Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.SkiMii aus unserm heutigen Volksleben kommandieren und anschnauzen lassen. Und Wenns Jahr herum ist, heißt es: Da Ähnliche Herrschergelüste wie der Maun hatte die Frau des Schäfers auch. Herre, sagte Ricks, als der neue Miettermin kam, ich wollte Ihnen nur Habe schon gehört, lieber Ricks, und wünsche Ihnen viel Glück. Eigentlich Ricks greinte seinen Herrn an und sagte im stillen: O du alter Fuchs! Überlegen Sie sichs, Ricks, ich habe es gut mit Ihnen gemeint. Ja, Herr, ich will mirs überlegen. -- Natürlich kam zuletzt heraus, was von Jetzt war das erste, ein Paar starke Pferde kaufen, so schwer, wie sie kein Grenzboton I 1899 "3
SkiMii aus unserm heutigen Volksleben kommandieren und anschnauzen lassen. Und Wenns Jahr herum ist, heißt es: Da Ähnliche Herrschergelüste wie der Maun hatte die Frau des Schäfers auch. Herre, sagte Ricks, als der neue Miettermin kam, ich wollte Ihnen nur Habe schon gehört, lieber Ricks, und wünsche Ihnen viel Glück. Eigentlich Ricks greinte seinen Herrn an und sagte im stillen: O du alter Fuchs! Überlegen Sie sichs, Ricks, ich habe es gut mit Ihnen gemeint. Ja, Herr, ich will mirs überlegen. — Natürlich kam zuletzt heraus, was von Jetzt war das erste, ein Paar starke Pferde kaufen, so schwer, wie sie kein Grenzboton I 1899 »3
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0505" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/230191"/> <fw type="header" place="top"> SkiMii aus unserm heutigen Volksleben</fw><lb/> <p xml:id="ID_2034" prev="#ID_2033"> kommandieren und anschnauzen lassen. Und Wenns Jahr herum ist, heißt es: Da<lb/> hast du deinen Lohn, nun sieh, wo du bleibst. Ist das recht? Und er, der<lb/> Schäfer Heinrich Ricks selber — na ja, er hatte es ja nicht schlecht. Er hatte sein<lb/> Auskommen, sein Haus und seinen Gartenfleck und vier Morgen Pachtland, und<lb/> sein Herr redete ihm nicht in die Schäferei hinein; aber er war doch im Dienste.<lb/> Den ganzen Tag mußte er hier draußen herumstehn, nud auch des Nachts war er<lb/> im Dienste, da mußte er in der engen Schäfcrkarre liegen. Was ist ein Mensch<lb/> schlecht daran, der „muß," und was ist ein Mensch zu beneiden, der „Herr" ist und<lb/> auf seinem eignen Lande steht. Aber was ist da zu machen, wie die Welt zerteilt<lb/> ist, so bleibt sie.</p><lb/> <p xml:id="ID_2035"> Ähnliche Herrschergelüste wie der Maun hatte die Frau des Schäfers auch.<lb/> Sie dachte dabei freilich weniger an Äcker, als an die uugeschriebne Rangliste des<lb/> Dorfes, an Kirchensitze, Kleider und Kette«. Auch sie hätte gar zu gern zu den<lb/> Großen gehört und andre Leute kommandiert, statt sich kommandieren zu lassen.<lb/> Während aber der Mnun philosophierte und die Gerechtigkeit der Weltordnung an¬<lb/> zweifelte, wanderte sie fleißig ins Nachbardorf, wo eine alte Base lebte, die von<lb/> Rechts wegen schon längst hätte tot sein müssen. Dahin trug sie manche Wurst<lb/> und manchen Topf voll Fett. Die Leute sagten, es sei ein Skandal, so offenbar<lb/> crbzuschleichen. Auch Ricks wollte nichts von den Gängen seiner Frau wissen, sie<lb/> bringe mir das bischen Hab und Gut aus dem Hanse, aber was wieder kriegen,<lb/> davon stünde kein Wort geschrieben. Die Frau Ricks ließ sich aber nicht irre<lb/> macheu, sie spielte ihr Spiel, und das Ende war, als die alte Base nicht umhin<lb/> konnte, das Zeitliche zu segnen, daß die Ricks und noch eine Base, die auch fleißig<lb/> nach dem Rechten gesehen hatte, erbten, die andre Base den Hof, und die Ricks<lb/> zwanzig Morgen Land, Staatsacker, gerade auf der Flurgrenze gelegen, man hätte<lb/> sichs nicht besser aussuchen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_2036"> Herre, sagte Ricks, als der neue Miettermin kam, ich wollte Ihnen nur<lb/> sagen, daß Sie sich zu Martini nach einem andern Schäfer umsehen möchten. Ich<lb/> wollte mich selbständig machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2037"> Habe schon gehört, lieber Ricks, und wünsche Ihnen viel Glück. Eigentlich<lb/> aber thäten Sie besser, sich nicht zu übereilen, Ihre zwanzig Morgen laufen Ihnen<lb/> nicht davon. Die Zeiten sind schlecht, und wir können Wunderdinge mit den<lb/> Preisen erleben. Sie thun am besten, Sie warten das ab und bleiben inzwischen,<lb/> wo Sie sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_2038"> Ricks greinte seinen Herrn an und sagte im stillen: O du alter Fuchs!<lb/> Du nullst bloß, daß ich bei dir bleibe und Schäfer spiele, denn so einen wie mich<lb/> kriegst du so bald nicht wieder, das weißt du ganz gut.</p><lb/> <p xml:id="ID_2039"> Überlegen Sie sichs, Ricks, ich habe es gut mit Ihnen gemeint.