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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

zuverlässig gelten. Die neuste Veröffentlichung (in Ur. 850 von l. April) umfaßt
den Zeitraum von 1883 bis 1893 und giebt unter Berücksichtigung der Zwangs¬
versteigerungen städtischer Grundstücke in der Hauptsache folgende Zahlen:



Zum Verständnis dieser Zahlen ist von vornherein darauf aufmerksam zu
machen, daß als "ländliche" Zwangsversteigerungen nicht nur "landwirtschaftliche"
gezahlt sind, sondern alle Zwangsversteigerungen von Grundstücken in Land¬
gemeinden, also auch die von Fabriken, Hütten, Gruben und dergleichen auf dem
Lande, sowie von Villen und Mietkasernen in sogenannten Vororten von Gro߬
städten und von Wohn-, Gast- und Logierhäusern in nichtstädtischen Badeorten usw.
Diese nichtlandwirtschaftlichen Besitzungen auf dem Lande zeichnen sich natürlich
durch einen besonders hohen Gebändesteuerunhungswert bei einer verhältnismäßig
kleinen Fläche und einem niedrigern Grnndstenerreinertrage aus, und mau wird die
auffallende Steigerung der Geböudesteuermchungswerte bei den ländlichen Zwangs¬
versteigerungen in der ersten Hälfte der neunziger Jahre Wohl fast ganz auf ihren
Anteil daran zurückzuführen haben. Die ihren Wert begründenden Anlagen und
Bauten sind ganz ebenso wie die städtischen in neuster Zeit sehr viel größer und
kostspieliger als früher, häufig wohl auch auf etwas gewagte Spekulationen hin,
ausgeführt worden, sodnß -- selbst von der Wertstcigernng des Grund und Bodens
in solchen ländlichen Vor-, Fabrik- und Badeorten ganz abgesehen -- die Zunahme
des Gebäudesteuernutzungswerts überhaupt bis 1896 erklärlich wird. Allerdings
wird mau die Zahlen der städtischen Zwangsversteigerung und die ihnen parallel
laufenden des Gebttudesteueruutzungswerts bei den ländlichen als Shmptome un¬
gesunder, zum Teil schwindelhafter Verhältnisse anzusehen haben, und es wäre sehr
zu wünschen, daß sich der Rückgang der Zahlen seit 1896 weiter fortsetzte. Mit
dem landwirtschaftlichen Besitz und der landwirtschaftlichen Krisis haben diese bis
1896 ungünstigen Zahlen aber nicht das geringste zu thun.

Um so mehr fällt für die Beurteilung des Verlaufs der Agrarkrise günstig
ins Gewicht, daß die versteigerte Fläche von 123 579 Hektar im Jahre 1888 auf
59 667 Hektar im Jahre 1898, also unter die Hälfte zurückgegangen ist, und der
Grundsteuerreinertrag von 1 087 991 Mark ans 644152 Mark abgenommen hat.
Die Abnahme der Fülle ist schon in Rücksicht auf deu Anteil der nichtlandwirt-
schaftlichen verhältnismäßig geringer. Bon besondrer Bedeutung ist es dabei, daß


Maßgebliches und Unmaßgebliches

zuverlässig gelten. Die neuste Veröffentlichung (in Ur. 850 von l. April) umfaßt
den Zeitraum von 1883 bis 1893 und giebt unter Berücksichtigung der Zwangs¬
versteigerungen städtischer Grundstücke in der Hauptsache folgende Zahlen:



Zum Verständnis dieser Zahlen ist von vornherein darauf aufmerksam zu
machen, daß als „ländliche" Zwangsversteigerungen nicht nur „landwirtschaftliche"
gezahlt sind, sondern alle Zwangsversteigerungen von Grundstücken in Land¬
gemeinden, also auch die von Fabriken, Hütten, Gruben und dergleichen auf dem
Lande, sowie von Villen und Mietkasernen in sogenannten Vororten von Gro߬
städten und von Wohn-, Gast- und Logierhäusern in nichtstädtischen Badeorten usw.
Diese nichtlandwirtschaftlichen Besitzungen auf dem Lande zeichnen sich natürlich
durch einen besonders hohen Gebändesteuerunhungswert bei einer verhältnismäßig
kleinen Fläche und einem niedrigern Grnndstenerreinertrage aus, und mau wird die
auffallende Steigerung der Geböudesteuermchungswerte bei den ländlichen Zwangs¬
versteigerungen in der ersten Hälfte der neunziger Jahre Wohl fast ganz auf ihren
Anteil daran zurückzuführen haben. Die ihren Wert begründenden Anlagen und
Bauten sind ganz ebenso wie die städtischen in neuster Zeit sehr viel größer und
kostspieliger als früher, häufig wohl auch auf etwas gewagte Spekulationen hin,
ausgeführt worden, sodnß — selbst von der Wertstcigernng des Grund und Bodens
in solchen ländlichen Vor-, Fabrik- und Badeorten ganz abgesehen — die Zunahme
des Gebäudesteuernutzungswerts überhaupt bis 1896 erklärlich wird. Allerdings
wird mau die Zahlen der städtischen Zwangsversteigerung und die ihnen parallel
laufenden des Gebttudesteueruutzungswerts bei den ländlichen als Shmptome un¬
gesunder, zum Teil schwindelhafter Verhältnisse anzusehen haben, und es wäre sehr
zu wünschen, daß sich der Rückgang der Zahlen seit 1896 weiter fortsetzte. Mit
dem landwirtschaftlichen Besitz und der landwirtschaftlichen Krisis haben diese bis
1896 ungünstigen Zahlen aber nicht das geringste zu thun.

