Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Moritz Busch und Fürst Bismarck

Das Verhältnis zwischen den beiden Männern war gewiß eine höchst
wunderbare Erscheinung; sie allein verschafft schon einen eigentümlichen Ein¬
blick in das Leben des Fürsten. Der mächtigste Mann des Reichs läßt jahrelang
wieder und wieder diesen kleinen verleumdeten und gehaßten "Schriftsteller"
zu sich kommen, um eine Seele zu haben, der er sich anvertrauen kann, der
er sein Herz ausschütten kann -- mau denke sich diesen mitten in einer von
ihm beherrschten Welt einsam dastehenden Mann von durchdringendem Verstand
und leidenschaftlichem Herzen, allen an Klarheit des Blicks und berechnender
Weisheit überlegen, der keinem trauen darf und keinem traut von allen denen,
die ihn umgeben, der ein Leben lang mit Übelwollen, Haß, Neid und Un¬
verstand zu ringen gehabt hat -- es ist kein Wunder, daß er mißtrauisch
wurde. Und dieses Mißtrauen hat auch Busch zu Zeiten erfahren; es gab
ja Leute, die ein Interesse daran hatten, es bei dem Fürsten gegen ihn zu
erwecken, er selbst giebt mit gutem Humor Zeugnisse davon, was ihm natürlich
von edeln Seelen als Bedientenhaftigkeit ausgelegt wird. Busch zeigt es auch,
welche Opfer Bismarck von denen zu verlangen pflegte, die sich in seinen Dienst
stellten. Wie er von sich selbst sagte: x-itri^s inLorvi<zue!o con8umor, so verlangte
er von denen, die von ihm und vou seiner Sache überzeugt waren, daß sie sich
ohne Anspruch auf Dank dafür opferten; Dank haben weder Bücher noch Busch
von ihm erfahren, wenn er nicht darin lag, daß er ihre Arbeit hinnahm, solange
sie sich rühren konnten, und auch die Grenzboten nicht. Das hat natürlich gar
nichts damit zu thun, daß der Fürst, wie Busch zeigt, die Leute, die für ihn
thätig waren, gelegentlich rücksichtslos verleugnete und preisgab, wenn es not¬
wendig war, sein Verhältnis zu ihnen zu verschleiern; das konnte geboten sein,
und es ist kläglich, wenn man jetzt solche Stellen, in denen Busch von solchen
Vorkommnissen berichtet, dazu ausnutzen will, ihn zum Schuft zu stempeln.
Ich habe selbst amüsante Beispiele davon erlebt, wie wenig bei dem Fürsten
die rechte Hand von der linken wußte, wenn z. B. die Grenzboten einen Artikel
brachten, von dem mir bekannt war, daß er vom Fürsten ausging, und ich
denn von andrer Seite, die anch aus der Quelle zu schöpfen glaubte, gefragt
wurde, ob ich verrückt sei, solches Zeug aufzunehmen; die Grenzboten würden
öffentlich desavouiert werden/') Später, als Busch leidend und arbeitsunfähig
war, und der Fürst außer Amt und alt, hatte er andre Leute um sich --
welches Schlags die oftmals waren, ist sattsam bekannt. Es konnte schließlich
jeder von ihm hören, was er wollte, nud wie er es hören wollte, auch Aus¬
drücke über Busch, wie sie der edle Korrespondent der Leipziger Neuesten Nach¬
richten anführt; er brauchte ja nur den Fürsten ans einen solchen Verdacht zu



*) Als ein andres Beispiel dafür, wie vorsichtig Fürst Bismarck war, mag dienen, das; er,
als ich ihm dus erste Exemplar von "Graf Bismarck und seine Leute" schickte, mir schrieb,
"er werde um so lieber Kenntnis davon nehmen, als die geschmackvolle Ausstattung zum Lesen
einlade/'
Moritz Busch und Fürst Bismarck

Das Verhältnis zwischen den beiden Männern war gewiß eine höchst
wunderbare Erscheinung; sie allein verschafft schon einen eigentümlichen Ein¬
