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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Man liebt es, von "gebornen Feldherren" zu sprechen, und die das Kriegs¬
wesen berührenden sozialdemokratischen Schriften behaupten oft genug, daß
Genies ohne weiteres die aus dem Boden gestampften Volkswehrhecre zum
Siege führen werden. Die Kriegsgeschichte lehrt auf jeder ihrer Seiten, daß
auch im Feldherrutnm kein Meister vom Himmel fällt und fallen kann. Cromwell,
auf den man sich gern beruft, wenn man das Beispiel eines gebornen Feld¬
herrn geben will, hatte für seine Zeit die genügende militärische Vorbildung,
denn damals kam es noch vorzugsweise auf ein imponierendes Haudegentum an.
Übrigens hatte auch Cromwell eine freilich kurze Schule als Unterführer durch¬
gemacht, ehe er das militärische Haupt der Independenten wurde. Und kann
dieser finstre, puritanische, ungekrönte König von England wirklich das Feld¬
herrnideal einer sozialdemokratischen Volkswehr sein? Friedrich der Große so
gut wie Napoleon waren theoretisch vorgebildet, als sie ihre Feldherrnlaufbahn
begannen, dennoch erlebte der eine Mollwitz, der andre Arcole, und nur das
unberechenbare Glück sicherte sie hier wie dort vor einer schweren Niederlage.
Angesichts dieser Thatsachen, die die beiden größten Feldherren der neuern Zeit
betreffen, will man kaltblütig behaupten, irgend jemand, der vielleicht bis dahin
einer rein bürgerlichen Beschäftigung nachgegangen ist, könne als veus ox
nig-s-ninÄ auf dem Blachfelde erscheinen, wo die eisernen Würfel rollen. Und
glaubt man ferner wirklich, der siegreiche Volkswehrfeldherr, dem alle Mittel
zur Verfügung stehen, werde sich nach seinen Erfolgen noch von den daheim
ratenden Genossen gängeln lassen? Man vergesse doch nicht, die Spitze der
römischen Demokratie trug den Namen: Casus Julius Cäsar. Endlich, wer
würde es wagen, sagen wir z. B. einen Drechslermeister in die Oberleitung
eines elektro-chemischen Unternehmens oder einen Redakteur an die Spitze einer
großartigen Maschinenfabrik zu stellen? Man möchte bei derlei Experimenten
doch wohl sehr trübe Erfahrungen machen. Dagegen behauptet man kaltblütig,
Feldherren fänden sich zu Dutzenden, sofern man sie nur nötig hätte. Pfuschende
Fabrikleiter kosten Geld, und vielleicht töten sie auch durch ihr Ungeschick einige
Menschen. Unfähige Feldherren vernichten aber Hunderttausende von arbeit¬
samen, tüchtigen Bürgern, Milliarden an Geld und meistens auch die staat¬
liche Selbständigkeit ihres Vaterlandes. Gewiß, pfuschende Feldherren und
unfähige Fabrikdirektoreu können zu allen Zeiten in jedem Staate vorkommen.
Aber die Gefahr, daß sie zum Schaden der Allgemeinheit auftreten, vermindert
sich doch ganz bedeutend, wenn ihre Ausbildung die mögliche Bürgschaft leistet,
daß sie zu ihrem Berufe wirklich fähig sind.

Volkswehren im sozialdemokratischen Sinne, mit allen ihren Anhängseln
der Ofsizicrswcchl durch die Truppe und dem ox jmxrompw aus dem poli¬
tischen Spargelbeet aufschießenden Feldherrutnm mögen dort vorzüglich sein,
wo man sicher ist, keine Kriege mehr führen zu müssen. Solange jedoch re¬
publikanische Staaten bestehen, in denen es zum amen Tone auch bei den


Grenzboten I 1399 24

Man liebt es, von „gebornen Feldherren" zu sprechen, und die das Kriegs¬
wesen berührenden sozialdemokratischen Schriften behaupten oft genug, daß
Genies ohne weiteres die aus dem Boden gestampften Volkswehrhecre zum
Siege führen werden. Die Kriegsgeschichte lehrt auf jeder ihrer Seiten, daß
auch im Feldherrutnm kein Meister vom Himmel fällt und fallen kann. Cromwell,
auf den man sich gern beruft, wenn man das Beispiel eines gebornen Feld¬
herrn geben will, hatte für seine Zeit die genügende militärische Vorbildung,
denn damals kam es noch vorzugsweise auf ein imponierendes Haudegentum an.
Übrigens hatte auch Cromwell eine freilich kurze Schule als Unterführer durch¬
gemacht, ehe er das militärische Haupt der Independenten wurde. Und kann
dieser finstre, puritanische, ungekrönte König von England wirklich das Feld¬
herrnideal einer sozialdemokratischen Volkswehr sein? Friedrich der Große so
gut wie Napoleon waren theoretisch vorgebildet, als sie ihre Feldherrnlaufbahn
begannen, dennoch erlebte der eine Mollwitz, der andre Arcole, und nur das
unberechenbare Glück sicherte sie hier wie dort vor einer schweren Niederlage.
Angesichts dieser Thatsachen, die die beiden größten Feldherren der neuern Zeit
betreffen, will man kaltblütig behaupten, irgend jemand, der vielleicht bis dahin
einer rein bürgerlichen Beschäftigung nachgegangen ist, könne als veus ox
nig-s-ninÄ auf dem Blachfelde erscheinen, wo die eisernen Würfel rollen. Und
glaubt man ferner wirklich, der siegreiche Volkswehrfeldherr, dem alle Mittel
zur Verfügung stehen, werde sich nach seinen Erfolgen noch von den daheim
ratenden Genossen gängeln lassen? Man vergesse doch nicht, die Spitze der
römischen Demokratie trug den Namen: Casus Julius Cäsar. Endlich, wer
würde es wagen, sagen wir z. B. einen Drechslermeister in die Oberleitung
eines elektro-chemischen Unternehmens oder einen Redakteur an die Spitze einer
großartigen Maschinenfabrik zu stellen? Man möchte bei derlei Experimenten
doch wohl sehr trübe Erfahrungen machen. Dagegen behauptet man kaltblütig,
Feldherren fänden sich zu Dutzenden, sofern man sie nur nötig hätte. Pfuschende
Fabrikleiter kosten Geld, und vielleicht töten sie auch durch ihr Ungeschick einige
Menschen. Unfähige Feldherren vernichten aber Hunderttausende von arbeit¬
samen, tüchtigen Bürgern, Milliarden an Geld und meistens auch die staat¬
liche Selbständigkeit ihres Vaterlandes. Gewiß, pfuschende Feldherren und
unfähige Fabrikdirektoreu können zu allen Zeiten in jedem Staate vorkommen.
Aber die Gefahr, daß sie zum Schaden der Allgemeinheit auftreten, vermindert
sich doch ganz bedeutend, wenn ihre Ausbildung die mögliche Bürgschaft leistet,
daß sie zu ihrem Berufe wirklich fähig sind.

