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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Der Bernstein als ötoff für das Kunstgewerbe

Öfters kommen Armenier nach Königsberg und bringen seidne, gold-
durchwirkte Teppiche, die ihnen mit Bernstein bezahlt werden; 1545 z. B.
werden für vier solche Teppiche im Werte von 4860 Mark neun Tonnen
Bernstein gegeben; es muß sich nach diesen Zahlen um Prachtstücke gehandelt
haben. Im Jahre 1652 macht der Große Kurfürst Ihrer Römischen Kaiser¬
lichen Majestät einen schönen Bernsteinkasten zum Geschenk, der auf 2925 Mark
geschätzt wird; öfters gehen auch solche Geschenke an die russischen Zaren nach
Moskau (z. B. 1658, 1675 ein Kronleuchter und zwei Leuchter in Silber
gefaßt). Einiges davon hat sich noch in den dortigen Sammlungen, insbesondre
dem Waffenmuseum (Orusnöwgijg. ?s1g.es,) zu Moskau erhalten^) (Saal V,
Schrank 14, besonders fünf sehr zierliche Fruchtschalen).

Die Verwendung des Bernsteins wurde am Ende des siebzehnten Jahr¬
hunderts noch viel mannigfaltiger; es werden in den Rechnungen außer den
schon mehrfach angeführten Gegenständen Lehnstühle, Schabracken und Pistolen¬
halfter aus Bernstein oder wohl vielmehr damit verziert genannt. Im Jahre
1681 geht ein sehr kostbarer Spiegel im Preise von 8250 Mark als Geschenk
des Großen Kurfürsten an den König von Frankreich. Keyßler sah auf seinen
Reisen am Anfange des achtzehnten Jahrhunderts in Florenz einen großen
Kronleuchter aus Bernstein mit vielen Armen, ein Geschenk des Kurfürsten
von Brandenburg.^) Ein besonders großes, kumstfarbiges,^) bei Danzig ge-
fuudnes Stück wurde von einem Danziger Meister zu einer mythologischen
Gruppe, Diana und Aktäon, verarbeitet und nach England verkauft. Es
maß 19, 11 und 9 Zoll. Auch in Memel finden wir um diese Zeit (1680)
einen kunstverständigen Bernsteinarbeiter, Namens Wartau, der für den Hof
eine bernsteinerne mit Gold beschlagne Muschel und eine Schale geliefert hat.

Den höchsten Ruhm in Bernsteiuarbeiten genoß um das Ende des sieb¬
zehnten und in den ersten Jahrzehnten des achtzehnten Jahrhunderts der in
Königsberg ans der Lastadie wohnhafte "Jnventierer" (wie sich die geschickter",
selbständig arbeitenden Meister zum Unterschiede von den gewöhnliche Dreh¬
ware liefernden Bernsteinarbeitern nannten) Christian Porschin. Er brachte
zuerst (1691) Brennspiegel und Brillengläser ans Bernstein, später auch
Prismen zustande, die in der Sonne in den Negenbogenfarben spielten. Seine
Brenngläser verfertigte er bis zu der Größe eines Speziesthalers. Er hatte
die von ihm geheim gehaltne Kunst, dem Bernstein Durchsichtigkeit zu ver¬
leihen. Der von seinen Zeitgenossen bewunderte Mann lebte noch im Jahre
1732. Auch im Binnenlande wurden zuweilen, wenn auch seltner, kunstvolle
Bernsteiuarbeiten gefertigt. So arbeitete der Bildhauer und Edelsteinschneider





Abgebildet in Opi" NosKovÄmf orusiisinoi xalÄty. Tafel 163 Leuchter, Tafel 164
Pokal, Deckelkrüge, Henkelkanne, Schale, Deckelschale.
-) Keyßler, Neueste Reisen, Hannover, 1761.
Die Snuerkrautfnrbe des Bernsteins wurde vielfach besonders geschätzt.
Der Bernstein als ötoff für das Kunstgewerbe

