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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Moritz Busch und Fürst Bismarck

Kreise und war allen unendlich, viel, blieb aber einsam. Auch so bevorzugte Mit¬
arbeiter wie Hcchfeldt, Tiedemann und Lothar Bücher wurden von ihm doch nur
als Werkzeuge behandelt und beurteilt. . . .

Wer der Verfasser ist, weiß ich nicht.

Derselbe Sturm, der jetzt in den Blättern getobt hat, tobte auch damals,
mis "Graf Bismarck und seine Leute" erschien. Was ist schon damals gegen
und über diesen Mann gesagt worden, was über das Buch selbst, das nur
den einen Zweck hatte, darüber zu belehren, was das deutsche Volk an dem
Kanzler habe, ihm Verständnis für dessen Größe zu erwecken, als er der
bestgehaßte Mann in Deutschland war. Wenn dem deutschen Volke das Ver¬
ständnis dafür gekommen ist. so hat Buschs Buch dazu wahrhaftig seine
guten Dienste geleistet, und es wird auch sür alle Zeit eine unschätzbare
Quelle für die Erkenntnis des Charakters des Fürsten bleiben. Auch diesem
Buche gegenüber war ja der Fürst, wie es Busch selbst erzählt, ins Wanken
gekommen; er mißtraute der beabsichtigten Wirkung, und das Spiegelbild,
das er sah, behagte ihm nicht in jedem Zuge; aber denen gegenüber,
die Busch zum Lügner stempeln mochten, frage ich: Was verschlägt es denn,
wenn sich in diesem Buche zeigt, daß auch sein Verfasser ein Mensch ist,
der liebt und haßt? Ist es nicht genng, daß seine leidenschaftliche Liebe dem
gilt, den das deutsche Volk jetzt endlich als seineu größten Heros verehrt?
Und daß er seinen Helden mit der größten Treue, wahr und ungeschminkt so
zeichnet, wie er war und wie er sich gab in seiner Große und mit seinen
Menschlichkeiten? Wenn Busch auch tausend Vorwürfe zu machen wären,
sie wären alle nichtig dem einen Verdienst gegenüber, daß er uns dieses
Bild gezeichnet hat. Haben wir denn ein besseres neben diesem oder nur ein
andres? Keiner von denen lebt mehr, die die großen Zeiten in nahem Umgang
mit dem Fürsten erlebt haben, es waren ja nur wenig Leute, denen er sein
Vertrauen schenkte und schenken konnte, auf deren unbedingte Treue er sich
verlassen durfte. Und wie viele von denen, mit denen er intimer verkehrt
hat, waren denn imstande gewesen, ein Bild dieses Mannes zu zeichnen?
Wenigstens Busch hat es vermocht, und wenn er auch keine abgerundete Bio¬
graphie des Fürsten Bismarck geschrieben hat und hat schreiben wollen, so
wird doch kein Bild des Kanzlers gezeichnet werden können, ohne daß die
Züge, die er uns aufbewahrt hat, diesem Bilde eingefügt werden müßten.
Und voraussichtlich wird das, was Busch aufgezeichnet hat, auch in der Dar¬
stellung nie übertroffen werden, denn Busch konnte, was nicht viele können,
er konnte meisterhaft schreiben! Hat ihn in Einzelheiten sein Gedächtnis im
Stiche gelassen, so kommt das doch wahrhaftig dem gegenüber nicht in
Betracht, was wir ihm zu danken habe". Ihn deshalb zu begeifern ist nur
dem Neid möglich. Wie will man es bezeichnen, wenn man, wie man es ihm
gegenüber gethan hat, in einem Atem einen Kranken für unzurechnungsfähig


Moritz Busch und Fürst Bismarck

Kreise und war allen unendlich, viel, blieb aber einsam. Auch so bevorzugte Mit¬
arbeiter wie Hcchfeldt, Tiedemann und Lothar Bücher wurden von ihm doch nur
als Werkzeuge behandelt und beurteilt. . . .

Wer der Verfasser ist, weiß ich nicht.

