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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die deutsche Geldreform

hervorgehende Unsicherheit des Geschäftsverkehrs unerträglich finden mußten,
das liegt ans der Hand. Hatte man aber über eine Reichsmünze zu ent¬
scheiden, so war auch die Wührungsfrage nicht zu umgehen.

In frühern Zeiten hatte eine solche gar nicht bestanden. Ausdrücke wie
Gold- und Silberwährung, Doppelwährung, Parallelwährung*) hätten im
Mittelalter keinen Sinn gehabt. Aus beiden Edelmetallen wurden Münzen
geprägt; "aber es fehlte nicht nur den einzelnen Sorten verschiednen Metalls,
sondern auch den gleichmetallischen Münzen die unbedingte gegenseitige Ver¬
tretbarkeit, ebenso bestand nicht nur zwischen den verschiedenmetallischen, sondern
auch zwischen den gleichmetallischen Sorten kein festes Wertverhältnis. Weder
in rechtlicher noch in volkswirtschaftlicher Beziehung bestand also damals ein
einheitliches Geldsystem; der Zustand des Geldwesens charakterisiert sich viel¬
mehr als ein Nebeneinander verschiedner Münzsorten, die als allgemeines
Tauschmittel dienten." Schuld- und Kaufvertrage mußten daher immer mit
Beziehung auf eine bestimmte Geldsorte, z. B. ungarische Dukaten oder Schock
Prager Groschen abgeschlossen, und Verbindlichkeiten konnten nur mit Münzen
der vereinbarten Sorte gelöst werden, da es für die Anrechnung keinen ge¬
setzlich anerkannten Maßstab gab. Natürlich fand man diesen Zustand un¬
bequem und erstrebte die Vertretbarkeit der verschiednen Münzsorten auf Grund
eines festen Wertverhältnisses zwischen ihnen. "Dabei dachte man nicht an das,
was wir heute Währungsfrage nennen; man überlegte nicht, ob man für das
angestrebte einheitliche Geldwesen Gold oder Silber oder beide Metalle als
Grundlage annehmen solle; man lehnte sich vielmehr überall an den thatsächlich
vorhandnen Münzumlauf an und experimentierte. Ausschlaggebend war einzig
und allein, wie man zu dem gewollten Ziel, der Einheitlichkeit des Geldwesens,
gelangen könnte, nicht die Frage, welches Währungsshstem, die Durchführung
vorausgesetzt, den Vorzug verdiene. Es erscheint natürlich, daß man zunächst
das System anstrebte, das wir heute Doppelwährung nennen, nicht etwa, weil
man von der Doppelwährung die segensreichsten Wirkungen sür die gesamte
Volkswirtschaft erwartete, sondern weil man die gleichzeitig umlaufenden Gold-
und Silbermünzen durch gegenseitige Tarifierungen am einfachsten zu einem
einheitlichen Geldsystem vereinigen zu können glaubte. Da zeigte es sich
nun, daß es viel leichter sei, ein festes Wertverhältnis zwischen den gleich¬
metallischen Münzen durchzusetzen als zwischen den verschiedenmetallischen."
Während es nach und nach überall gelang, die verschiednen Münzen aus dem¬
selben Metall in ein festes Wertverhültnis zu einander zu bringen, ließen sich
die Wertschwankungen zwischen Gold und Silber, daher auch die zwischen



Parallelwährung nennt man es, wenn zugleich Gold - und Silbermünzen umlaufen,
die beide gesetzliche Zahlkraft haben. Macht die Negierung den vergeblichen Versuch, dus Wert¬
verhültnis zwischen den Gold- und Silbcrmttnzen gesetzlich festzulegen, so nennt man die Parallel¬
währung Doppelwährung.
Die deutsche Geldreform

hervorgehende Unsicherheit des Geschäftsverkehrs unerträglich finden mußten,
das liegt ans der Hand. Hatte man aber über eine Reichsmünze zu ent¬
scheiden, so war auch die Wührungsfrage nicht zu umgehen.

In frühern Zeiten hatte eine solche gar nicht bestanden. Ausdrücke wie
Gold- und Silberwährung, Doppelwährung, Parallelwährung*) hätten im
Mittelalter keinen Sinn gehabt. Aus beiden Edelmetallen wurden Münzen
geprägt; „aber es fehlte nicht nur den einzelnen Sorten verschiednen Metalls,
sondern auch den gleichmetallischen Münzen die unbedingte gegenseitige Ver¬
tretbarkeit, ebenso bestand nicht nur zwischen den verschiedenmetallischen, sondern
auch zwischen den gleichmetallischen Sorten kein festes Wertverhältnis. Weder
in rechtlicher noch in volkswirtschaftlicher Beziehung bestand also damals ein
einheitliches Geldsystem; der Zustand des Geldwesens charakterisiert sich viel¬
mehr als ein Nebeneinander verschiedner Münzsorten, die als allgemeines
Tauschmittel dienten." Schuld- und Kaufvertrage mußten daher immer mit
Beziehung auf eine bestimmte Geldsorte, z. B. ungarische Dukaten oder Schock
Prager Groschen abgeschlossen, und Verbindlichkeiten konnten nur mit Münzen
der vereinbarten Sorte gelöst werden, da es für die Anrechnung keinen ge¬
setzlich anerkannten Maßstab gab. Natürlich fand man diesen Zustand un¬
bequem und erstrebte die Vertretbarkeit der verschiednen Münzsorten auf Grund
eines festen Wertverhältnisses zwischen ihnen. „Dabei dachte man nicht an das,
was wir heute Währungsfrage nennen; man überlegte nicht, ob man für das
angestrebte einheitliche Geldwesen Gold oder Silber oder beide Metalle als
Grundlage annehmen solle; man lehnte sich vielmehr überall an den thatsächlich
vorhandnen Münzumlauf an und experimentierte. Ausschlaggebend war einzig
und allein, wie man zu dem gewollten Ziel, der Einheitlichkeit des Geldwesens,
gelangen könnte, nicht die Frage, welches Währungsshstem, die Durchführung
vorausgesetzt, den Vorzug verdiene. Es erscheint natürlich, daß man zunächst
das System anstrebte, das wir heute Doppelwährung nennen, nicht etwa, weil
man von der Doppelwährung die segensreichsten Wirkungen sür die gesamte
Volkswirtschaft erwartete, sondern weil man die gleichzeitig umlaufenden Gold-
und Silbermünzen durch gegenseitige Tarifierungen am einfachsten zu einem
einheitlichen Geldsystem vereinigen zu können glaubte. Da zeigte es sich
nun, daß es viel leichter sei, ein festes Wertverhältnis zwischen den gleich¬
metallischen Münzen durchzusetzen als zwischen den verschiedenmetallischen."
Während es nach und nach überall gelang, die verschiednen Münzen aus dem¬
selben Metall in ein festes Wertverhültnis zu einander zu bringen, ließen sich
die Wertschwankungen zwischen Gold und Silber, daher auch die zwischen



