Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.Der goldne Lngel Line wurde immer mutloser. Müde saß sie in des Vaters Sessel, scheu sah Nothnagel wußte am wenigsten, wie er sich mit dem Unerhörten abfinden Längst in den Wind. Ganner! schrie Nothnagel Ackermann an, goldschlingender Gauner. Ackermann schob die Beleidigung gemütsruhig zu Nothnagels andern Schulden Besinnt euch, besinnt euch! Ich bin die rechte Hand euers Vaters gewesen, Line schlug die Hände zusammen. Karl! Karl! sei klug! schneid dir die Kette Bange machen gilt nicht! schmetterte Ackermann von der Schwelle herüber, die Diese Wissenschaft Karls verwirrte den Alten. Das? murmelte er, das ist ja Bereitwillig, mit freundlichem Lächeln trat Ackermann einen Schritt zurück in Als er um die Holztreppe kam, die Reeks leichte Füße sonst so flink auf und Nothnagel bekam wieder deu Husten: die schwatzhafte Person sollte ja am Dieser ganze Schiniedehof barg eine Bande von Verleumdern, Lärmmachern, Der goldne Lngel Line wurde immer mutloser. Müde saß sie in des Vaters Sessel, scheu sah Nothnagel wußte am wenigsten, wie er sich mit dem Unerhörten abfinden Längst in den Wind. Ganner! schrie Nothnagel Ackermann an, goldschlingender Gauner. Ackermann schob die Beleidigung gemütsruhig zu Nothnagels andern Schulden Besinnt euch, besinnt euch! Ich bin die rechte Hand euers Vaters gewesen, Line schlug die Hände zusammen. Karl! Karl! sei klug! schneid dir die Kette Bange machen gilt nicht! schmetterte Ackermann von der Schwelle herüber, die Diese Wissenschaft Karls verwirrte den Alten. Das? murmelte er, das ist ja Bereitwillig, mit freundlichem Lächeln trat Ackermann einen Schritt zurück in Als er um die Holztreppe kam, die Reeks leichte Füße sonst so flink auf und Nothnagel bekam wieder deu Husten: die schwatzhafte Person sollte ja am Dieser ganze Schiniedehof barg eine Bande von Verleumdern, Lärmmachern, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0511" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/230197"/> <fw type="header" place="top"> Der goldne Lngel</fw><lb/> <p xml:id="ID_2079"> Line wurde immer mutloser. Müde saß sie in des Vaters Sessel, scheu sah<lb/> sie nach dem Bruder hinüber, dem armen Jungen, dem das Leben solch eine Last<lb/> ans die jungen Schultern packte, aber Karl stand gleichmütig da und machte sich<lb/> während Ackermanns Reden kurze Anmerkungen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2080"> Nothnagel wußte am wenigsten, wie er sich mit dem Unerhörten abfinden<lb/> sollte; wohlweislich hatte er den alten Sta'del nie nach dem „Vermögen" des Luft¬<lb/> schiffs gefragt, selbst wenn ihm Bedenken über seine Dauer kamen, und auch jetzt<lb/> fiel ihm diese einzige Klugheit ein: Aber der Lotteriegewinn, die hunderttausend!</p><lb/> <p xml:id="ID_2081"> Längst in den Wind.</p><lb/> <p xml:id="ID_2082"> Ganner! schrie Nothnagel Ackermann an, goldschlingender Gauner.</p><lb/> <p xml:id="ID_2083"> Ackermann schob die Beleidigung gemütsruhig zu Nothnagels andern Schulden<lb/> und versuchte den Geschwistern zuzublinzeln: Versteht mich recht, wie ichs meine!<lb/> Aber keins sah ihn an, Nothnagel sprach eben jetzt wieder heftig ans sie ein.