blick in das Leben des Fürsten. Der mächtigste Mann des Reichs läßt jahrelang
wieder und wieder diesen kleinen verleumdeten und gehaßten „Schriftsteller"
zu sich kommen, um eine Seele zu haben, der er sich anvertrauen kann, der
er sein Herz ausschütten kann — mau denke sich diesen mitten in einer von
ihm beherrschten Welt einsam dastehenden Mann von durchdringendem Verstand
und leidenschaftlichem Herzen, allen an Klarheit des Blicks und berechnender
Weisheit überlegen, der keinem trauen darf und keinem traut von allen denen,
die ihn umgeben, der ein Leben lang mit Übelwollen, Haß, Neid und Un¬
verstand zu ringen gehabt hat — es ist kein Wunder, daß er mißtrauisch
wurde. Und dieses Mißtrauen hat auch Busch zu Zeiten erfahren; es gab
ja Leute, die ein Interesse daran hatten, es bei dem Fürsten gegen ihn zu
erwecken, er selbst giebt mit gutem Humor Zeugnisse davon, was ihm natürlich
von edeln Seelen als Bedientenhaftigkeit ausgelegt wird. Busch zeigt es auch,
welche Opfer Bismarck von denen zu verlangen pflegte, die sich in seinen Dienst
stellten. Wie er von sich selbst sagte: x-itri^s inLorvi<zue!o con8umor, so verlangte
er von denen, die von ihm und vou seiner Sache überzeugt waren, daß sie sich
ohne Anspruch auf Dank dafür opferten; Dank haben weder Bücher noch Busch
von ihm erfahren, wenn er nicht darin lag, daß er ihre Arbeit hinnahm, solange
sie sich rühren konnten, und auch die Grenzboten nicht. Das hat natürlich gar
nichts damit zu thun, daß der Fürst, wie Busch zeigt, die Leute, die für ihn
thätig waren, gelegentlich rücksichtslos verleugnete und preisgab, wenn es not¬
wendig war, sein Verhältnis zu ihnen zu verschleiern; das konnte geboten sein,
und es ist kläglich, wenn man jetzt solche Stellen, in denen Busch von solchen
Vorkommnissen berichtet, dazu ausnutzen will, ihn zum Schuft zu stempeln.
Ich habe selbst amüsante Beispiele davon erlebt, wie wenig bei dem Fürsten
die rechte Hand von der linken wußte, wenn z. B. die Grenzboten einen Artikel
brachten, von dem mir bekannt war, daß er vom Fürsten ausging, und ich
denn von andrer Seite, die anch aus der Quelle zu schöpfen glaubte, gefragt
wurde, ob ich verrückt sei, solches Zeug aufzunehmen; die Grenzboten würden
öffentlich desavouiert werden/') Später, als Busch leidend und arbeitsunfähig
war, und der Fürst außer Amt und alt, hatte er andre Leute um sich —
welches Schlags die oftmals waren, ist sattsam bekannt. Es konnte schließlich
jeder von ihm hören, was er wollte, nud wie er es hören wollte, auch Aus¬
drücke über Busch, wie sie der edle Korrespondent der Leipziger Neuesten Nach¬
richten anführt; er brauchte ja nur den Fürsten ans einen solchen Verdacht zu



*) Als ein andres Beispiel dafür, wie vorsichtig Fürst Bismarck war, mag dienen, das; er,
als ich ihm dus erste Exemplar von „Graf Bismarck und seine Leute" schickte, mir schrieb,
„er werde um so lieber Kenntnis davon nehmen, als die geschmackvolle Ausstattung zum Lesen
einlade/'
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0032" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229718"/>
          <fw type="header" place="top"> Moritz Busch und Fürst Bismarck</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_57" next="#ID_58"> Das Verhältnis zwischen den beiden Männern war gewiß eine höchst<lb/>