Derselbe Sturm, der jetzt in den Blättern getobt hat, tobte auch damals,
mis „Graf Bismarck und seine Leute" erschien. Was ist schon damals gegen
und über diesen Mann gesagt worden, was über das Buch selbst, das nur
den einen Zweck hatte, darüber zu belehren, was das deutsche Volk an dem
Kanzler habe, ihm Verständnis für dessen Größe zu erwecken, als er der
bestgehaßte Mann in Deutschland war. Wenn dem deutschen Volke das Ver¬
ständnis dafür gekommen ist. so hat Buschs Buch dazu wahrhaftig seine
guten Dienste geleistet, und es wird auch sür alle Zeit eine unschätzbare
Quelle für die Erkenntnis des Charakters des Fürsten bleiben. Auch diesem
Buche gegenüber war ja der Fürst, wie es Busch selbst erzählt, ins Wanken
gekommen; er mißtraute der beabsichtigten Wirkung, und das Spiegelbild,
das er sah, behagte ihm nicht in jedem Zuge; aber denen gegenüber,
die Busch zum Lügner stempeln mochten, frage ich: Was verschlägt es denn,
wenn sich in diesem Buche zeigt, daß auch sein Verfasser ein Mensch ist,
der liebt und haßt? Ist es nicht genng, daß seine leidenschaftliche Liebe dem
gilt, den das deutsche Volk jetzt endlich als seineu größten Heros verehrt?
Und daß er seinen Helden mit der größten Treue, wahr und ungeschminkt so
zeichnet, wie er war und wie er sich gab in seiner Große und mit seinen
Menschlichkeiten? Wenn Busch auch tausend Vorwürfe zu machen wären,
sie wären alle nichtig dem einen Verdienst gegenüber, daß er uns dieses
Bild gezeichnet hat. Haben wir denn ein besseres neben diesem oder nur ein
andres? Keiner von denen lebt mehr, die die großen Zeiten in nahem Umgang
mit dem Fürsten erlebt haben, es waren ja nur wenig Leute, denen er sein
Vertrauen schenkte und schenken konnte, auf deren unbedingte Treue er sich
verlassen durfte. Und wie viele von denen, mit denen er intimer verkehrt
hat, waren denn imstande gewesen, ein Bild dieses Mannes zu zeichnen?
Wenigstens Busch hat es vermocht, und wenn er auch keine abgerundete Bio¬
graphie des Fürsten Bismarck geschrieben hat und hat schreiben wollen, so
wird doch kein Bild des Kanzlers gezeichnet werden können, ohne daß die
Züge, die er uns aufbewahrt hat, diesem Bilde eingefügt werden müßten.
Und voraussichtlich wird das, was Busch aufgezeichnet hat, auch in der Dar¬
stellung nie übertroffen werden, denn Busch konnte, was nicht viele können,
er konnte meisterhaft schreiben! Hat ihn in Einzelheiten sein Gedächtnis im
Stiche gelassen, so kommt das doch wahrhaftig dem gegenüber nicht in
Betracht, was wir ihm zu danken habe». Ihn deshalb zu begeifern ist nur
dem Neid möglich. Wie will man es bezeichnen, wenn man, wie man es ihm
gegenüber gethan hat, in einem Atem einen Kranken für unzurechnungsfähig


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[0036] Moritz Busch und Fürst Bismarck Kreise und war allen unendlich, viel, blieb aber einsam. Auch so bevorzugte Mit¬ arbeiter wie Hcchfeldt, Tiedemann und Lothar Bücher wurden von ihm doch nur als Werkzeuge behandelt und beurteilt. . . . Wer der Verfasser ist, weiß ich nicht. Derselbe Sturm, der jetzt in den Blättern getobt hat, tobte auch damals, mis „Graf Bismarck und seine Leute" erschien. Was ist schon damals gegen und über diesen Mann gesagt worden, was über das Buch selbst, das nur den einen Zweck hatte, darüber zu belehren, was das deutsche Volk an dem Kanzler habe, ihm Verständnis für dessen Größe zu erwecken, als er der bestgehaßte Mann in Deutschland war. Wenn dem deutschen Volke das Ver¬ ständnis dafür gekommen ist. so hat Buschs Buch dazu wahrhaftig seine guten Dienste geleistet, und es wird auch sür alle Zeit eine unschätzbare Quelle für die Erkenntnis des Charakters des Fürsten bleiben. Auch diesem Buche gegenüber war ja der Fürst, wie es Busch selbst erzählt, ins Wanken gekommen; er mißtraute der beabsichtigten Wirkung, und das Spiegelbild, das er sah, behagte ihm nicht in jedem Zuge; aber denen gegenüber, die Busch zum Lügner stempeln mochten, frage ich: Was verschlägt es denn, wenn sich in diesem Buche zeigt, daß auch sein Verfasser ein Mensch ist, der liebt und haßt? Ist es nicht genng, daß seine leidenschaftliche Liebe dem gilt, den das deutsche Volk jetzt endlich als seineu größten Heros verehrt? Und daß er seinen Helden mit der größten Treue, wahr und ungeschminkt so zeichnet, wie er war und wie er sich gab in seiner Große und mit seinen Menschlichkeiten? Wenn Busch auch tausend Vorwürfe zu machen wären, sie wären alle nichtig dem einen Verdienst gegenüber, daß er uns dieses Bild gezeichnet hat. Haben wir denn ein besseres neben diesem oder nur ein andres? Keiner von denen lebt mehr, die die großen Zeiten in nahem Umgang mit dem Fürsten erlebt haben, es waren ja nur wenig Leute, denen er sein Vertrauen schenkte und schenken konnte, auf deren unbedingte Treue er sich verlassen durfte. Und wie viele von denen, mit denen er intimer verkehrt hat, waren denn imstande gewesen, ein Bild dieses Mannes zu zeichnen? Wenigstens Busch hat es vermocht, und wenn er auch keine abgerundete Bio¬ graphie des Fürsten Bismarck geschrieben hat und hat schreiben wollen, so wird doch kein Bild des Kanzlers gezeichnet werden können, ohne daß die Züge, die er uns aufbewahrt hat, diesem Bilde eingefügt werden müßten. Und voraussichtlich wird das, was Busch aufgezeichnet hat, auch in der Dar¬ stellung nie übertroffen werden, denn Busch konnte, was nicht viele können, er konnte meisterhaft schreiben! Hat ihn in Einzelheiten sein Gedächtnis im Stiche gelassen, so kommt das doch wahrhaftig dem gegenüber nicht in Betracht, was wir ihm zu danken habe». Ihn deshalb zu begeifern ist nur dem Neid möglich. Wie will man es bezeichnen, wenn man, wie man es ihm gegenüber gethan hat, in einem Atem einen Kranken für unzurechnungsfähig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/36>, abgerufen am 23.07.2024.