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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Die Streitkräfte Italiens

im Bau. Gleich wie die italienischen Kasernen sind auch die Schiffe Muster
von Reinlichkeit und Ordnung. Verhältnismäßig stark vertreten ist bei der
Marine der kleine geschmeidige Sohn beider Sizilien. Die hier aufgezählten
Fahrzeuge sind bemannt mit nahezu 1600 Offizieren und 23300 Matrosen.

Einer Bemerkung Napoleons I. verdankt das zwischen Genua und Livorno
gelegne, heute wohl über 40000 Einwohner zählende Spezia seine Umwandlung
in einen Kriegshafen. Die Bucht wird von den mit lebhafter Phantasie be¬
gabten Reisenden mit dem Golf von Neapel verglichen. Die Stadt hat bei
einer Garnison von 4000 Köpfen 10000 Marinearbeiter. Mäßig, aber sehr
steil sind die Höhen*) im Nordwesten und Südosten dieser gegenwärtig ersten
Marinestation Italiens, aber im Norden steigen gewaltige Gebirgsmassen
empor. Von den zahlreichen Ortschaften, die sich vom Meeresspiegel terrassen¬
förmig an den Höhen aufbauen, verdienen Porto Venere und das gegenüber¬
liegende stattliche Lerici, in dessen teilweise noch wohlerhaltnen Schlosse
Karl V. den König Franz I. gefangen hielt, besondre Erwähnung. Einen
überwältigenden Eindruck erwecken die vom Festlande getrennten Berge Chino
und Palmaria, die wie Niesen aus dem Meere emporragen und nur enge,
fast schluchtühnliche Wasserwege lassen. Ihre Gipfel sind mit Lazaretten und
Strafanstalten gekrönt.

Im Jahre 1883 herrschte große Aufregung in Spezia. Man sprach von
einem feindlichen Überfall, von einem französischen Handstreich auf den Kriegs¬
hafen. Das Hütte mit wunderlichen Dingen zugehn müssen. Alle Höhen sind
stark befestigt; die Observatorien gewähren eine Beobachtung weit hinaus in
den Ozean, und unter dem Meeresspiegel der Bucht sind Vorkehrungen ge¬
troffen, die nur den Kundigen vor dem Verderben bewahren.

Der Gesamtaufwand Italiens für das Landheer beträgt zur Zeit 267 Mil¬
lionen Lire, für die Flotte 95 Millionen, sodaß also jährlich auf den Kopf
der Bevölkerung etwas über 12 Lire kommen. Mag die italienische Staats¬
schuld auch it^/z Milliarden mit einer jährlichen Verzinsung von ungefähr
700 Millionen Lire betragen, und mag man auf diese Zahlen in Frank¬
reich, wo man die lateinische Schwesternation so gern bevormunden möchte,
mit künstlichem Mitleiden immer wieder hinweisen, so vergessen diese Rechen¬
künstler nur, daß gerade ihr Vaterland Italien in Beziehung auf Schulden
weit übertrifft -- mit 26 Milliarden und 1030 Millionen Zinsen. Eine Ver¬
ringerung der Schuldenlast Italiens auf Kosten der Streitkrüfte wäre ein
Schnitt in das eigne Fleisch, und die Heilung würde, wenn sie überhaupt noch
stattfinden könnte, Kurkosten erfordern, gegen die die gegenwärtigen Ausgaben



Die an die Höhen gebauten Häuser zeigen nach vorn oft zwei oder drei Etagen mehr als
rückwärts z so steil sind die Hänge. Es macht einen eignen Eindruck, wenn man in den engen
Güssen wandert und durch die offnen Hauseingange in das tief unten spiegelnde Meer blickt.
Die Streitkräfte Italiens

im Bau. Gleich wie die italienischen Kasernen sind auch die Schiffe Muster
von Reinlichkeit und Ordnung. Verhältnismäßig stark vertreten ist bei der
Marine der kleine geschmeidige Sohn beider Sizilien. Die hier aufgezählten
Fahrzeuge sind bemannt mit nahezu 1600 Offizieren und 23300 Matrosen.

Einer Bemerkung Napoleons I. verdankt das zwischen Genua und Livorno
gelegne, heute wohl über 40000 Einwohner zählende Spezia seine Umwandlung
in einen Kriegshafen. Die Bucht wird von den mit lebhafter Phantasie be¬
gabten Reisenden mit dem Golf von Neapel verglichen. Die Stadt hat bei
einer Garnison von 4000 Köpfen 10000 Marinearbeiter. Mäßig, aber sehr
steil sind die Höhen*) im Nordwesten und Südosten dieser gegenwärtig ersten
Marinestation Italiens, aber im Norden steigen gewaltige Gebirgsmassen
empor. Von den zahlreichen Ortschaften, die sich vom Meeresspiegel terrassen¬
förmig an den Höhen aufbauen, verdienen Porto Venere und das gegenüber¬
liegende stattliche Lerici, in dessen teilweise noch wohlerhaltnen Schlosse
Karl V. den König Franz I. gefangen hielt, besondre Erwähnung. Einen
überwältigenden Eindruck erwecken die vom Festlande getrennten Berge Chino
und Palmaria, die wie Niesen aus dem Meere emporragen und nur enge,
fast schluchtühnliche Wasserwege lassen. Ihre Gipfel sind mit Lazaretten und
Strafanstalten gekrönt.