wunderbare Erscheinung; sie allein verschafft schon einen eigentümlichen Ein¬<lb/>
blick in das Leben des Fürsten. Der mächtigste Mann des Reichs läßt jahrelang<lb/>
wieder und wieder diesen kleinen verleumdeten und gehaßten &#x201E;Schriftsteller"<lb/>
zu sich kommen, um eine Seele zu haben, der er sich anvertrauen kann, der<lb/>
er sein Herz ausschütten kann &#x2014; mau denke sich diesen mitten in einer von<lb/>
ihm beherrschten Welt einsam dastehenden Mann von durchdringendem Verstand<lb/>
und leidenschaftlichem Herzen, allen an Klarheit des Blicks und berechnender<lb/>
Weisheit überlegen, der keinem trauen darf und keinem traut von allen denen,<lb/>
die ihn umgeben, der ein Leben lang mit Übelwollen, Haß, Neid und Un¬<lb/>
verstand zu ringen gehabt hat &#x2014; es ist kein Wunder, daß er mißtrauisch<lb/>
wurde. Und dieses Mißtrauen hat auch Busch zu Zeiten erfahren; es gab<lb/>
ja Leute, die ein Interesse daran hatten, es bei dem Fürsten gegen ihn zu<lb/>
erwecken, er selbst giebt mit gutem Humor Zeugnisse davon, was ihm natürlich<lb/>
von edeln Seelen als Bedientenhaftigkeit ausgelegt wird. Busch zeigt es auch,<lb/>
welche Opfer Bismarck von denen zu verlangen pflegte, die sich in seinen Dienst<lb/>
stellten. Wie er von sich selbst sagte: x-itri^s inLorvi&lt;zue!o con8umor, so verlangte<lb/>
er von denen, die von ihm und vou seiner Sache überzeugt waren, daß sie sich<lb/>
ohne Anspruch auf Dank dafür opferten; Dank haben weder Bücher noch Busch<lb/>
von ihm erfahren, wenn er nicht darin lag, daß er ihre Arbeit hinnahm, solange<lb/>
sie sich rühren konnten, und auch die Grenzboten nicht. Das hat natürlich gar<lb/>
nichts damit zu thun, daß der Fürst, wie Busch zeigt, die Leute, die für ihn<lb/>
thätig waren, gelegentlich rücksichtslos verleugnete und preisgab, wenn es not¬<lb/>
wendig war, sein Verhältnis zu ihnen zu verschleiern; das konnte geboten sein,<lb/>
und es ist kläglich, wenn man jetzt solche Stellen, in denen Busch von solchen<lb/>
Vorkommnissen berichtet, dazu ausnutzen will, ihn zum Schuft zu stempeln.<lb/>
Ich habe selbst amüsante Beispiele davon erlebt, wie wenig bei dem Fürsten<lb/>
die rechte Hand von der linken wußte, wenn z. B. die Grenzboten einen Artikel<lb/>
brachten, von dem mir bekannt war, daß er vom Fürsten ausging, und ich<lb/>
denn von andrer Seite, die anch aus der Quelle zu schöpfen glaubte, gefragt<lb/>
wurde, ob ich verrückt sei, solches Zeug aufzunehmen; die Grenzboten würden<lb/>
öffentlich desavouiert werden/') Später, als Busch leidend und arbeitsunfähig<lb/>
war, und der Fürst außer Amt und alt, hatte er andre Leute um sich &#x2014;<lb/>
welches Schlags die oftmals waren, ist sattsam bekannt. Es konnte schließlich<lb/>
jeder von ihm hören, was er wollte, nud wie er es hören wollte, auch Aus¬<lb/>
drücke über Busch, wie sie der edle Korrespondent der Leipziger Neuesten Nach¬<lb/>
richten anführt; er brauchte ja nur den Fürsten ans einen solchen Verdacht zu</p><lb/>
          <note xml:id="FID_11" place="foot"> *) Als ein andres Beispiel dafür, wie vorsichtig Fürst Bismarck war, mag dienen, das; er,<lb/>
als ich ihm dus erste Exemplar von &#x201E;Graf Bismarck und seine Leute" schickte, mir schrieb,<lb/>
&#x201E;er werde um so lieber Kenntnis davon nehmen, als die geschmackvolle Ausstattung zum Lesen<lb/>