</p><lb/> <p xml:id="ID_2084"> Besinnt euch, besinnt euch! Ich bin die rechte Hand euers Vaters gewesen,<lb/> ich bin der Mann, Ordnung in das Durcheinander zu bringen; mit meiner Hilfe<lb/> allein könnt ihr hoffen, eure Schulden los zu werden. Denn wenn ihr ans euerm<lb/> Eigensinn bestündet, so müßt ich eben auch meine Rechnung aufstellen. Hat mich<lb/> die Geschichte etwa nichts gekostet? Was ist da alles im Laboratorium ver¬<lb/> probiert worden, und was hat der Mechaniker in den anderthalb Jahren so bei<lb/> kleinem verzehrt!</p><lb/> <p xml:id="ID_2085"> Line schlug die Hände zusammen. Karl! Karl! sei klug! schneid dir die Kette<lb/> vom Fuß.</p><lb/> <p xml:id="ID_2086"> Bange machen gilt nicht! schmetterte Ackermann von der Schwelle herüber, die<lb/> er immer noch bewachte, und Karl winkte der Schwester zu schweigen. Dann sagte<lb/> er langsam: Sie, Herr Nothnagel, haben sich schon bezahlt gemacht. Oder wie<lb/> wollen Sie die sechstausend Mark sonst nennen, die Sie sich von dem Aurel haben<lb/> bezahlen lassen? Versuchen Sie keine Gegenrede, ich besitze die Beglaubigung, und<lb/> eben deshalb: prozessieren Sie lieber nicht!</p><lb/> <p xml:id="ID_2087"> Diese Wissenschaft Karls verwirrte den Alten. Das? murmelte er, das ist ja<lb/> Unsinn, so ne alte Geschichte — und dann polterte er plötzlich los: Den Tod holt<lb/> Man sich hier vor Ärger und vor Angst darüber, daß ihr die Menschheit um unsre<lb/> kostbare Erfindung bringen wollt. Lassen Sie mich hinaus, Sie, Sie, Grobschmied<lb/> Sie! Ich will zu Bette gehn.</p><lb/> <p xml:id="ID_2088"> Bereitwillig, mit freundlichem Lächeln trat Ackermann einen Schritt zurück in<lb/> die Werkstatt und ließ Nvthnagel vorüber. Draußen auf dem Gang blieb der<lb/> Alte stehn, hustete heftig, zum kleinern Teil wegen seiner Erkältung, zum größern<lb/> aus Wut darüber, daß ihm sein billiges Steckenpferd aus den Händen gleiten wollte,<lb/> dann schlürfte er laugsam seineu Kamillenbüudeln zu.</p><lb/> <p xml:id="ID_2089"> Als er um die Holztreppe kam, die Reeks leichte Füße sonst so flink auf und<lb/> «b gehuscht waren, blieb er wieder stehn. Im Hof schwatzten die fünf Schmiede¬<lb/> jungen in den gedämpften Tönen, die man nach der Parole des Ältesten dem<lb/> Begräbnistag schuldig war; auch Frau Flörke kam noch schwarz und feierlich daher,<lb/> wie sie vom Gottesacker aus bei einer guten Freundin Kaffee getrunken hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2090"> Nothnagel bekam wieder deu Husten: die schwatzhafte Person sollte ja am<lb/> Sonnabend aufs wütendste gegen ihn gehetzt haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_2091" next="#ID_2092"> Dieser ganze Schiniedehof barg eine Bande von Verleumdern, Lärmmachern,<lb/> Räubern und Gaunern; eine Thür mußte auf den Gang, eine feste, ordentliche<lb/> Thür mit schweren Angeln und einem Schnappschloß. Gleich morgen, gleich nachher<lb/> sollte der Tischler sie abmessen. Und der Prozeß? Hin — wenn man von Acker-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0511]
Der goldne Lngel
Line wurde immer mutloser. Müde saß sie in des Vaters Sessel, scheu sah
sie nach dem Bruder hinüber, dem armen Jungen, dem das Leben solch eine Last
ans die jungen Schultern packte, aber Karl stand gleichmütig da und machte sich
während Ackermanns Reden kurze Anmerkungen.
