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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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und der Linealerbfolge. Zur Successionsfähigkeit wird rechtmäßige Ab¬
stammung usw. erfordert."

Artikel 6 lautet: "Wenn der gegenwärtig regierende Herzog ohne Hinter¬
lassung successionsfähiger Nachkommen mit Tode abgehen oder die von ihm
hinterlassene successionsfühige Nachkommenschaft aussterben sollte und somit die
Nachfolge in die Negierung auf den Bruder desselben, den Prinzen Albert,^)
beziehungsweise dessen successionsfähige Nachkommenschaft übergeht, treten
folgende Bestimmungen (Art. 7 und 8) ein."

Artikel 7: "Von der Nachfolge in die Regierung der Herzogtümer sind
der regierende König von England und der voraussichtliche englische Thron¬
folger (Iisir axpg.r6ut des englischen Rechts) ausgeschlossen, dergestalt, daß die
Regierung sofort auf den nach ihm zunächst berechtigten Prinzen übergeht.
Ist jedoch zur Zeit eines Erbfalles außer dem regierenden Könige von Eng¬
land oder außer dem englischen Thronfolger oder außer dem Könige und dem
Thronfolger ein successionsfähiger Nachkomme aus der Sveziallinie des Prinzen
Albert nicht vorhanden, so hat im erstern und dritten Falle der König von
England, im zweiten Falle der englische Thronfolger die Negierung der Herzog¬
tümer anzutreten und dieselbe durch einen Statthalter so lange führen zu
lassen, bis sie von einem volljährigen successionsfähigen Prinzen ans der
Sveziallinie des Prinzen Albert übernommen werden kann."

Artikel 8: "Dafern bei dem Aussterben der regierenden Linie zwei gleich
nahe Linien vorhanden sein sollten, so wird die jüngere durch die ältere aus¬
geschlossen."

Artikel 18: "Die Staatsregierung kann, ausgenommen in dem Artikel 7
vorgesehenen Falle, auf den Inhaber eines außerdeutschen Thrones nicht ge¬
langen."

Man sieht ohne Schwierigkeit, daß diese Bestimmungen im Hinblick auf
die nächstliegenden Verhältnisse, insbesondre auf die zahlreiche Nachkommen¬
schaft der Königin Victoria, und unter dem Einfluß einer Stimmung ent¬
standen sind, wo die Verbindung mit dein englischen Königshause als ein des
höchsten Ehrgeizes würdiges Ziel galt. Man rufe sich nur die begleitenden
Umstände der Vermählung der Princeß Royal mit dem nachmaligen Kaiser
Friedrich im Jahre 1858 ins Gedächtnis zurück. Heute denkt man im Deutschen
Reiche anders.

Dem Hausgesetze entsprechend bestieg 1893 nach dem Tode Herzogs Ernst II.
der zweite Sohn der Königin Victoria aus ihrer Ehe mit dem Prinzen Albert,
dem Bruder des verstorbnen Herzogs Ernst II., den Coburg-Gothaischen Thron.
Da die Persönlichkeit des jetzt regierenden Herzogs Alfred in Deutschland sehr
wenig bekannt geworden war -- er war meist in englischem Seedienst ab¬
wesend --, so herrschte in Deutschland die Ansicht ganz allgemein, der schon



") 1' "Prinz-Gemahl,"
Sachsen Loburz und Gotha

und der Linealerbfolge. Zur Successionsfähigkeit wird rechtmäßige Ab¬
stammung usw. erfordert."

Artikel 6 lautet: „Wenn der gegenwärtig regierende Herzog ohne Hinter¬
lassung successionsfähiger Nachkommen mit Tode abgehen oder die von ihm
hinterlassene successionsfühige Nachkommenschaft aussterben sollte und somit die
Nachfolge in die Negierung auf den Bruder desselben, den Prinzen Albert,^)
beziehungsweise dessen successionsfähige Nachkommenschaft übergeht, treten
folgende Bestimmungen (Art. 7 und 8) ein."

Artikel 7: „Von der Nachfolge in die Regierung der Herzogtümer sind
der regierende König von England und der voraussichtliche englische Thron¬
folger (Iisir axpg.r6ut des englischen Rechts) ausgeschlossen, dergestalt, daß die
Regierung sofort auf den nach ihm zunächst berechtigten Prinzen übergeht.
Ist jedoch zur Zeit eines Erbfalles außer dem regierenden Könige von Eng¬
land oder außer dem englischen Thronfolger oder außer dem Könige und dem
Thronfolger ein successionsfähiger Nachkomme aus der Sveziallinie des Prinzen
Albert nicht vorhanden, so hat im erstern und dritten Falle der König von
England, im zweiten Falle der englische Thronfolger die Negierung der Herzog¬
tümer anzutreten und dieselbe durch einen Statthalter so lange führen zu
lassen, bis sie von einem volljährigen successionsfähigen Prinzen ans der
Sveziallinie des Prinzen Albert übernommen werden kann."

