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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die Zukunft Deutsch-Südwestafrikas

in einem abgeschiednen Winkel des Schutzgebietes gelegne, für die Deportation
ausreichende Stück bedeutet nur einen verschwindend kleinen Bruchteil des süd?
afrikanischen Schutzgebiets. Es verbleibt mithin dieses ungeheure, zur Zeit
noch so gut wie menschenleere Gebiet, das für Millionen ehrlicher Deutscher
ausreicht, der freien Einwandruug zur ausschließlichen Benutzung offen. Die
freien Ansiedler Hütten von den Deportierten nur den Vorteil, sich in einer
schon für den Landbau vorbereiteten Gegend niederzulassen und sich zugleich
der Sträflinge als billiger Arbeitskräfte zu bedienen.

Ginge die Regierung auf unser Projekt ein, so würde sie Deutsch-Süd¬
westafrika ohne große Kosten und schnell seiner Bestimmung entgegenführen.
"Das Okavangothal, sagt Kurt von Franyois (a. a. O.), würde dann die Korn¬
kammer des Schutzgebiets werden und ihm die Bedürfnisse zuführen, die zur
Zeit, wie Mehl, Reis, Kaffee, Zucker, über Kapstadt hingelangen. Dies würde
eine noch größere Unabhängigkeit von der Kapkolonie zur Folge haben, in die
noch immer ein großer Teil der vom Reiche jährlich für Deutsch-Südwest¬
afrika ausgegebnen Gelder fließt; der englische Einfluß würde mehr und mehr
schwinden und die Kolonie zu dem werden, was sie sein soll: ein Abfluß- und
Absatzgebiet für Deutschland." Dann werden die Söhne unsrer deutschen
Bauern, die auf der väterlichen Scholle überflüssig sind und keine Mittel
haben, sich im alten Vaterlande anzukaufen, nicht mehr das städtische
Fabrikproletariat zu vergrößern brauchen, sondern sie werden sich in ihrem
neuen deutschen Vaterlande auf jungfräulichen und schuldenfreien Boden als.
selbständige Wirte niederlassen und eine Familie begründen können. Und mit
dem Gedeihen der Ackerbaukolonie werden dort zugleich unsre deutschen Hemd-i
werter, deren so manche durch den modernen Fabrikbetrieb und durch die,
Großindustrie zu unzufrieduen, weil hoffnungslosen Proletariern hinabgesunken
sind, Beschäftigung und Nahrung finden. Auch sie werden bald in der Lage
sein, eine eigne Heimstätte zu begründen und damit des Segens eines sorgen¬
losen Familienlebens teilhaft werden. Aus stumpfsinnigen, unzufrieduen
und vaterlandslosen Proletariern werden arbeitsfreudige, glückliche Menschen
mit patriotischer Gesinnung werden. Mit dem reichlichen Zuzug von Lands-
leuten werden auch bald im neuen Vaterlande größere städtische Gemeinwesen
entsteh", in denen mit dem Anwachsen des Wohlstandes ihrer ansässigen Be¬
völkerung auch höhere Berufsarten lohnende Beschäftigung finden werden.
Ärzte, Lehrer, Techniker, Gewerbetreibende aller Art, die infolge der durch die
Übervölkerung in der Heimat hervorgcrufnen Konkurrenz in Not geraten und
aus Verzweiflung Sozialdemokraten geworden sind, sie werden im neue" Vater¬
lande mit ihren Familien gleichfalls ihr Auskommen haben. In solcher Weise
ließe sich ein Teil der sozialen Frage auf friedlichem Wege lösen.

Wie kleinlich erscheinen diesem großen Ziele gegenüber die bisherigen
Maßnahmen zur Besiedlung des Schutzgebiets. Zu der ablehnenden Haltung


Die Zukunft Deutsch-Südwestafrikas

in einem abgeschiednen Winkel des Schutzgebietes gelegne, für die Deportation
ausreichende Stück bedeutet nur einen verschwindend kleinen Bruchteil des süd?
afrikanischen Schutzgebiets. Es verbleibt mithin dieses ungeheure, zur Zeit
noch so gut wie menschenleere Gebiet, das für Millionen ehrlicher Deutscher
ausreicht, der freien Einwandruug zur ausschließlichen Benutzung offen. Die
freien Ansiedler Hütten von den Deportierten nur den Vorteil, sich in einer
schon für den Landbau vorbereiteten Gegend niederzulassen und sich zugleich
der Sträflinge als billiger Arbeitskräfte zu bedienen.

