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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Rassen und Kriege

bricht, wenn amerikanische oder englische Matrosen eine anstrengende oder gefahr¬
volle Arbeit zu verrichten haben, dann das fanatische Nationalgefühl, das jeder
Schuhputzer oder Cowboy mit der Geburt schon auf die Welt bringt, so ist
damit ein wichtiges Bindemittel rassenpsychologischer Natur gegeben, das im
Kriege seine erhöhte Bedeutung gewinnt."

Solche Beobachtungen wurden für mich maßgebend für die Einschätzung
des Gefechtswerts der amerikanischen Marine. Nicht, daß unsre einen Ver¬
gleich zu scheuen brauchte. Ebenso tüchtig an physischem Material, ist sie der
englischen und amerikanischen noch überlegen an geistigen und moralischen
Kräften. Im Kriegsfall kann und wird sie es heute schon mit einer feindlichen
Übermacht aufnehmen. Wie manche unsrer Offiziere und stämmigen Blaujacken
warten mit Ungeduld auf eine Gelegenheit, ihre zurückgehaltene, im eisernen
Pflichtgefühl gestählte Überkraft einmal ordentlich auszulassen. Jedesmal, wenn
ich die Kieler Föhrde vor mir liegen sehe, überkommt mich der Gedanke: wie
viel konzentrierte Spannkraft ist hier aufgespeichert in diesem kleinen Hafen!

' Das Wesen der Disziplin liegt der deutschen und angelsächsischen Nasse
im Blut. Der deutsche Soldat von besserer Intelligenz ist stramm von Natur.
Nicht auf sklavischer Furcht und gedankenlos-mechanischer Unterwürfigkeit ist
das Verhältnis zwischen unseru Offizieren und Mannschaften ausgebaut, sondern
auf strenger Pflichterfüllung und Gerechtigkeit. Bei aller "Strammheit" ist das
Band der Treue und Aufopferungsfähigkeit gegenseitig geknüpft. In Schlachten¬
not und Gefahr tritt der Soldat für seineu Offizier und der Offizier für seine
Leute ein. Darum gehorcht der Soldat gern und vertraut sich seinem Führer
an. Das ist die echte Mannszucht, die von innen heraus wächst, und die
instinktiv die strenge Einordnung in die Vorschriften und Rangstufen unsrer
Heeresmaschine als das Symbol der Zusammengehörigkeit empfindet, als den
formalen Ausdruck für den lebendigen Willen des Ganzen. Wäre das nicht,
so könnte keine menschliche Gewalt eine wahre Mannszucht, die im Augenblick
der Entscheidung stichhalten soll, in ein freies und selbständiges Volk hineiu-
bleuen. Sie muß in der Stammesart wurzeln, im Pflichtbewußtsein und im
Korpsgeist. Dann wird sie zu einer seelischen Macht im Kriege, die bei guter
Führung eine Übermacht an Roß und Reiter, Kanonen und Pulver aufwiegt.
Die echte Disziplin soll das Rohe im Soldatenberuf unterdrücken und an
Stelle des Raufbolds den Helden im Krieger entwickeln. Mannszucht hat den
Zweck, wie ihr Name anzeigt: Männer zu züchten. Es giebt in der deutschen
Sprache wenig Wörter, die das Wesen einer seelischen Kraft klarer und kürzer
bezeichneten, als dieses. - ^

Folgende Stelle aus einem Werke John Ruskins drückt das Wesen der
Disziplin in klaren Worten aus: "Der Offizier, der die engten Beziehungen
zu seinen Leuten hat, ihre Interessen und ihr Leben am höchsten einschätzt,
wird dnrch ihre Hingebung an seine Person und durch das Vertrauen auf


Grenzboten et 18M 30
Rassen und Kriege

bricht, wenn amerikanische oder englische Matrosen eine anstrengende oder gefahr¬
volle Arbeit zu verrichten haben, dann das fanatische Nationalgefühl, das jeder
Schuhputzer oder Cowboy mit der Geburt schon auf die Welt bringt, so ist
damit ein wichtiges Bindemittel rassenpsychologischer Natur gegeben, das im
Kriege seine erhöhte Bedeutung gewinnt."

Solche Beobachtungen wurden für mich maßgebend für die Einschätzung
des Gefechtswerts der amerikanischen Marine. Nicht, daß unsre einen Ver¬
gleich zu scheuen brauchte. Ebenso tüchtig an physischem Material, ist sie der
englischen und amerikanischen noch überlegen an geistigen und moralischen
Kräften. Im Kriegsfall kann und wird sie es heute schon mit einer feindlichen
Übermacht aufnehmen. Wie manche unsrer Offiziere und stämmigen Blaujacken
warten mit Ungeduld auf eine Gelegenheit, ihre zurückgehaltene, im eisernen
Pflichtgefühl gestählte Überkraft einmal ordentlich auszulassen. Jedesmal, wenn
ich die Kieler Föhrde vor mir liegen sehe, überkommt mich der Gedanke: wie
viel konzentrierte Spannkraft ist hier aufgespeichert in diesem kleinen Hafen!