Um so mehr fällt für die Beurteilung des Verlaufs der Agrarkrise günstig
ins Gewicht, daß die versteigerte Fläche von 123 579 Hektar im Jahre 1888 auf
59 667 Hektar im Jahre 1898, also unter die Hälfte zurückgegangen ist, und der
Grundsteuerreinertrag von 1 087 991 Mark ans 644152 Mark abgenommen hat.
Die Abnahme der Fülle ist schon in Rücksicht auf deu Anteil der nichtlandwirt-
schaftlichen verhältnismäßig geringer. Bon besondrer Bedeutung ist es dabei, daß


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[0115] Maßgebliches und Unmaßgebliches zuverlässig gelten. Die neuste Veröffentlichung (in Ur. 850 von l. April) umfaßt den Zeitraum von 1883 bis 1893 und giebt unter Berücksichtigung der Zwangs¬ versteigerungen städtischer Grundstücke in der Hauptsache folgende Zahlen: Ländliche ZwangsversteigerungenStädtische Zwangsversteigerungen JahrZahlFläche imGrundsteuer- Reinertrag MnrkGebäudesteuer- Nutzungswcrt MnrkZahlGebnudesteuer- Nutzungswert Mark >«88 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 13986808 6387 5704 5481 6610 6428 6961 7208 6294 5961 5677128579 108 787 122 566 104403 108442 107402 98941 99128 95 790 65 585 596671 087 991 908581 916667 978092 954926 934597 862417 979692 768023 678 261 644152751394 711779 688799 786045 993972 1125882 1597 748 2162177 2 504309 2283543 18666982478 2781 2892 8106 4108 4553 5838 5296 4591 4179 88412049899 2628107 3212803 4912 923 6250631 8671840 8324199. 10 762876 9 729 374 8829124 7 787 725 Zum Verständnis dieser Zahlen ist von vornherein darauf aufmerksam zu machen, daß als „ländliche" Zwangsversteigerungen nicht nur „landwirtschaftliche" gezahlt sind, sondern alle Zwangsversteigerungen von Grundstücken in Land¬ gemeinden, also auch die von Fabriken, Hütten, Gruben und dergleichen auf dem Lande, sowie von Villen und Mietkasernen in sogenannten Vororten von Gro߬ städten und von Wohn-, Gast- und Logierhäusern in nichtstädtischen Badeorten usw. Diese nichtlandwirtschaftlichen Besitzungen auf dem Lande zeichnen sich natürlich durch einen besonders hohen Gebändesteuerunhungswert bei einer verhältnismäßig kleinen Fläche und einem niedrigern Grnndstenerreinertrage aus, und mau wird die auffallende Steigerung der Geböudesteuermchungswerte bei den ländlichen Zwangs¬ versteigerungen in der ersten Hälfte der neunziger Jahre Wohl fast ganz auf ihren Anteil daran zurückzuführen haben. Die ihren Wert begründenden Anlagen und Bauten sind ganz ebenso wie die städtischen in neuster Zeit sehr viel größer und kostspieliger als früher, häufig wohl auch auf etwas gewagte Spekulationen hin, ausgeführt worden, sodnß — selbst von der Wertstcigernng des Grund und Bodens in solchen ländlichen Vor-, Fabrik- und Badeorten ganz abgesehen — die Zunahme des Gebäudesteuernutzungswerts überhaupt bis 1896 erklärlich wird. Allerdings wird mau die Zahlen der städtischen Zwangsversteigerung und die ihnen parallel laufenden des Gebttudesteueruutzungswerts bei den ländlichen als Shmptome un¬ gesunder, zum Teil schwindelhafter Verhältnisse anzusehen haben, und es wäre sehr zu wünschen, daß sich der Rückgang der Zahlen seit 1896 weiter fortsetzte. Mit dem landwirtschaftlichen Besitz und der landwirtschaftlichen Krisis haben diese bis 1896 ungünstigen Zahlen aber nicht das geringste zu thun. Um so mehr fällt für die Beurteilung des Verlaufs der Agrarkrise günstig ins Gewicht, daß die versteigerte Fläche von 123 579 Hektar im Jahre 1888 auf 59 667 Hektar im Jahre 1898, also unter die Hälfte zurückgegangen ist, und der Grundsteuerreinertrag von 1 087 991 Mark ans 644152 Mark abgenommen hat. Die Abnahme der Fülle ist schon in Rücksicht auf deu Anteil der nichtlandwirt- schaftlichen verhältnismäßig geringer. Bon besondrer Bedeutung ist es dabei, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/115>, abgerufen am 28.09.2024.