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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Ans dem Bberelsaß

Kosten der allgemeinen Bildung, so bedauerlich dieser Rückschritt auch wäre,
muß dem Franzosentum die Möglichkeit genommen werden, unsre gute deutsche
Schule seinen Zwecken dienstbar zu machen. Im öffentlichen Leben ist die
französische Sprache, gegen die ja kein Deutscher persönlichen Haß empfindet,
mit allen Mitteln zu unterdrücken. Gereicht der bisherige Unterricht der Lyceen
und höhern Fachschulen ihr zum Vorteil, so muß er so gestaltet werden, daß
die gerügte Ausartung vermieden wird. Die Elsässer haben es sich ja dann
auch selbst zuzuschreiben, wenn der Sprachunterricht unter die bisherige Höhe
sinkt. Selbstverständlich darf die Erfüllung der Schulpflicht im Auslande
überhaupt nicht mehr geduldet werdeu, und hier muß gesetzlich eingegriffen
werden, und zwar von Reichs wegen, da die Notabelnversammlung des Landes-
ausschusses mit ihrer französischen Vornehmthuerei natürlich versagen wird.
Die Berechtigung zum einjährigen Freiwilligendienst braucht nur an die Be¬
dingung des Besuchs eiuer reichsdentschen Anstalt geknüpft zu werden, um
diesen Zweck zu erreichen. Für die weibliche Erziehung bedarf es freilich einer
ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift über den Schulzwang auf deutschem Boden,
und zwar über die Zeit der Volksschulpflicht hinaus, damit nicht die höhern
Töchter noch in ein französisches Pensionat oder ein Kloster jenseits der Grenze
geschickt werden. Freilich darf sich dann der deutsche Schullehrer auch nicht
außerhalb der Schule mit seinen Pflegebefohlnen im scheußlichen Patois unter¬
halten, wie wir es in Pairis gehört haben, obschon dieser angeblich noch fran¬
zösische Weiler in das endlich auch amtlich deutsche Urbeis eingeschult ist.
Dem Manne soll kein Vorwurf gemacht werden, da ihm die Höhere Einsicht
nicht zugemutet werdeu kann, die nicht einmal seine vorgesetzte Behörde zeigt.

Fassen wir zum Schlüsse die Eindrücke zusammen, die die sast dreißig¬
jährige Zugehörigkeit des Oberelsnsses zu seinem Mutter- und Stammlande
gewährt, so versteht man nicht, wie die deutsche Verwaltung eine aufrichtige
Zufriedenheit über ihre Leistungen an den Tag legen kann. Auf Schritt und
Tritt sieht der unbefangne Beobachter, wie das vaterlandslose Elsässertum mit
französischem Anstrich in alter Stärke fortdauert und die innerliche Verdeutschung
völlig ausgeblieben ist. Der an eine harte Herrenfaust gewöhnte Elsässer, der
sich bis zur Wende des vorigen Jahrhunderts wacker gegen den welschen Be¬
drücker gewehrt hat, betrachtet mit Recht die zweckwidrige Milde seines Mutter¬
landes als Schwäche und posiert in echt deutscher Fremdenliebe als gekränkte
Unschuld. Die Zeit der fortgesetzten Mißgriffe und der allzu bescheidnen
Selbstgefälligkeit muß aber endlich aufhören, soll dem Reiche nicht eine dauernde
Gefahr aus 'dem Besitze dieses alten deutschen Volksbodens erwachsen, der nach
seiner Sprache nie französisch gewesen ist. Das Oberelsnß muß vor die un¬
zweideutige Wahl gestellt werden, entweder freiwillig das unechte französische
Gewand/ wie es der höhere Mittelstand zu tragen beliebt, fallen zu lassen,
oder die volle Schärfe eiuer wahrhaft nationaldeutschen Herrschaft am eignen


Ans dem Bberelsaß

Kosten der allgemeinen Bildung, so bedauerlich dieser Rückschritt auch wäre,
muß dem Franzosentum die Möglichkeit genommen werden, unsre gute deutsche
Schule seinen Zwecken dienstbar zu machen. Im öffentlichen Leben ist die
französische Sprache, gegen die ja kein Deutscher persönlichen Haß empfindet,
mit allen Mitteln zu unterdrücken. Gereicht der bisherige Unterricht der Lyceen
und höhern Fachschulen ihr zum Vorteil, so muß er so gestaltet werden, daß
die gerügte Ausartung vermieden wird. Die Elsässer haben es sich ja dann
auch selbst zuzuschreiben, wenn der Sprachunterricht unter die bisherige Höhe
sinkt. Selbstverständlich darf die Erfüllung der Schulpflicht im Auslande
überhaupt nicht mehr geduldet werdeu, und hier muß gesetzlich eingegriffen
werden, und zwar von Reichs wegen, da die Notabelnversammlung des Landes-
ausschusses mit ihrer französischen Vornehmthuerei natürlich versagen wird.
Die Berechtigung zum einjährigen Freiwilligendienst braucht nur an die Be¬
dingung des Besuchs eiuer reichsdentschen Anstalt geknüpft zu werden, um
diesen Zweck zu erreichen. Für die weibliche Erziehung bedarf es freilich einer
ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift über den Schulzwang auf deutschem Boden,
und zwar über die Zeit der Volksschulpflicht hinaus, damit nicht die höhern
Töchter noch in ein französisches Pensionat oder ein Kloster jenseits der Grenze
geschickt werden. Freilich darf sich dann der deutsche Schullehrer auch nicht
außerhalb der Schule mit seinen Pflegebefohlnen im scheußlichen Patois unter¬
halten, wie wir es in Pairis gehört haben, obschon dieser angeblich noch fran¬
zösische Weiler in das endlich auch amtlich deutsche Urbeis eingeschult ist.
Dem Manne soll kein Vorwurf gemacht werden, da ihm die Höhere Einsicht
nicht zugemutet werdeu kann, die nicht einmal seine vorgesetzte Behörde zeigt.