Nothnagel wußte am wenigsten, wie er sich mit dem Unerhörten abfinden
sollte; wohlweislich hatte er den alten Sta'del nie nach dem „Vermögen" des Luft¬
schiffs gefragt, selbst wenn ihm Bedenken über seine Dauer kamen, und auch jetzt
fiel ihm diese einzige Klugheit ein: Aber der Lotteriegewinn, die hunderttausend!
Längst in den Wind.
Ganner! schrie Nothnagel Ackermann an, goldschlingender Gauner.
Ackermann schob die Beleidigung gemütsruhig zu Nothnagels andern Schulden
und versuchte den Geschwistern zuzublinzeln: Versteht mich recht, wie ichs meine!
Aber keins sah ihn an, Nothnagel sprach eben jetzt wieder heftig ans sie ein.
Besinnt euch, besinnt euch! Ich bin die rechte Hand euers Vaters gewesen,
ich bin der Mann, Ordnung in das Durcheinander zu bringen; mit meiner Hilfe
allein könnt ihr hoffen, eure Schulden los zu werden. Denn wenn ihr ans euerm
Eigensinn bestündet, so müßt ich eben auch meine Rechnung aufstellen. Hat mich
die Geschichte etwa nichts gekostet? Was ist da alles im Laboratorium ver¬
probiert worden, und was hat der Mechaniker in den anderthalb Jahren so bei
kleinem verzehrt!
Line schlug die Hände zusammen. Karl! Karl! sei klug! schneid dir die Kette
vom Fuß.
Bange machen gilt nicht! schmetterte Ackermann von der Schwelle herüber, die
er immer noch bewachte, und Karl winkte der Schwester zu schweigen. Dann sagte
er langsam: Sie, Herr Nothnagel, haben sich schon bezahlt gemacht. Oder wie
wollen Sie die sechstausend Mark sonst nennen, die Sie sich von dem Aurel haben
bezahlen lassen? Versuchen Sie keine Gegenrede, ich besitze die Beglaubigung, und
eben deshalb: prozessieren Sie lieber nicht!
Diese Wissenschaft Karls verwirrte den Alten. Das? murmelte er, das ist ja
Unsinn, so ne alte Geschichte — und dann polterte er plötzlich los: Den Tod holt
Man sich hier vor Ärger und vor Angst darüber, daß ihr die Menschheit um unsre
kostbare Erfindung bringen wollt. Lassen Sie mich hinaus, Sie, Sie, Grobschmied
Sie! Ich will zu Bette gehn.
Bereitwillig, mit freundlichem Lächeln trat Ackermann einen Schritt zurück in
die Werkstatt und ließ Nvthnagel vorüber. Draußen auf dem Gang blieb der
Alte stehn, hustete heftig, zum kleinern Teil wegen seiner Erkältung, zum größern
aus Wut darüber, daß ihm sein billiges Steckenpferd aus den Händen gleiten wollte,
dann schlürfte er laugsam seineu Kamillenbüudeln zu.
Als er um die Holztreppe kam, die Reeks leichte Füße sonst so flink auf und
«b gehuscht waren, blieb er wieder stehn. Im Hof schwatzten die fünf Schmiede¬
jungen in den gedämpften Tönen, die man nach der Parole des Ältesten dem
Begräbnistag schuldig war; auch Frau Flörke kam noch schwarz und feierlich daher,
wie sie vom Gottesacker aus bei einer guten Freundin Kaffee getrunken hatte.
Nothnagel bekam wieder deu Husten: die schwatzhafte Person sollte ja am
Sonnabend aufs wütendste gegen ihn gehetzt haben.
Dieser ganze Schiniedehof barg eine Bande von Verleumdern, Lärmmachern,
Räubern und Gaunern; eine Thür mußte auf den Gang, eine feste, ordentliche
Thür mit schweren Angeln und einem Schnappschloß. Gleich morgen, gleich nachher
sollte der Tischler sie abmessen. Und der Prozeß? Hin — wenn man von Acker-
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