Im Jahre 1883 herrschte große Aufregung in Spezia. Man sprach von
einem feindlichen Überfall, von einem französischen Handstreich auf den Kriegs¬
hafen. Das Hütte mit wunderlichen Dingen zugehn müssen. Alle Höhen sind
stark befestigt; die Observatorien gewähren eine Beobachtung weit hinaus in
den Ozean, und unter dem Meeresspiegel der Bucht sind Vorkehrungen ge¬
troffen, die nur den Kundigen vor dem Verderben bewahren.

Der Gesamtaufwand Italiens für das Landheer beträgt zur Zeit 267 Mil¬
lionen Lire, für die Flotte 95 Millionen, sodaß also jährlich auf den Kopf
der Bevölkerung etwas über 12 Lire kommen. Mag die italienische Staats¬
schuld auch it^/z Milliarden mit einer jährlichen Verzinsung von ungefähr
700 Millionen Lire betragen, und mag man auf diese Zahlen in Frank¬
reich, wo man die lateinische Schwesternation so gern bevormunden möchte,
mit künstlichem Mitleiden immer wieder hinweisen, so vergessen diese Rechen¬
künstler nur, daß gerade ihr Vaterland Italien in Beziehung auf Schulden
weit übertrifft — mit 26 Milliarden und 1030 Millionen Zinsen. Eine Ver¬
ringerung der Schuldenlast Italiens auf Kosten der Streitkrüfte wäre ein
Schnitt in das eigne Fleisch, und die Heilung würde, wenn sie überhaupt noch
stattfinden könnte, Kurkosten erfordern, gegen die die gegenwärtigen Ausgaben



Die an die Höhen gebauten Häuser zeigen nach vorn oft zwei oder drei Etagen mehr als
rückwärts z so steil sind die Hänge. Es macht einen eignen Eindruck, wenn man in den engen
Güssen wandert und durch die offnen Hauseingange in das tief unten spiegelnde Meer blickt.
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[0031] Die Streitkräfte Italiens im Bau. Gleich wie die italienischen Kasernen sind auch die Schiffe Muster von Reinlichkeit und Ordnung. Verhältnismäßig stark vertreten ist bei der Marine der kleine geschmeidige Sohn beider Sizilien. Die hier aufgezählten Fahrzeuge sind bemannt mit nahezu 1600 Offizieren und 23300 Matrosen. Einer Bemerkung Napoleons I. verdankt das zwischen Genua und Livorno gelegne, heute wohl über 40000 Einwohner zählende Spezia seine Umwandlung in einen Kriegshafen. Die Bucht wird von den mit lebhafter Phantasie be¬ gabten Reisenden mit dem Golf von Neapel verglichen. Die Stadt hat bei einer Garnison von 4000 Köpfen 10000 Marinearbeiter. Mäßig, aber sehr steil sind die Höhen*) im Nordwesten und Südosten dieser gegenwärtig ersten Marinestation Italiens, aber im Norden steigen gewaltige Gebirgsmassen empor. Von den zahlreichen Ortschaften, die sich vom Meeresspiegel terrassen¬ förmig an den Höhen aufbauen, verdienen Porto Venere und das gegenüber¬ liegende stattliche Lerici, in dessen teilweise noch wohlerhaltnen Schlosse Karl V. den König Franz I. gefangen hielt, besondre Erwähnung. Einen überwältigenden Eindruck erwecken die vom Festlande getrennten Berge Chino und Palmaria, die wie Niesen aus dem Meere emporragen und nur enge, fast schluchtühnliche Wasserwege lassen. Ihre Gipfel sind mit Lazaretten und Strafanstalten gekrönt. Im Jahre 1883 herrschte große Aufregung in Spezia. Man sprach von einem feindlichen Überfall, von einem französischen Handstreich auf den Kriegs¬ hafen. Das Hütte mit wunderlichen Dingen zugehn müssen. Alle Höhen sind stark befestigt; die Observatorien gewähren eine Beobachtung weit hinaus in den Ozean, und unter dem Meeresspiegel der Bucht sind Vorkehrungen ge¬ troffen, die nur den Kundigen vor dem Verderben bewahren. Der Gesamtaufwand Italiens für das Landheer beträgt zur Zeit 267 Mil¬ lionen Lire, für die Flotte 95 Millionen, sodaß also jährlich auf den Kopf der Bevölkerung etwas über 12 Lire kommen. Mag die italienische Staats¬ schuld auch it^/z Milliarden mit einer jährlichen Verzinsung von ungefähr 700 Millionen Lire betragen, und mag man auf diese Zahlen in Frank¬ reich, wo man die lateinische Schwesternation so gern bevormunden möchte, mit künstlichem Mitleiden immer wieder hinweisen, so vergessen diese Rechen¬ künstler nur, daß gerade ihr Vaterland Italien in Beziehung auf Schulden weit übertrifft — mit 26 Milliarden und 1030 Millionen Zinsen. Eine Ver¬ ringerung der Schuldenlast Italiens auf Kosten der Streitkrüfte wäre ein Schnitt in das eigne Fleisch, und die Heilung würde, wenn sie überhaupt noch stattfinden könnte, Kurkosten erfordern, gegen die die gegenwärtigen Ausgaben Die an die Höhen gebauten Häuser zeigen nach vorn oft zwei oder drei Etagen mehr als rückwärts z so steil sind die Hänge. Es macht einen eignen Eindruck, wenn man in den engen Güssen wandert und durch die offnen Hauseingange in das tief unten spiegelnde Meer blickt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/31>, abgerufen am 28.09.2024.