Parallelwährung nennt man es, wenn zugleich Gold - und Silbermünzen umlaufen,
die beide gesetzliche Zahlkraft haben. Macht die Negierung den vergeblichen Versuch, dus Wert¬
verhültnis zwischen den Gold- und Silbcrmttnzen gesetzlich festzulegen, so nennt man die Parallel¬
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[0016] Die deutsche Geldreform hervorgehende Unsicherheit des Geschäftsverkehrs unerträglich finden mußten, das liegt ans der Hand. Hatte man aber über eine Reichsmünze zu ent¬ scheiden, so war auch die Wührungsfrage nicht zu umgehen. In frühern Zeiten hatte eine solche gar nicht bestanden. Ausdrücke wie Gold- und Silberwährung, Doppelwährung, Parallelwährung*) hätten im Mittelalter keinen Sinn gehabt. Aus beiden Edelmetallen wurden Münzen geprägt; „aber es fehlte nicht nur den einzelnen Sorten verschiednen Metalls, sondern auch den gleichmetallischen Münzen die unbedingte gegenseitige Ver¬ tretbarkeit, ebenso bestand nicht nur zwischen den verschiedenmetallischen, sondern auch zwischen den gleichmetallischen Sorten kein festes Wertverhältnis. Weder in rechtlicher noch in volkswirtschaftlicher Beziehung bestand also damals ein einheitliches Geldsystem; der Zustand des Geldwesens charakterisiert sich viel¬ mehr als ein Nebeneinander verschiedner Münzsorten, die als allgemeines Tauschmittel dienten." Schuld- und Kaufvertrage mußten daher immer mit Beziehung auf eine bestimmte Geldsorte, z. B. ungarische Dukaten oder Schock Prager Groschen abgeschlossen, und Verbindlichkeiten konnten nur mit Münzen der vereinbarten Sorte gelöst werden, da es für die Anrechnung keinen ge¬ setzlich anerkannten Maßstab gab. Natürlich fand man diesen Zustand un¬ bequem und erstrebte die Vertretbarkeit der verschiednen Münzsorten auf Grund eines festen Wertverhältnisses zwischen ihnen. „Dabei dachte man nicht an das, was wir heute Währungsfrage nennen; man überlegte nicht, ob man für das angestrebte einheitliche Geldwesen Gold oder Silber oder beide Metalle als Grundlage annehmen solle; man lehnte sich vielmehr überall an den thatsächlich vorhandnen Münzumlauf an und experimentierte. Ausschlaggebend war einzig und allein, wie man zu dem gewollten Ziel, der Einheitlichkeit des Geldwesens, gelangen könnte, nicht die Frage, welches Währungsshstem, die Durchführung vorausgesetzt, den Vorzug verdiene. Es erscheint natürlich, daß man zunächst das System anstrebte, das wir heute Doppelwährung nennen, nicht etwa, weil man von der Doppelwährung die segensreichsten Wirkungen sür die gesamte Volkswirtschaft erwartete, sondern weil man die gleichzeitig umlaufenden Gold- und Silbermünzen durch gegenseitige Tarifierungen am einfachsten zu einem einheitlichen Geldsystem vereinigen zu können glaubte. Da zeigte es sich nun, daß es viel leichter sei, ein festes Wertverhältnis zwischen den gleich¬ metallischen Münzen durchzusetzen als zwischen den verschiedenmetallischen." Während es nach und nach überall gelang, die verschiednen Münzen aus dem¬ selben Metall in ein festes Wertverhültnis zu einander zu bringen, ließen sich die Wertschwankungen zwischen Gold und Silber, daher auch die zwischen Parallelwährung nennt man es, wenn zugleich Gold - und Silbermünzen umlaufen, die beide gesetzliche Zahlkraft haben. Macht die Negierung den vergeblichen Versuch, dus Wert¬ verhültnis zwischen den Gold- und Silbcrmttnzen gesetzlich festzulegen, so nennt man die Parallel¬ währung Doppelwährung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/16>, abgerufen am 23.07.2024.