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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Bedarf Deutschland einer Vergrößerung seines kolonialen Besitzstandes?
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Großbritannien,ni,L20,4
18,211,0Frankreich
1,54,7Deutschland
7,24,ZSpanien,

Möchte unser Kaufmannstand in diesem von der Natur so reich gesegneten
Lande immer mehr an Boden gewinnen, damit, wenn einmal die Zeit der
Aufteilung auch dieses Fleckes Erde herangekommen sein wird, Deutschland
einen starken Rechtstitel hat, zur Wahrung seiner Interessen ein ausschlag¬
gebendes Wort mitzusprechen.

Eine fernere Möglichkeit, die wirtschaftspolitische Grundlage Deutschlands
zu erweitern, wäre in einer freiwilligen Verbindung der schon früher einmal
dem alten Deutschen Reiche angeschlossen gewesenen Niederlande mit dem neuen
Deutschen Reiche unter vollster Wahrung ihrer Selbständigkeit gegeben. Ver¬
hältnismäßig kurz nur ist die Vereinigung mit dem Habsburgischen Weltreiche
gewesen, aber sie bedeutete namentlich unter Kaiser Karl V. eine Zeit der
Blüte für die Niederlande. Handel, Schiffahrt, Industrie, Künste und Wissen¬
schaften nahmen einen großen Aufschwung. Vielleicht dürften diese geschicht¬
lichen Reminiscenzen aus vergangnen Tagen und andrerseits ein kluges Voraus¬
schauen und Erwügeu der zukünftigen Entwicklung den Holländern den Ge¬
danken nahe bringen, sich an Deutschland anzuschließen. Es ist nur zu
wahrscheinlich, daß die Niederlande mit ihren nur 32 538 Quadratkilometern
und ihrer schwachen, mir laugsam zunehmenden Bevölkerung (1890: 4,5 Mil¬
lionen, 1896: 4,9 Millionen Menschen) gegenüber den drohenden großen
Wirtschaftseinheiten die Existenzmöglichkeit verlieren, zumal da sie aus die
Dauer nicht imstande sein werden, ihren Kolonialbesitz, dessen Flücheninhalt
sechsundsechzigmal so groß als das Mutterland ist, mit dem notwendigen
Bevölkeruugszuschuß ans der Heimat zu versehen. Ohne die Kolonien aber,
die Quellen von Hollands Reichtum, die ihm Gold und Genußmittel wie Reis,
Mais, Hülsenfrüchte, Zucker, Kaffee, Tabak usw. liefern, würde es zu einem
wesenlosen Schatten hinabsinken.

Durch die geographische Lage steht Holland zu Deutschland wie ein Vor¬
land zu seinem Hinterkante. Beide sind durch deu gemeinsamen Rheinstrom
in natürliche Verbindung gebracht. Beide haben denn anch in der That die
engsten Handelsbeziehungen zu einander. Im Handelsverkehr der Niederlande
steht Deutschland an erster Stelle. Es betrug im Jahre 1896 in Millionen
Gulden

der Wert der Einfuhr ausder Wert der Ausfuhr nach
Deutschland ,298,9 oder 18,2 Prozent699,2 oder 52,1 Prozent
GroßbritannienWS,7 " 18,6290,2 " 2 t,7
Belgien . ,174,2 " 10,7164,0 " 12,2
Frankreich . .23,6 " 1,ö , ,.,23,4 " l,7

Bedarf Deutschland einer Vergrößerung seines kolonialen Besitzstandes?
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Möchte unser Kaufmannstand in diesem von der Natur so reich gesegneten
Lande immer mehr an Boden gewinnen, damit, wenn einmal die Zeit der
Aufteilung auch dieses Fleckes Erde herangekommen sein wird, Deutschland
einen starken Rechtstitel hat, zur Wahrung seiner Interessen ein ausschlag¬
gebendes Wort mitzusprechen.

Eine fernere Möglichkeit, die wirtschaftspolitische Grundlage Deutschlands
zu erweitern, wäre in einer freiwilligen Verbindung der schon früher einmal
dem alten Deutschen Reiche angeschlossen gewesenen Niederlande mit dem neuen
Deutschen Reiche unter vollster Wahrung ihrer Selbständigkeit gegeben. Ver¬
hältnismäßig kurz nur ist die Vereinigung mit dem Habsburgischen Weltreiche
gewesen, aber sie bedeutete namentlich unter Kaiser Karl V. eine Zeit der
Blüte für die Niederlande. Handel, Schiffahrt, Industrie, Künste und Wissen¬
schaften nahmen einen großen Aufschwung. Vielleicht dürften diese geschicht¬
lichen Reminiscenzen aus vergangnen Tagen und andrerseits ein kluges Voraus¬
schauen und Erwügeu der zukünftigen Entwicklung den Holländern den Ge¬
danken nahe bringen, sich an Deutschland anzuschließen. Es ist nur zu
wahrscheinlich, daß die Niederlande mit ihren nur 32 538 Quadratkilometern
und ihrer schwachen, mir laugsam zunehmenden Bevölkerung (1890: 4,5 Mil¬
lionen, 1896: 4,9 Millionen Menschen) gegenüber den drohenden großen
Wirtschaftseinheiten die Existenzmöglichkeit verlieren, zumal da sie aus die
Dauer nicht imstande sein werden, ihren Kolonialbesitz, dessen Flücheninhalt
sechsundsechzigmal so groß als das Mutterland ist, mit dem notwendigen
Bevölkeruugszuschuß ans der Heimat zu versehen. Ohne die Kolonien aber,
die Quellen von Hollands Reichtum, die ihm Gold und Genußmittel wie Reis,
Mais, Hülsenfrüchte, Zucker, Kaffee, Tabak usw. liefern, würde es zu einem
wesenlosen Schatten hinabsinken.

Durch die geographische Lage steht Holland zu Deutschland wie ein Vor¬
land zu seinem Hinterkante. Beide sind durch deu gemeinsamen Rheinstrom
in natürliche Verbindung gebracht. Beide haben denn anch in der That die
engsten Handelsbeziehungen zu einander. Im Handelsverkehr der Niederlande
steht Deutschland an erster Stelle. Es betrug im Jahre 1896 in Millionen
Gulden

der Wert der Einfuhr ausder Wert der Ausfuhr nach
Deutschland ,298,9 oder 18,2 Prozent699,2 oder 52,1 Prozent
GroßbritannienWS,7 „ 18,6290,2 „ 2 t,7
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/418>, abgerufen am 23.07.2024.