wenn Sie über die Dugapässe nach Gatzko in der Herzegowina wollen, so sorgen Sie nur für gute Pferde und Führer," hatte Fürst Nikolaus am Schlüsse der Unterhaltung gesagt. Endlich war ein ungarischer Deserteur als Dolmetscher aufgetrieben, der als weniger ehrenhafter Uskoke über die Grenze geflohen war, montenegrinische Tracht angelegt hatte und dem Uhrmacher¬ gewerbe in Niksitsch nachging. Der Pferdehandel war abgeschlossen, und eines frühen Morgens scharrten vor unsrer Herberge zwei kräftige Reitpferde und ein Packpferd für Koffer und Lebensmittel unter der Obhut zweier verwegen aussehender, baumlanger Montenegriner. Die Begleitung des Ungarn, der uns als Dolmetscher auf der einsamen Strecke hätte dienlich sein können, verbaten sich die mißtrauischen Männer, die selbst ihres Königs Rock getragen hatten, doch tröstete ihn ein Gulden über die Enttäuschung hinweg, und herzlich schüttelten wir die Hand des Redakteurs des Nikschitscher „Nebesinje," der uns freundlichst unterstützt hatte. Der Mann war weit harmloser und liebens¬ würdiger als sein Blatt, das von der Regierung gegründet und gefördert, die österreichische Okkupation wütend anbellt und den Zorn aller Heiligen herab¬ beschwört auf das von Österreich besetzte Novibazcir, dessen Sandschak Monte¬ negro vom stammverwandten Serbien trennt, und das so frech nach Saloniki hinzudeuten scheint, und auf den Felsen bei der Stadt, wo der Übermut der Eroberer ein weithin in das Land hinausleuchtendes I?. ^l. I. (Franz Joseph I.) hingemalt hat, serbischen Einheitsgedanken zum Hohn. Der Ritt durch die Dugapässe, eine schwache siebenundvierzig Kilometer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/659>, abgerufen am 28.09.2024.