Öfters kommen Armenier nach Königsberg und bringen seidne, gold-
durchwirkte Teppiche, die ihnen mit Bernstein bezahlt werden; 1545 z. B.
werden für vier solche Teppiche im Werte von 4860 Mark neun Tonnen
Bernstein gegeben; es muß sich nach diesen Zahlen um Prachtstücke gehandelt
haben. Im Jahre 1652 macht der Große Kurfürst Ihrer Römischen Kaiser¬
lichen Majestät einen schönen Bernsteinkasten zum Geschenk, der auf 2925 Mark
geschätzt wird; öfters gehen auch solche Geschenke an die russischen Zaren nach
Moskau (z. B. 1658, 1675 ein Kronleuchter und zwei Leuchter in Silber
gefaßt). Einiges davon hat sich noch in den dortigen Sammlungen, insbesondre
dem Waffenmuseum (Orusnöwgijg. ?s1g.es,) zu Moskau erhalten^) (Saal V,
Schrank 14, besonders fünf sehr zierliche Fruchtschalen).

Die Verwendung des Bernsteins wurde am Ende des siebzehnten Jahr¬
hunderts noch viel mannigfaltiger; es werden in den Rechnungen außer den
schon mehrfach angeführten Gegenständen Lehnstühle, Schabracken und Pistolen¬
halfter aus Bernstein oder wohl vielmehr damit verziert genannt. Im Jahre
1681 geht ein sehr kostbarer Spiegel im Preise von 8250 Mark als Geschenk
des Großen Kurfürsten an den König von Frankreich. Keyßler sah auf seinen
Reisen am Anfange des achtzehnten Jahrhunderts in Florenz einen großen
Kronleuchter aus Bernstein mit vielen Armen, ein Geschenk des Kurfürsten
von Brandenburg.^) Ein besonders großes, kumstfarbiges,^) bei Danzig ge-
fuudnes Stück wurde von einem Danziger Meister zu einer mythologischen
Gruppe, Diana und Aktäon, verarbeitet und nach England verkauft. Es
maß 19, 11 und 9 Zoll. Auch in Memel finden wir um diese Zeit (1680)
einen kunstverständigen Bernsteinarbeiter, Namens Wartau, der für den Hof
eine bernsteinerne mit Gold beschlagne Muschel und eine Schale geliefert hat.

Den höchsten Ruhm in Bernsteiuarbeiten genoß um das Ende des sieb¬
zehnten und in den ersten Jahrzehnten des achtzehnten Jahrhunderts der in
Königsberg ans der Lastadie wohnhafte „Jnventierer" (wie sich die geschickter»,
selbständig arbeitenden Meister zum Unterschiede von den gewöhnliche Dreh¬
ware liefernden Bernsteinarbeitern nannten) Christian Porschin. Er brachte
zuerst (1691) Brennspiegel und Brillengläser ans Bernstein, später auch
Prismen zustande, die in der Sonne in den Negenbogenfarben spielten. Seine
Brenngläser verfertigte er bis zu der Größe eines Speziesthalers. Er hatte
die von ihm geheim gehaltne Kunst, dem Bernstein Durchsichtigkeit zu ver¬
leihen. Der von seinen Zeitgenossen bewunderte Mann lebte noch im Jahre
1732. Auch im Binnenlande wurden zuweilen, wenn auch seltner, kunstvolle
Bernsteiuarbeiten gefertigt. So arbeitete der Bildhauer und Edelsteinschneider





