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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Rassen und Kriege

Entkommen trotzdem noch vereitelt hätte, viel schlechter hätte es ihm nicht
gehn können als bei der kläglichen Hetzjagd an der Küste entlang, wo ein
Panzer nach dem andern ruhmlos zu Grunde ging und auf den Strand gesetzt
wurde, während die Schiffbrüchigen von den kubanischen Räuberbanden oben¬
drein noch mit Flintenschüssen empfangen wurden, bis Kapitän Evans Ameri¬
kaner landen ließ, um diese befreiten Freiheitshelden zu vertreiben.

Der zweite, für Cervera viel günstigere Fall wäre gewesen, wenn er den
Feind in der Bai von Santiago erwartet hätte. Die Einfahrt ist so schmal,
daß sie die gleichzeitige Durchfahrt mehrerer Schiffe nicht zuläßt. Außerdem
lagen noch Reste des Merrimcic da, den Leutnant Hvbson versenkt hatte, ein
Manöver, das so viel bewundert wurde, aber selbst wenn es geglückt wäre, doch
von zweifelhaftem Wert für die Amerikaner gewesen wäre, da es ihnen ebenso
die Einfahrt, wie den Spaniern die Ausfahrt versperren mußte. Über den
Geniestreich läßt sich zum mindesten diskutieren. Undiskutierbar aber bleibt
die Art, wie der "Held des Merrimac" (wie schnell doch in Ländern, wo man
lange keinen Krieg gehabt hat. Helden gemacht werden!) von den verrückten
Amerikanerinnen öffentlich abgeküßt worden ist. Da die dortigen Blätter selbst
kein Hehl aus der Abgeschmacktheit machen, muß man sie glauben. -- Die
Einfahrt Sampsons wäre nicht ohne beträchtliche Opfer für die Amerikaner
möglich gewesen, denn erstens hätten die Spanier mit derselben Todesverach¬
tung gekämpft, wie bei Cavite, diesmal aber in ebenbürtigen Schiffen, zweitens
konnten die trotz der wochenlangen Beschießungen immer noch nicht zum
Schweigen gebrachten Hafenbatterien (Fort Morro und Socopa) aus nächster
Nähe die wirksamste Unterstützung geben. Die Zielsicherheit der Amerikaner
hätte bei einem so verwegnen Nahkampf, der das Zielen überflüssig macht,
nicht ein solches Übergewicht gehabt wie auf offner See, wo sie beliebig
Distanz nehmen konnten und ein Schiff Cerveras nach dem andern in Brand
schössen, während "alle amerikanischen Schiffe zusammen einen einzigen Toten"
hatten.

Was Cervera that, war also auch keineswegs ein Heldenstück -- persön¬
lichen Mut hat man ihm ja ohnedies zugetraut --, sondern gerade heraus¬
gesagt: spanische Kopflosigkeit allerechtester Art. Es ist geradezu lächerlich,
wenn man liest, wie die sensationsbedürftigen Acinkees den gefangnen Admiral
mit ostentativer Gastfreundschaft öffentlich gefeiert haben. Sie wußten wohl,
warum; ihr leichter Sieg bedürfte eines künstlichen Reflektors, um größer zu
erscheinen. Dazu war ihnen der gefangne Seeheld eben recht. Das ist auch
ein Stückchen "Kriegspsychologie."

Was würde ein deutscher, englischer oder amerikanischer Admiral zu er¬
warten haben, wenn er wie Cervera gehandelt hätte? Unfehlbar das Kriegs¬
gericht. Eine derartige Möglichkeit bei einem Kommandanten unsrer Marine
oder einem Angelsachsen überhaupt nur vorauszusetzen, erscheint schon aus raffen-


Rassen und Kriege

Entkommen trotzdem noch vereitelt hätte, viel schlechter hätte es ihm nicht
gehn können als bei der kläglichen Hetzjagd an der Küste entlang, wo ein
Panzer nach dem andern ruhmlos zu Grunde ging und auf den Strand gesetzt
wurde, während die Schiffbrüchigen von den kubanischen Räuberbanden oben¬
drein noch mit Flintenschüssen empfangen wurden, bis Kapitän Evans Ameri¬
kaner landen ließ, um diese befreiten Freiheitshelden zu vertreiben.

Der zweite, für Cervera viel günstigere Fall wäre gewesen, wenn er den
Feind in der Bai von Santiago erwartet hätte. Die Einfahrt ist so schmal,
daß sie die gleichzeitige Durchfahrt mehrerer Schiffe nicht zuläßt. Außerdem
lagen noch Reste des Merrimcic da, den Leutnant Hvbson versenkt hatte, ein
Manöver, das so viel bewundert wurde, aber selbst wenn es geglückt wäre, doch
von zweifelhaftem Wert für die Amerikaner gewesen wäre, da es ihnen ebenso
die Einfahrt, wie den Spaniern die Ausfahrt versperren mußte. Über den
Geniestreich läßt sich zum mindesten diskutieren. Undiskutierbar aber bleibt
die Art, wie der „Held des Merrimac" (wie schnell doch in Ländern, wo man
lange keinen Krieg gehabt hat. Helden gemacht werden!) von den verrückten
Amerikanerinnen öffentlich abgeküßt worden ist. Da die dortigen Blätter selbst
kein Hehl aus der Abgeschmacktheit machen, muß man sie glauben. — Die
Einfahrt Sampsons wäre nicht ohne beträchtliche Opfer für die Amerikaner
möglich gewesen, denn erstens hätten die Spanier mit derselben Todesverach¬
tung gekämpft, wie bei Cavite, diesmal aber in ebenbürtigen Schiffen, zweitens
konnten die trotz der wochenlangen Beschießungen immer noch nicht zum
Schweigen gebrachten Hafenbatterien (Fort Morro und Socopa) aus nächster
Nähe die wirksamste Unterstützung geben. Die Zielsicherheit der Amerikaner
hätte bei einem so verwegnen Nahkampf, der das Zielen überflüssig macht,
nicht ein solches Übergewicht gehabt wie auf offner See, wo sie beliebig
Distanz nehmen konnten und ein Schiff Cerveras nach dem andern in Brand
schössen, während „alle amerikanischen Schiffe zusammen einen einzigen Toten"
hatten.