Volkswehren im sozialdemokratischen Sinne, mit allen ihren Anhängseln
der Ofsizicrswcchl durch die Truppe und dem ox jmxrompw aus dem poli¬
tischen Spargelbeet aufschießenden Feldherrutnm mögen dort vorzüglich sein,
wo man sicher ist, keine Kriege mehr führen zu müssen. Solange jedoch re¬
publikanische Staaten bestehen, in denen es zum amen Tone auch bei den


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[0193] Man liebt es, von „gebornen Feldherren" zu sprechen, und die das Kriegs¬ wesen berührenden sozialdemokratischen Schriften behaupten oft genug, daß Genies ohne weiteres die aus dem Boden gestampften Volkswehrhecre zum Siege führen werden. Die Kriegsgeschichte lehrt auf jeder ihrer Seiten, daß auch im Feldherrutnm kein Meister vom Himmel fällt und fallen kann. Cromwell, auf den man sich gern beruft, wenn man das Beispiel eines gebornen Feld¬ herrn geben will, hatte für seine Zeit die genügende militärische Vorbildung, denn damals kam es noch vorzugsweise auf ein imponierendes Haudegentum an. Übrigens hatte auch Cromwell eine freilich kurze Schule als Unterführer durch¬ gemacht, ehe er das militärische Haupt der Independenten wurde. Und kann dieser finstre, puritanische, ungekrönte König von England wirklich das Feld¬ herrnideal einer sozialdemokratischen Volkswehr sein? Friedrich der Große so gut wie Napoleon waren theoretisch vorgebildet, als sie ihre Feldherrnlaufbahn begannen, dennoch erlebte der eine Mollwitz, der andre Arcole, und nur das unberechenbare Glück sicherte sie hier wie dort vor einer schweren Niederlage. Angesichts dieser Thatsachen, die die beiden größten Feldherren der neuern Zeit betreffen, will man kaltblütig behaupten, irgend jemand, der vielleicht bis dahin einer rein bürgerlichen Beschäftigung nachgegangen ist, könne als veus ox nig-s-ninÄ auf dem Blachfelde erscheinen, wo die eisernen Würfel rollen. Und glaubt man ferner wirklich, der siegreiche Volkswehrfeldherr, dem alle Mittel zur Verfügung stehen, werde sich nach seinen Erfolgen noch von den daheim ratenden Genossen gängeln lassen? Man vergesse doch nicht, die Spitze der römischen Demokratie trug den Namen: Casus Julius Cäsar. Endlich, wer würde es wagen, sagen wir z. B. einen Drechslermeister in die Oberleitung eines elektro-chemischen Unternehmens oder einen Redakteur an die Spitze einer großartigen Maschinenfabrik zu stellen? Man möchte bei derlei Experimenten doch wohl sehr trübe Erfahrungen machen. Dagegen behauptet man kaltblütig, Feldherren fänden sich zu Dutzenden, sofern man sie nur nötig hätte. Pfuschende Fabrikleiter kosten Geld, und vielleicht töten sie auch durch ihr Ungeschick einige Menschen. Unfähige Feldherren vernichten aber Hunderttausende von arbeit¬ samen, tüchtigen Bürgern, Milliarden an Geld und meistens auch die staat¬ liche Selbständigkeit ihres Vaterlandes. Gewiß, pfuschende Feldherren und unfähige Fabrikdirektoreu können zu allen Zeiten in jedem Staate vorkommen. Aber die Gefahr, daß sie zum Schaden der Allgemeinheit auftreten, vermindert sich doch ganz bedeutend, wenn ihre Ausbildung die mögliche Bürgschaft leistet, daß sie zu ihrem Berufe wirklich fähig sind. Volkswehren im sozialdemokratischen Sinne, mit allen ihren Anhängseln der Ofsizicrswcchl durch die Truppe und dem ox jmxrompw aus dem poli¬ tischen Spargelbeet aufschießenden Feldherrutnm mögen dort vorzüglich sein, wo man sicher ist, keine Kriege mehr führen zu müssen. Solange jedoch re¬ publikanische Staaten bestehen, in denen es zum amen Tone auch bei den Grenzboten I 1399 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/193>, abgerufen am 23.07.2024.