' Das Wesen der Disziplin liegt der deutschen und angelsächsischen Nasse
im Blut. Der deutsche Soldat von besserer Intelligenz ist stramm von Natur.
Nicht auf sklavischer Furcht und gedankenlos-mechanischer Unterwürfigkeit ist
das Verhältnis zwischen unseru Offizieren und Mannschaften ausgebaut, sondern
auf strenger Pflichterfüllung und Gerechtigkeit. Bei aller „Strammheit" ist das
Band der Treue und Aufopferungsfähigkeit gegenseitig geknüpft. In Schlachten¬
not und Gefahr tritt der Soldat für seineu Offizier und der Offizier für seine
Leute ein. Darum gehorcht der Soldat gern und vertraut sich seinem Führer
an. Das ist die echte Mannszucht, die von innen heraus wächst, und die
instinktiv die strenge Einordnung in die Vorschriften und Rangstufen unsrer
Heeresmaschine als das Symbol der Zusammengehörigkeit empfindet, als den
formalen Ausdruck für den lebendigen Willen des Ganzen. Wäre das nicht,
so könnte keine menschliche Gewalt eine wahre Mannszucht, die im Augenblick
der Entscheidung stichhalten soll, in ein freies und selbständiges Volk hineiu-
bleuen. Sie muß in der Stammesart wurzeln, im Pflichtbewußtsein und im
Korpsgeist. Dann wird sie zu einer seelischen Macht im Kriege, die bei guter
Führung eine Übermacht an Roß und Reiter, Kanonen und Pulver aufwiegt.
Die echte Disziplin soll das Rohe im Soldatenberuf unterdrücken und an
Stelle des Raufbolds den Helden im Krieger entwickeln. Mannszucht hat den
Zweck, wie ihr Name anzeigt: Männer zu züchten. Es giebt in der deutschen
Sprache wenig Wörter, die das Wesen einer seelischen Kraft klarer und kürzer
bezeichneten, als dieses. - ^

Folgende Stelle aus einem Werke John Ruskins drückt das Wesen der
Disziplin in klaren Worten aus: „Der Offizier, der die engten Beziehungen
zu seinen Leuten hat, ihre Interessen und ihr Leben am höchsten einschätzt,
wird dnrch ihre Hingebung an seine Person und durch das Vertrauen auf


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[0241] Rassen und Kriege bricht, wenn amerikanische oder englische Matrosen eine anstrengende oder gefahr¬ volle Arbeit zu verrichten haben, dann das fanatische Nationalgefühl, das jeder Schuhputzer oder Cowboy mit der Geburt schon auf die Welt bringt, so ist damit ein wichtiges Bindemittel rassenpsychologischer Natur gegeben, das im Kriege seine erhöhte Bedeutung gewinnt." Solche Beobachtungen wurden für mich maßgebend für die Einschätzung des Gefechtswerts der amerikanischen Marine. Nicht, daß unsre einen Ver¬ gleich zu scheuen brauchte. Ebenso tüchtig an physischem Material, ist sie der englischen und amerikanischen noch überlegen an geistigen und moralischen Kräften. Im Kriegsfall kann und wird sie es heute schon mit einer feindlichen Übermacht aufnehmen. Wie manche unsrer Offiziere und stämmigen Blaujacken warten mit Ungeduld auf eine Gelegenheit, ihre zurückgehaltene, im eisernen Pflichtgefühl gestählte Überkraft einmal ordentlich auszulassen. Jedesmal, wenn ich die Kieler Föhrde vor mir liegen sehe, überkommt mich der Gedanke: wie viel konzentrierte Spannkraft ist hier aufgespeichert in diesem kleinen Hafen! ' Das Wesen der Disziplin liegt der deutschen und angelsächsischen Nasse im Blut. Der deutsche Soldat von besserer Intelligenz ist stramm von Natur. Nicht auf sklavischer Furcht und gedankenlos-mechanischer Unterwürfigkeit ist das Verhältnis zwischen unseru Offizieren und Mannschaften ausgebaut, sondern auf strenger Pflichterfüllung und Gerechtigkeit. Bei aller „Strammheit" ist das Band der Treue und Aufopferungsfähigkeit gegenseitig geknüpft. In Schlachten¬ not und Gefahr tritt der Soldat für seineu Offizier und der Offizier für seine Leute ein. Darum gehorcht der Soldat gern und vertraut sich seinem Führer an. Das ist die echte Mannszucht, die von innen heraus wächst, und die instinktiv die strenge Einordnung in die Vorschriften und Rangstufen unsrer Heeresmaschine als das Symbol der Zusammengehörigkeit empfindet, als den formalen Ausdruck für den lebendigen Willen des Ganzen. Wäre das nicht, so könnte keine menschliche Gewalt eine wahre Mannszucht, die im Augenblick der Entscheidung stichhalten soll, in ein freies und selbständiges Volk hineiu- bleuen. Sie muß in der Stammesart wurzeln, im Pflichtbewußtsein und im Korpsgeist. Dann wird sie zu einer seelischen Macht im Kriege, die bei guter Führung eine Übermacht an Roß und Reiter, Kanonen und Pulver aufwiegt. Die echte Disziplin soll das Rohe im Soldatenberuf unterdrücken und an Stelle des Raufbolds den Helden im Krieger entwickeln. Mannszucht hat den Zweck, wie ihr Name anzeigt: Männer zu züchten. Es giebt in der deutschen Sprache wenig Wörter, die das Wesen einer seelischen Kraft klarer und kürzer bezeichneten, als dieses. - ^ Folgende Stelle aus einem Werke John Ruskins drückt das Wesen der Disziplin in klaren Worten aus: „Der Offizier, der die engten Beziehungen zu seinen Leuten hat, ihre Interessen und ihr Leben am höchsten einschätzt, wird dnrch ihre Hingebung an seine Person und durch das Vertrauen auf Grenzboten et 18M 30

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/241>, abgerufen am 28.09.2024.