einlade/'</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0032] Moritz Busch und Fürst Bismarck Das Verhältnis zwischen den beiden Männern war gewiß eine höchst wunderbare Erscheinung; sie allein verschafft schon einen eigentümlichen Ein¬ blick in das Leben des Fürsten. Der mächtigste Mann des Reichs läßt jahrelang wieder und wieder diesen kleinen verleumdeten und gehaßten „Schriftsteller" zu sich kommen, um eine Seele zu haben, der er sich anvertrauen kann, der er sein Herz ausschütten kann — mau denke sich diesen mitten in einer von ihm beherrschten Welt einsam dastehenden Mann von durchdringendem Verstand und leidenschaftlichem Herzen, allen an Klarheit des Blicks und berechnender Weisheit überlegen, der keinem trauen darf und keinem traut von allen denen, die ihn umgeben, der ein Leben lang mit Übelwollen, Haß, Neid und Un¬ verstand zu ringen gehabt hat — es ist kein Wunder, daß er mißtrauisch wurde. Und dieses Mißtrauen hat auch Busch zu Zeiten erfahren; es gab ja Leute, die ein Interesse daran hatten, es bei dem Fürsten gegen ihn zu erwecken, er selbst giebt mit gutem Humor Zeugnisse davon, was ihm natürlich von edeln Seelen als Bedientenhaftigkeit ausgelegt wird. Busch zeigt es auch, welche Opfer Bismarck von denen zu verlangen pflegte, die sich in seinen Dienst stellten. Wie er von sich selbst sagte: x-itri^s inLorvi<zue!o con8umor, so verlangte er von denen, die von ihm und vou seiner Sache überzeugt waren, daß sie sich ohne Anspruch auf Dank dafür opferten; Dank haben weder Bücher noch Busch von ihm erfahren, wenn er nicht darin lag, daß er ihre Arbeit hinnahm, solange sie sich rühren konnten, und auch die Grenzboten nicht. Das hat natürlich gar nichts damit zu thun, daß der Fürst, wie Busch zeigt, die Leute, die für ihn thätig waren, gelegentlich rücksichtslos verleugnete und preisgab, wenn es not¬ wendig war, sein Verhältnis zu ihnen zu verschleiern; das konnte geboten sein, und es ist kläglich, wenn man jetzt solche Stellen, in denen Busch von solchen Vorkommnissen berichtet, dazu ausnutzen will, ihn zum Schuft zu stempeln. Ich habe selbst amüsante Beispiele davon erlebt, wie wenig bei dem Fürsten die rechte Hand von der linken wußte, wenn z. B. die Grenzboten einen Artikel brachten, von dem mir bekannt war, daß er vom Fürsten ausging, und ich denn von andrer Seite, die anch aus der Quelle zu schöpfen glaubte, gefragt wurde, ob ich verrückt sei, solches Zeug aufzunehmen; die Grenzboten würden öffentlich desavouiert werden/') Später, als Busch leidend und arbeitsunfähig war, und der Fürst außer Amt und alt, hatte er andre Leute um sich — welches Schlags die oftmals waren, ist sattsam bekannt. Es konnte schließlich jeder von ihm hören, was er wollte, nud wie er es hören wollte, auch Aus¬ drücke über Busch, wie sie der edle Korrespondent der Leipziger Neuesten Nach¬ richten anführt; er brauchte ja nur den Fürsten ans einen solchen Verdacht zu *) Als ein andres Beispiel dafür, wie vorsichtig Fürst Bismarck war, mag dienen, das; er, als ich ihm dus erste Exemplar von „Graf Bismarck und seine Leute" schickte, mir schrieb, „er werde um so lieber Kenntnis davon nehmen, als die geschmackvolle Ausstattung zum Lesen einlade/'

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/32
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/32>, abgerufen am 23.07.2024.