Artikel 8: „Dafern bei dem Aussterben der regierenden Linie zwei gleich
nahe Linien vorhanden sein sollten, so wird die jüngere durch die ältere aus¬
geschlossen."

Artikel 18: „Die Staatsregierung kann, ausgenommen in dem Artikel 7
vorgesehenen Falle, auf den Inhaber eines außerdeutschen Thrones nicht ge¬
langen."

Man sieht ohne Schwierigkeit, daß diese Bestimmungen im Hinblick auf
die nächstliegenden Verhältnisse, insbesondre auf die zahlreiche Nachkommen¬
schaft der Königin Victoria, und unter dem Einfluß einer Stimmung ent¬
standen sind, wo die Verbindung mit dein englischen Königshause als ein des
höchsten Ehrgeizes würdiges Ziel galt. Man rufe sich nur die begleitenden
Umstände der Vermählung der Princeß Royal mit dem nachmaligen Kaiser
Friedrich im Jahre 1858 ins Gedächtnis zurück. Heute denkt man im Deutschen
Reiche anders.

Dem Hausgesetze entsprechend bestieg 1893 nach dem Tode Herzogs Ernst II.
der zweite Sohn der Königin Victoria aus ihrer Ehe mit dem Prinzen Albert,
dem Bruder des verstorbnen Herzogs Ernst II., den Coburg-Gothaischen Thron.
Da die Persönlichkeit des jetzt regierenden Herzogs Alfred in Deutschland sehr
wenig bekannt geworden war — er war meist in englischem Seedienst ab¬
wesend —, so herrschte in Deutschland die Ansicht ganz allgemein, der schon



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[0460] Sachsen Loburz und Gotha und der Linealerbfolge. Zur Successionsfähigkeit wird rechtmäßige Ab¬ stammung usw. erfordert." Artikel 6 lautet: „Wenn der gegenwärtig regierende Herzog ohne Hinter¬ lassung successionsfähiger Nachkommen mit Tode abgehen oder die von ihm hinterlassene successionsfühige Nachkommenschaft aussterben sollte und somit die Nachfolge in die Negierung auf den Bruder desselben, den Prinzen Albert,^) beziehungsweise dessen successionsfähige Nachkommenschaft übergeht, treten folgende Bestimmungen (Art. 7 und 8) ein." Artikel 7: „Von der Nachfolge in die Regierung der Herzogtümer sind der regierende König von England und der voraussichtliche englische Thron¬ folger (Iisir axpg.r6ut des englischen Rechts) ausgeschlossen, dergestalt, daß die Regierung sofort auf den nach ihm zunächst berechtigten Prinzen übergeht. Ist jedoch zur Zeit eines Erbfalles außer dem regierenden Könige von Eng¬ land oder außer dem englischen Thronfolger oder außer dem Könige und dem Thronfolger ein successionsfähiger Nachkomme aus der Sveziallinie des Prinzen Albert nicht vorhanden, so hat im erstern und dritten Falle der König von England, im zweiten Falle der englische Thronfolger die Negierung der Herzog¬ tümer anzutreten und dieselbe durch einen Statthalter so lange führen zu lassen, bis sie von einem volljährigen successionsfähigen Prinzen ans der Sveziallinie des Prinzen Albert übernommen werden kann." Artikel 8: „Dafern bei dem Aussterben der regierenden Linie zwei gleich nahe Linien vorhanden sein sollten, so wird die jüngere durch die ältere aus¬ geschlossen." Artikel 18: „Die Staatsregierung kann, ausgenommen in dem Artikel 7 vorgesehenen Falle, auf den Inhaber eines außerdeutschen Thrones nicht ge¬ langen." Man sieht ohne Schwierigkeit, daß diese Bestimmungen im Hinblick auf die nächstliegenden Verhältnisse, insbesondre auf die zahlreiche Nachkommen¬ schaft der Königin Victoria, und unter dem Einfluß einer Stimmung ent¬ standen sind, wo die Verbindung mit dein englischen Königshause als ein des höchsten Ehrgeizes würdiges Ziel galt. Man rufe sich nur die begleitenden Umstände der Vermählung der Princeß Royal mit dem nachmaligen Kaiser Friedrich im Jahre 1858 ins Gedächtnis zurück. Heute denkt man im Deutschen Reiche anders. Dem Hausgesetze entsprechend bestieg 1893 nach dem Tode Herzogs Ernst II. der zweite Sohn der Königin Victoria aus ihrer Ehe mit dem Prinzen Albert, dem Bruder des verstorbnen Herzogs Ernst II., den Coburg-Gothaischen Thron. Da die Persönlichkeit des jetzt regierenden Herzogs Alfred in Deutschland sehr wenig bekannt geworden war — er war meist in englischem Seedienst ab¬ wesend —, so herrschte in Deutschland die Ansicht ganz allgemein, der schon ") 1' „Prinz-Gemahl,"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/460>, abgerufen am 28.09.2024.