Ginge die Regierung auf unser Projekt ein, so würde sie Deutsch-Süd¬
westafrika ohne große Kosten und schnell seiner Bestimmung entgegenführen.
„Das Okavangothal, sagt Kurt von Franyois (a. a. O.), würde dann die Korn¬
kammer des Schutzgebiets werden und ihm die Bedürfnisse zuführen, die zur
Zeit, wie Mehl, Reis, Kaffee, Zucker, über Kapstadt hingelangen. Dies würde
eine noch größere Unabhängigkeit von der Kapkolonie zur Folge haben, in die
noch immer ein großer Teil der vom Reiche jährlich für Deutsch-Südwest¬
afrika ausgegebnen Gelder fließt; der englische Einfluß würde mehr und mehr
schwinden und die Kolonie zu dem werden, was sie sein soll: ein Abfluß- und
Absatzgebiet für Deutschland." Dann werden die Söhne unsrer deutschen
Bauern, die auf der väterlichen Scholle überflüssig sind und keine Mittel
haben, sich im alten Vaterlande anzukaufen, nicht mehr das städtische
Fabrikproletariat zu vergrößern brauchen, sondern sie werden sich in ihrem
neuen deutschen Vaterlande auf jungfräulichen und schuldenfreien Boden als.
selbständige Wirte niederlassen und eine Familie begründen können. Und mit
dem Gedeihen der Ackerbaukolonie werden dort zugleich unsre deutschen Hemd-i
werter, deren so manche durch den modernen Fabrikbetrieb und durch die,
Großindustrie zu unzufrieduen, weil hoffnungslosen Proletariern hinabgesunken
sind, Beschäftigung und Nahrung finden. Auch sie werden bald in der Lage
sein, eine eigne Heimstätte zu begründen und damit des Segens eines sorgen¬
losen Familienlebens teilhaft werden. Aus stumpfsinnigen, unzufrieduen
und vaterlandslosen Proletariern werden arbeitsfreudige, glückliche Menschen
mit patriotischer Gesinnung werden. Mit dem reichlichen Zuzug von Lands-
leuten werden auch bald im neuen Vaterlande größere städtische Gemeinwesen
entsteh», in denen mit dem Anwachsen des Wohlstandes ihrer ansässigen Be¬
völkerung auch höhere Berufsarten lohnende Beschäftigung finden werden.
Ärzte, Lehrer, Techniker, Gewerbetreibende aller Art, die infolge der durch die
Übervölkerung in der Heimat hervorgcrufnen Konkurrenz in Not geraten und
aus Verzweiflung Sozialdemokraten geworden sind, sie werden im neue» Vater¬
lande mit ihren Familien gleichfalls ihr Auskommen haben. In solcher Weise
ließe sich ein Teil der sozialen Frage auf friedlichem Wege lösen.

Wie kleinlich erscheinen diesem großen Ziele gegenüber die bisherigen
Maßnahmen zur Besiedlung des Schutzgebiets. Zu der ablehnenden Haltung


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[0300] Die Zukunft Deutsch-Südwestafrikas in einem abgeschiednen Winkel des Schutzgebietes gelegne, für die Deportation ausreichende Stück bedeutet nur einen verschwindend kleinen Bruchteil des süd? afrikanischen Schutzgebiets. Es verbleibt mithin dieses ungeheure, zur Zeit noch so gut wie menschenleere Gebiet, das für Millionen ehrlicher Deutscher ausreicht, der freien Einwandruug zur ausschließlichen Benutzung offen. Die freien Ansiedler Hütten von den Deportierten nur den Vorteil, sich in einer schon für den Landbau vorbereiteten Gegend niederzulassen und sich zugleich der Sträflinge als billiger Arbeitskräfte zu bedienen. Ginge die Regierung auf unser Projekt ein, so würde sie Deutsch-Süd¬ westafrika ohne große Kosten und schnell seiner Bestimmung entgegenführen. „Das Okavangothal, sagt Kurt von Franyois (a. a. O.), würde dann die Korn¬ kammer des Schutzgebiets werden und ihm die Bedürfnisse zuführen, die zur Zeit, wie Mehl, Reis, Kaffee, Zucker, über Kapstadt hingelangen. Dies würde eine noch größere Unabhängigkeit von der Kapkolonie zur Folge haben, in die noch immer ein großer Teil der vom Reiche jährlich für Deutsch-Südwest¬ afrika ausgegebnen Gelder fließt; der englische Einfluß würde mehr und mehr schwinden und die Kolonie zu dem werden, was sie sein soll: ein Abfluß- und Absatzgebiet für Deutschland." Dann werden die Söhne unsrer deutschen Bauern, die auf der väterlichen Scholle überflüssig sind und keine Mittel haben, sich im alten Vaterlande anzukaufen, nicht mehr das städtische Fabrikproletariat zu vergrößern brauchen, sondern sie werden sich in ihrem neuen deutschen Vaterlande auf jungfräulichen und schuldenfreien Boden als. selbständige Wirte niederlassen und eine Familie begründen können. Und mit dem Gedeihen der Ackerbaukolonie werden dort zugleich unsre deutschen Hemd-i werter, deren so manche durch den modernen Fabrikbetrieb und durch die, Großindustrie zu unzufrieduen, weil hoffnungslosen Proletariern hinabgesunken sind, Beschäftigung und Nahrung finden. Auch sie werden bald in der Lage sein, eine eigne Heimstätte zu begründen und damit des Segens eines sorgen¬ losen Familienlebens teilhaft werden. Aus stumpfsinnigen, unzufrieduen und vaterlandslosen Proletariern werden arbeitsfreudige, glückliche Menschen mit patriotischer Gesinnung werden. Mit dem reichlichen Zuzug von Lands- leuten werden auch bald im neuen Vaterlande größere städtische Gemeinwesen entsteh», in denen mit dem Anwachsen des Wohlstandes ihrer ansässigen Be¬ völkerung auch höhere Berufsarten lohnende Beschäftigung finden werden. Ärzte, Lehrer, Techniker, Gewerbetreibende aller Art, die infolge der durch die Übervölkerung in der Heimat hervorgcrufnen Konkurrenz in Not geraten und aus Verzweiflung Sozialdemokraten geworden sind, sie werden im neue» Vater¬ lande mit ihren Familien gleichfalls ihr Auskommen haben. In solcher Weise ließe sich ein Teil der sozialen Frage auf friedlichem Wege lösen. Wie kleinlich erscheinen diesem großen Ziele gegenüber die bisherigen Maßnahmen zur Besiedlung des Schutzgebiets. Zu der ablehnenden Haltung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/300>, abgerufen am 23.07.2024.