Abgebildet in Opi» NosKovÄmf orusiisinoi xalÄty. Tafel 163 Leuchter, Tafel 164
Pokal, Deckelkrüge, Henkelkanne, Schale, Deckelschale.
-) Keyßler, Neueste Reisen, Hannover, 1761.
Die Snuerkrautfnrbe des Bernsteins wurde vielfach besonders geschätzt.
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[0300] Der Bernstein als ötoff für das Kunstgewerbe Öfters kommen Armenier nach Königsberg und bringen seidne, gold- durchwirkte Teppiche, die ihnen mit Bernstein bezahlt werden; 1545 z. B. werden für vier solche Teppiche im Werte von 4860 Mark neun Tonnen Bernstein gegeben; es muß sich nach diesen Zahlen um Prachtstücke gehandelt haben. Im Jahre 1652 macht der Große Kurfürst Ihrer Römischen Kaiser¬ lichen Majestät einen schönen Bernsteinkasten zum Geschenk, der auf 2925 Mark geschätzt wird; öfters gehen auch solche Geschenke an die russischen Zaren nach Moskau (z. B. 1658, 1675 ein Kronleuchter und zwei Leuchter in Silber gefaßt). Einiges davon hat sich noch in den dortigen Sammlungen, insbesondre dem Waffenmuseum (Orusnöwgijg. ?s1g.es,) zu Moskau erhalten^) (Saal V, Schrank 14, besonders fünf sehr zierliche Fruchtschalen). Die Verwendung des Bernsteins wurde am Ende des siebzehnten Jahr¬ hunderts noch viel mannigfaltiger; es werden in den Rechnungen außer den schon mehrfach angeführten Gegenständen Lehnstühle, Schabracken und Pistolen¬ halfter aus Bernstein oder wohl vielmehr damit verziert genannt. Im Jahre 1681 geht ein sehr kostbarer Spiegel im Preise von 8250 Mark als Geschenk des Großen Kurfürsten an den König von Frankreich. Keyßler sah auf seinen Reisen am Anfange des achtzehnten Jahrhunderts in Florenz einen großen Kronleuchter aus Bernstein mit vielen Armen, ein Geschenk des Kurfürsten von Brandenburg.^) Ein besonders großes, kumstfarbiges,^) bei Danzig ge- fuudnes Stück wurde von einem Danziger Meister zu einer mythologischen Gruppe, Diana und Aktäon, verarbeitet und nach England verkauft. Es maß 19, 11 und 9 Zoll. Auch in Memel finden wir um diese Zeit (1680) einen kunstverständigen Bernsteinarbeiter, Namens Wartau, der für den Hof eine bernsteinerne mit Gold beschlagne Muschel und eine Schale geliefert hat. Den höchsten Ruhm in Bernsteiuarbeiten genoß um das Ende des sieb¬ zehnten und in den ersten Jahrzehnten des achtzehnten Jahrhunderts der in Königsberg ans der Lastadie wohnhafte „Jnventierer" (wie sich die geschickter», selbständig arbeitenden Meister zum Unterschiede von den gewöhnliche Dreh¬ ware liefernden Bernsteinarbeitern nannten) Christian Porschin. Er brachte zuerst (1691) Brennspiegel und Brillengläser ans Bernstein, später auch Prismen zustande, die in der Sonne in den Negenbogenfarben spielten. Seine Brenngläser verfertigte er bis zu der Größe eines Speziesthalers. Er hatte die von ihm geheim gehaltne Kunst, dem Bernstein Durchsichtigkeit zu ver¬ leihen. Der von seinen Zeitgenossen bewunderte Mann lebte noch im Jahre 1732. Auch im Binnenlande wurden zuweilen, wenn auch seltner, kunstvolle Bernsteiuarbeiten gefertigt. So arbeitete der Bildhauer und Edelsteinschneider Abgebildet in Opi» NosKovÄmf orusiisinoi xalÄty. Tafel 163 Leuchter, Tafel 164 Pokal, Deckelkrüge, Henkelkanne, Schale, Deckelschale. -) Keyßler, Neueste Reisen, Hannover, 1761. Die Snuerkrautfnrbe des Bernsteins wurde vielfach besonders geschätzt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/300>, abgerufen am 28.09.2024.