</p><lb/> <p xml:id="ID_2040"> Ja, Herr, ich will mirs überlegen. — Natürlich kam zuletzt heraus, was von<lb/> Anfang an fest stand, daß er selbst Herr werden wollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2041" next="#ID_2042"> Jetzt war das erste, ein Paar starke Pferde kaufen, so schwer, wie sie kein<lb/> andrer im Dorfe hatte. Wenn er dann mit seinen Pferden aufs Feld zog, dann<lb/> sollten die Leute Auge» machen. Und für die Frau war das erste, ein schwarzes<lb/> Atlaskleid kaufen, so schwer wie der Frau Schulzen ihrs oder noch schwerer, und<lb/> ein Halstuch vou einer Farbe, die noch gar nicht dagewesen war. Ricks reiste<lb/> umher und hörte überall nach Rat und that zuletzt, wovon alle abgeraten hatten,<lb/> er kaufte seine Pferde von Salis Silberstein. Denn er war jn viel klüger als<lb/> "lie. und mit Scilly Silbcrstein wollte er schon fertig werden. Er wurde auch mit<lb/> ihm fertig, und als er für teures Geld zwei Staatspferde eingehandelt hatte, hatte</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboton I 1899 »3</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0505]
SkiMii aus unserm heutigen Volksleben
kommandieren und anschnauzen lassen. Und Wenns Jahr herum ist, heißt es: Da
hast du deinen Lohn, nun sieh, wo du bleibst. Ist das recht? Und er, der
Schäfer Heinrich Ricks selber — na ja, er hatte es ja nicht schlecht. Er hatte sein
Auskommen, sein Haus und seinen Gartenfleck und vier Morgen Pachtland, und
sein Herr redete ihm nicht in die Schäferei hinein; aber er war doch im Dienste.
Den ganzen Tag mußte er hier draußen herumstehn, nud auch des Nachts war er
im Dienste, da mußte er in der engen Schäfcrkarre liegen. Was ist ein Mensch
schlecht daran, der „muß," und was ist ein Mensch zu beneiden, der „Herr" ist und
auf seinem eignen Lande steht. Aber was ist da zu machen, wie die Welt zerteilt
ist, so bleibt sie.
Ähnliche Herrschergelüste wie der Maun hatte die Frau des Schäfers auch.
Sie dachte dabei freilich weniger an Äcker, als an die uugeschriebne Rangliste des
Dorfes, an Kirchensitze, Kleider und Kette«. Auch sie hätte gar zu gern zu den
Großen gehört und andre Leute kommandiert, statt sich kommandieren zu lassen.
Während aber der Mnun philosophierte und die Gerechtigkeit der Weltordnung an¬
zweifelte, wanderte sie fleißig ins Nachbardorf, wo eine alte Base lebte, die von
Rechts wegen schon längst hätte tot sein müssen. Dahin trug sie manche Wurst
und manchen Topf voll Fett. Die Leute sagten, es sei ein Skandal, so offenbar
crbzuschleichen. Auch Ricks wollte nichts von den Gängen seiner Frau wissen, sie
bringe mir das bischen Hab und Gut aus dem Hanse, aber was wieder kriegen,
davon stünde kein Wort geschrieben. Die Frau Ricks ließ sich aber nicht irre
macheu, sie spielte ihr Spiel, und das Ende war, als die alte Base nicht umhin
konnte, das Zeitliche zu segnen, daß die Ricks und noch eine Base, die auch fleißig
nach dem Rechten gesehen hatte, erbten, die andre Base den Hof, und die Ricks
zwanzig Morgen Land, Staatsacker, gerade auf der Flurgrenze gelegen, man hätte
sichs nicht besser aussuchen können.
Herre, sagte Ricks, als der neue Miettermin kam, ich wollte Ihnen nur
sagen, daß Sie sich zu Martini nach einem andern Schäfer umsehen möchten. Ich
wollte mich selbständig machen.
Habe schon gehört, lieber Ricks, und wünsche Ihnen viel Glück. Eigentlich
aber thäten Sie besser, sich nicht zu übereilen, Ihre zwanzig Morgen laufen Ihnen
nicht davon. Die Zeiten sind schlecht, und wir können Wunderdinge mit den
Preisen erleben. Sie thun am besten, Sie warten das ab und bleiben inzwischen,
wo Sie sind.
Ricks greinte seinen Herrn an und sagte im stillen: O du alter Fuchs!
Du nullst bloß, daß ich bei dir bleibe und Schäfer spiele, denn so einen wie mich
kriegst du so bald nicht wieder, das weißt du ganz gut.
Überlegen Sie sichs, Ricks, ich habe es gut mit Ihnen gemeint.
Ja, Herr, ich will mirs überlegen. — Natürlich kam zuletzt heraus, was von
Anfang an fest stand, daß er selbst Herr werden wollte.
Jetzt war das erste, ein Paar starke Pferde kaufen, so schwer, wie sie kein
andrer im Dorfe hatte. Wenn er dann mit seinen Pferden aufs Feld zog, dann
sollten die Leute Auge» machen. Und für die Frau war das erste, ein schwarzes
Atlaskleid kaufen, so schwer wie der Frau Schulzen ihrs oder noch schwerer, und
ein Halstuch vou einer Farbe, die noch gar nicht dagewesen war. Ricks reiste
umher und hörte überall nach Rat und that zuletzt, wovon alle abgeraten hatten,
er kaufte seine Pferde von Salis Silberstein. Denn er war jn viel klüger als
"lie. und mit Scilly Silbcrstein wollte er schon fertig werden. Er wurde auch mit
ihm fertig, und als er für teures Geld zwei Staatspferde eingehandelt hatte, hatte
Grenzboton I 1899 »3
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |