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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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hat, Vorschriften, die das Familienhaupt der Gefahr aussetzen, der Brand-
schadensumme für die versicherte Habe seiner Frau und Kinder verlustig zu
gehn. Daher empfiehlt es sich, die Zulässtgkeit derartiger allgemeiner Be¬
dingungen auszuschließen und die Frage, inwieweit die Angabe der Eigentums¬
verhältnisse notwendig ist, der Entscheidung nach dem Grundsatz des allge¬
meinen Rechts zu überlassen. Dabei mag noch bemerkt werden, daß das
Preußische Landrecht, das in seiner bekannten redseligen Weise dem Versiche¬
rungsvertrag volle 424 Paragraphen widmet und hierbei alle dem Versiche¬
rungslustigen obliegenden Pflichten höchst genau aufzählt, diesem eine Angabe
über die Eigentumsverhältnisse der zu verhindernden Habe nicht aufbürdet.

Ein ähnlicher Mißstand ergiebt sich aus der Gepflogenheit der Gesell¬
schaften, die Räumlichkeiten zu bezeichnen, in denen sich versicherte Gegenstände
finden. Ist der Wagen, der gewöhnlich in einer abseits des Hofes gelegnen
Scheune steht, bei der Ausfüllung des Antragsformulars durch den Agenten
gerade in einem Stall und brennt später die Scheune, in die der Wagen
wieder zurückgebracht ist, ab, so erhält der Bauer für den in der Scheune
mitverbrannten Wagen keine Brandentschädignng, weil ein solcher Inhalt der
Scheune nicht unverhindert ist. Wünschenswert wäre daher eine gesetzliche
Vorschrift, daß die Veränderung des Lagcrorts innerhalb desselben Grundstücks
bedeutungslos ist, ferner aber, daß die versicherten Gegenstände anch außerhalb
des Grundstücks als versichert gelten, sofern die Veränderung des Lagerorts
veranlaßt ist durch den gewöhnlichen Gebrauch und die gewöhnliche Verfügung,
die dem Versicherten über seine Habe zusteht. Macht der Versicherte mit seinem
Pelz bekleidet auf seinem Fuhrwerk eine Ausfahrt und verbrennen diese Gegen¬
stände im Gasthaus oder im Nachbargrundstück, wo er einkehrt, so zahlt die
Gesellschaft nicht den Brandverlust, obwohl es doch selbstverständlich ist, daß
der Pelz und das Fuhrwerk gerade außerhalb des Grundstücks zur Verwendung
kommen, überhaupt, daß der Versicherte nicht an dem gewöhnlichen Gebrauch
seines Eigentums durch den Versicherungsvertrag gehindert sein soll. Obgleich
eine Verfügung der geschilderten gewöhnlichen Art (nur diese steht hier in
Frage) keinesfalls die von der Gesellschaft übernommne Gefahr vergrößert,
muß gegenwärtig der Versicherte auf Grund besondrer Verabredung an die
Gesellschaft eine höhere Vergütung zahlen, wenn er auch gegen derartige
Schäden gesichert sein will, deren Möglichkeit beide Teile von vornherein vor¬
hergesehen haben; man denke z. B. an den Fall, daß die Pferde nicht im Stall,
sondern auf der Sommerweide vom Blitz erschlagen werden.

5. Durch die "allgemeinen Bedingungen" sind überall die Fälle ausführlich
geregelt, wo wegen Verletzung der dem Versicherten obliegenden Verpflichtungen
die Ansprüche an die Gesellschaft erlöschen, so wenn er die Prämie (nach vor¬
heriger Aufforderung) nicht rechtzeitig zahlt, wenn er erlittnen Brandschäden
nicht sofort der Gesellschaft und der Polizei anzeigt, nicht binnen der be-


hat, Vorschriften, die das Familienhaupt der Gefahr aussetzen, der Brand-
schadensumme für die versicherte Habe seiner Frau und Kinder verlustig zu
gehn. Daher empfiehlt es sich, die Zulässtgkeit derartiger allgemeiner Be¬
dingungen auszuschließen und die Frage, inwieweit die Angabe der Eigentums¬
verhältnisse notwendig ist, der Entscheidung nach dem Grundsatz des allge¬
meinen Rechts zu überlassen. Dabei mag noch bemerkt werden, daß das
Preußische Landrecht, das in seiner bekannten redseligen Weise dem Versiche¬
rungsvertrag volle 424 Paragraphen widmet und hierbei alle dem Versiche¬
rungslustigen obliegenden Pflichten höchst genau aufzählt, diesem eine Angabe
über die Eigentumsverhältnisse der zu verhindernden Habe nicht aufbürdet.

Ein ähnlicher Mißstand ergiebt sich aus der Gepflogenheit der Gesell¬
schaften, die Räumlichkeiten zu bezeichnen, in denen sich versicherte Gegenstände
finden. Ist der Wagen, der gewöhnlich in einer abseits des Hofes gelegnen
Scheune steht, bei der Ausfüllung des Antragsformulars durch den Agenten
gerade in einem Stall und brennt später die Scheune, in die der Wagen
wieder zurückgebracht ist, ab, so erhält der Bauer für den in der Scheune
mitverbrannten Wagen keine Brandentschädignng, weil ein solcher Inhalt der
Scheune nicht unverhindert ist. Wünschenswert wäre daher eine gesetzliche
Vorschrift, daß die Veränderung des Lagcrorts innerhalb desselben Grundstücks
bedeutungslos ist, ferner aber, daß die versicherten Gegenstände anch außerhalb
des Grundstücks als versichert gelten, sofern die Veränderung des Lagerorts
veranlaßt ist durch den gewöhnlichen Gebrauch und die gewöhnliche Verfügung,
die dem Versicherten über seine Habe zusteht. Macht der Versicherte mit seinem
Pelz bekleidet auf seinem Fuhrwerk eine Ausfahrt und verbrennen diese Gegen¬
stände im Gasthaus oder im Nachbargrundstück, wo er einkehrt, so zahlt die
Gesellschaft nicht den Brandverlust, obwohl es doch selbstverständlich ist, daß
der Pelz und das Fuhrwerk gerade außerhalb des Grundstücks zur Verwendung
kommen, überhaupt, daß der Versicherte nicht an dem gewöhnlichen Gebrauch
seines Eigentums durch den Versicherungsvertrag gehindert sein soll. Obgleich
eine Verfügung der geschilderten gewöhnlichen Art (nur diese steht hier in
Frage) keinesfalls die von der Gesellschaft übernommne Gefahr vergrößert,
muß gegenwärtig der Versicherte auf Grund besondrer Verabredung an die
Gesellschaft eine höhere Vergütung zahlen, wenn er auch gegen derartige
Schäden gesichert sein will, deren Möglichkeit beide Teile von vornherein vor¬
hergesehen haben; man denke z. B. an den Fall, daß die Pferde nicht im Stall,
sondern auf der Sommerweide vom Blitz erschlagen werden.

5. Durch die „allgemeinen Bedingungen" sind überall die Fälle ausführlich
geregelt, wo wegen Verletzung der dem Versicherten obliegenden Verpflichtungen
die Ansprüche an die Gesellschaft erlöschen, so wenn er die Prämie (nach vor¬
heriger Aufforderung) nicht rechtzeitig zahlt, wenn er erlittnen Brandschäden
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/660>, abgerufen am 23.07.2024.