Was Cervera that, war also auch keineswegs ein Heldenstück — persön¬
lichen Mut hat man ihm ja ohnedies zugetraut —, sondern gerade heraus¬
gesagt: spanische Kopflosigkeit allerechtester Art. Es ist geradezu lächerlich,
wenn man liest, wie die sensationsbedürftigen Acinkees den gefangnen Admiral
mit ostentativer Gastfreundschaft öffentlich gefeiert haben. Sie wußten wohl,
warum; ihr leichter Sieg bedürfte eines künstlichen Reflektors, um größer zu
erscheinen. Dazu war ihnen der gefangne Seeheld eben recht. Das ist auch
ein Stückchen „Kriegspsychologie."

Was würde ein deutscher, englischer oder amerikanischer Admiral zu er¬
warten haben, wenn er wie Cervera gehandelt hätte? Unfehlbar das Kriegs¬
gericht. Eine derartige Möglichkeit bei einem Kommandanten unsrer Marine
oder einem Angelsachsen überhaupt nur vorauszusetzen, erscheint schon aus raffen-


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[0184] Rassen und Kriege Entkommen trotzdem noch vereitelt hätte, viel schlechter hätte es ihm nicht gehn können als bei der kläglichen Hetzjagd an der Küste entlang, wo ein Panzer nach dem andern ruhmlos zu Grunde ging und auf den Strand gesetzt wurde, während die Schiffbrüchigen von den kubanischen Räuberbanden oben¬ drein noch mit Flintenschüssen empfangen wurden, bis Kapitän Evans Ameri¬ kaner landen ließ, um diese befreiten Freiheitshelden zu vertreiben. Der zweite, für Cervera viel günstigere Fall wäre gewesen, wenn er den Feind in der Bai von Santiago erwartet hätte. Die Einfahrt ist so schmal, daß sie die gleichzeitige Durchfahrt mehrerer Schiffe nicht zuläßt. Außerdem lagen noch Reste des Merrimcic da, den Leutnant Hvbson versenkt hatte, ein Manöver, das so viel bewundert wurde, aber selbst wenn es geglückt wäre, doch von zweifelhaftem Wert für die Amerikaner gewesen wäre, da es ihnen ebenso die Einfahrt, wie den Spaniern die Ausfahrt versperren mußte. Über den Geniestreich läßt sich zum mindesten diskutieren. Undiskutierbar aber bleibt die Art, wie der „Held des Merrimac" (wie schnell doch in Ländern, wo man lange keinen Krieg gehabt hat. Helden gemacht werden!) von den verrückten Amerikanerinnen öffentlich abgeküßt worden ist. Da die dortigen Blätter selbst kein Hehl aus der Abgeschmacktheit machen, muß man sie glauben. — Die Einfahrt Sampsons wäre nicht ohne beträchtliche Opfer für die Amerikaner möglich gewesen, denn erstens hätten die Spanier mit derselben Todesverach¬ tung gekämpft, wie bei Cavite, diesmal aber in ebenbürtigen Schiffen, zweitens konnten die trotz der wochenlangen Beschießungen immer noch nicht zum Schweigen gebrachten Hafenbatterien (Fort Morro und Socopa) aus nächster Nähe die wirksamste Unterstützung geben. Die Zielsicherheit der Amerikaner hätte bei einem so verwegnen Nahkampf, der das Zielen überflüssig macht, nicht ein solches Übergewicht gehabt wie auf offner See, wo sie beliebig Distanz nehmen konnten und ein Schiff Cerveras nach dem andern in Brand schössen, während „alle amerikanischen Schiffe zusammen einen einzigen Toten" hatten. Was Cervera that, war also auch keineswegs ein Heldenstück — persön¬ lichen Mut hat man ihm ja ohnedies zugetraut —, sondern gerade heraus¬ gesagt: spanische Kopflosigkeit allerechtester Art. Es ist geradezu lächerlich, wenn man liest, wie die sensationsbedürftigen Acinkees den gefangnen Admiral mit ostentativer Gastfreundschaft öffentlich gefeiert haben. Sie wußten wohl, warum; ihr leichter Sieg bedürfte eines künstlichen Reflektors, um größer zu erscheinen. Dazu war ihnen der gefangne Seeheld eben recht. Das ist auch ein Stückchen „Kriegspsychologie." Was würde ein deutscher, englischer oder amerikanischer Admiral zu er¬ warten haben, wenn er wie Cervera gehandelt hätte? Unfehlbar das Kriegs¬ gericht. Eine derartige Möglichkeit bei einem Kommandanten unsrer Marine oder einem Angelsachsen überhaupt nur vorauszusetzen, erscheint schon aus raffen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/184>, abgerufen am 20.10.2024.