Fassen wir zum Schlüsse die Eindrücke zusammen, die die sast dreißig¬
jährige Zugehörigkeit des Oberelsnsses zu seinem Mutter- und Stammlande
gewährt, so versteht man nicht, wie die deutsche Verwaltung eine aufrichtige
Zufriedenheit über ihre Leistungen an den Tag legen kann. Auf Schritt und
Tritt sieht der unbefangne Beobachter, wie das vaterlandslose Elsässertum mit
französischem Anstrich in alter Stärke fortdauert und die innerliche Verdeutschung
völlig ausgeblieben ist. Der an eine harte Herrenfaust gewöhnte Elsässer, der
sich bis zur Wende des vorigen Jahrhunderts wacker gegen den welschen Be¬
drücker gewehrt hat, betrachtet mit Recht die zweckwidrige Milde seines Mutter¬
landes als Schwäche und posiert in echt deutscher Fremdenliebe als gekränkte
Unschuld. Die Zeit der fortgesetzten Mißgriffe und der allzu bescheidnen
Selbstgefälligkeit muß aber endlich aufhören, soll dem Reiche nicht eine dauernde
Gefahr aus 'dem Besitze dieses alten deutschen Volksbodens erwachsen, der nach
seiner Sprache nie französisch gewesen ist. Das Oberelsnß muß vor die un¬
zweideutige Wahl gestellt werden, entweder freiwillig das unechte französische
Gewand/ wie es der höhere Mittelstand zu tragen beliebt, fallen zu lassen,
oder die volle Schärfe eiuer wahrhaft nationaldeutschen Herrschaft am eignen


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[0495] Ans dem Bberelsaß Kosten der allgemeinen Bildung, so bedauerlich dieser Rückschritt auch wäre, muß dem Franzosentum die Möglichkeit genommen werden, unsre gute deutsche Schule seinen Zwecken dienstbar zu machen. Im öffentlichen Leben ist die französische Sprache, gegen die ja kein Deutscher persönlichen Haß empfindet, mit allen Mitteln zu unterdrücken. Gereicht der bisherige Unterricht der Lyceen und höhern Fachschulen ihr zum Vorteil, so muß er so gestaltet werden, daß die gerügte Ausartung vermieden wird. Die Elsässer haben es sich ja dann auch selbst zuzuschreiben, wenn der Sprachunterricht unter die bisherige Höhe sinkt. Selbstverständlich darf die Erfüllung der Schulpflicht im Auslande überhaupt nicht mehr geduldet werdeu, und hier muß gesetzlich eingegriffen werden, und zwar von Reichs wegen, da die Notabelnversammlung des Landes- ausschusses mit ihrer französischen Vornehmthuerei natürlich versagen wird. Die Berechtigung zum einjährigen Freiwilligendienst braucht nur an die Be¬ dingung des Besuchs eiuer reichsdentschen Anstalt geknüpft zu werden, um diesen Zweck zu erreichen. Für die weibliche Erziehung bedarf es freilich einer ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift über den Schulzwang auf deutschem Boden, und zwar über die Zeit der Volksschulpflicht hinaus, damit nicht die höhern Töchter noch in ein französisches Pensionat oder ein Kloster jenseits der Grenze geschickt werden. Freilich darf sich dann der deutsche Schullehrer auch nicht außerhalb der Schule mit seinen Pflegebefohlnen im scheußlichen Patois unter¬ halten, wie wir es in Pairis gehört haben, obschon dieser angeblich noch fran¬ zösische Weiler in das endlich auch amtlich deutsche Urbeis eingeschult ist. Dem Manne soll kein Vorwurf gemacht werden, da ihm die Höhere Einsicht nicht zugemutet werdeu kann, die nicht einmal seine vorgesetzte Behörde zeigt. Fassen wir zum Schlüsse die Eindrücke zusammen, die die sast dreißig¬ jährige Zugehörigkeit des Oberelsnsses zu seinem Mutter- und Stammlande gewährt, so versteht man nicht, wie die deutsche Verwaltung eine aufrichtige Zufriedenheit über ihre Leistungen an den Tag legen kann. Auf Schritt und Tritt sieht der unbefangne Beobachter, wie das vaterlandslose Elsässertum mit französischem Anstrich in alter Stärke fortdauert und die innerliche Verdeutschung völlig ausgeblieben ist. Der an eine harte Herrenfaust gewöhnte Elsässer, der sich bis zur Wende des vorigen Jahrhunderts wacker gegen den welschen Be¬ drücker gewehrt hat, betrachtet mit Recht die zweckwidrige Milde seines Mutter¬ landes als Schwäche und posiert in echt deutscher Fremdenliebe als gekränkte Unschuld. Die Zeit der fortgesetzten Mißgriffe und der allzu bescheidnen Selbstgefälligkeit muß aber endlich aufhören, soll dem Reiche nicht eine dauernde Gefahr aus 'dem Besitze dieses alten deutschen Volksbodens erwachsen, der nach seiner Sprache nie französisch gewesen ist. Das Oberelsnß muß vor die un¬ zweideutige Wahl gestellt werden, entweder freiwillig das unechte französische Gewand/ wie es der höhere Mittelstand zu tragen beliebt, fallen zu lassen, oder die volle Schärfe eiuer wahrhaft nationaldeutschen Herrschaft am eignen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/495>, abgerufen am 23.07.2024.