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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die deutsche Geldreform

kaufmännischen Beratungen wurden einigermaßen durch den Rausch gestört,
den 1867 der Pariser Kongreß mit seiner Idee der Weltmünze erzeugte. Die
Resolutionen von 1367 und 1868 forderten den Anschluß an das Franken¬
system, und selbst Soetbeer ließ sich von der allgemeinen Begeisterung fort¬
reißen. Wenn man nun auch davon wieder zurückkam, so hatte doch der
Kongreß in allen Fachmännern die Überzeugung befestigt, daß die Zukunft dem
Golde gehöre, und daß sich Deutschland isolieren würde, wenn es sein Münz-
wesen auf einer andern Grundlage als der Goldwährung ordnen wollte; daß
um dieselbe Zeit der Silberpreis zu sinken begann, konnte zum Fortschreiten
auf der eingeschlagnen Bahn nur ermutigen. Sonderbarerweise, und doch ganz
natürlicherweise, war es gerade die steigende Goldfülle, was nicht das Gold,
sondern das Silber entwertete. Indem sich nämlich die europäischen Völker
mehr und mehr mit dem Gedanken vertraut machten, daß Gold das eigentliche
Währungsmetall sei, hielt die Nachfrage nach Gold mit der Produktion gleichen
Schritt, während die nach Silber nachließ. Unter diesen Umständen wurde das
Verlangen der Handelswelt nach einer baldigen Münzreform immer dringender.
Man sah den weitern Sturz des Silberpreises bei fortschreitender Demoneti-
sierung des Silbers voraus, und daß für Deutschland der Verlust an seinem
Silber um so größer sein werde, je länger es zögre und sich die andern
Staaten zuvorkommen lasse. Die führende Macht im Norddeutschen Bunde,
Preußen, hielt sich jedoch vorsichtig zurück. Einerseits mochte die Negierung
die Kostspieligkeit der Änderung fürchten, dann aber waren die hohen Staats¬
beamten mit Arbeiten so überhäuft, daß sie kaum Zeit gefunden haben können,
die schwierige Materie zu studieren und Klarheit darüber zu gewinnen. Da
brach der französische Krieg aus, schuf das Deutsche Reich und rurale alle
Hindernisse der Münzreform hinweg.

Zunächst die der Vielstaaterei entspringenden: die Reichsverfassung erklärte
das Münz-, Papiergeld- und Notenwesen für eine Angelegenheit des Reichs.
Dann konnten bei dem Riß zwischen Deutschland und Frankreich die auf eine
Münzeinheit gerichteten Bestrebungen nicht mehr durch die Idee einer Welt¬
münze auf der Grundlage des Frankensystems abgelenkt werden. Endlich und
vor allem aber hatte man das Gold zur Durchführung der Währungsordnung.
Auch in dieser Beziehung, wie in der Weltstellung überhaupt, hatten Deutsch¬
land und Frankreich die Rollen vertauscht. Wir können den Gang der nnn
beginnenden Refvrmarbeit nicht Schritt für Schritt verfolgen und müssen uns
darauf beschränken, die wichtigsten und interessantesten Etappen anzumerken.
Der erste im Reichskanzleramt ausgearbeitete Entwurf hatte noch gar nicht
die durchgreifende Münzregulierung zum Gegenstände und ließ die Wührungs-
frage beiseite; er wollte nur dem Bedürfnis des Verkehrs nach Goldmünzen
abhelfen und die neuen Goldmünzen so einrichten, daß sie in das zukünftige
deutsche Münzsystem paßten. Die drei ersten Paragraphen des Entwurfs


Die deutsche Geldreform

kaufmännischen Beratungen wurden einigermaßen durch den Rausch gestört,
den 1867 der Pariser Kongreß mit seiner Idee der Weltmünze erzeugte. Die
Resolutionen von 1367 und 1868 forderten den Anschluß an das Franken¬
system, und selbst Soetbeer ließ sich von der allgemeinen Begeisterung fort¬
reißen. Wenn man nun auch davon wieder zurückkam, so hatte doch der
Kongreß in allen Fachmännern die Überzeugung befestigt, daß die Zukunft dem
Golde gehöre, und daß sich Deutschland isolieren würde, wenn es sein Münz-
wesen auf einer andern Grundlage als der Goldwährung ordnen wollte; daß
um dieselbe Zeit der Silberpreis zu sinken begann, konnte zum Fortschreiten
auf der eingeschlagnen Bahn nur ermutigen. Sonderbarerweise, und doch ganz
natürlicherweise, war es gerade die steigende Goldfülle, was nicht das Gold,
sondern das Silber entwertete. Indem sich nämlich die europäischen Völker
mehr und mehr mit dem Gedanken vertraut machten, daß Gold das eigentliche
Währungsmetall sei, hielt die Nachfrage nach Gold mit der Produktion gleichen
Schritt, während die nach Silber nachließ. Unter diesen Umständen wurde das
Verlangen der Handelswelt nach einer baldigen Münzreform immer dringender.
Man sah den weitern Sturz des Silberpreises bei fortschreitender Demoneti-
sierung des Silbers voraus, und daß für Deutschland der Verlust an seinem
Silber um so größer sein werde, je länger es zögre und sich die andern
Staaten zuvorkommen lasse. Die führende Macht im Norddeutschen Bunde,
Preußen, hielt sich jedoch vorsichtig zurück. Einerseits mochte die Negierung
die Kostspieligkeit der Änderung fürchten, dann aber waren die hohen Staats¬
beamten mit Arbeiten so überhäuft, daß sie kaum Zeit gefunden haben können,
die schwierige Materie zu studieren und Klarheit darüber zu gewinnen. Da
brach der französische Krieg aus, schuf das Deutsche Reich und rurale alle
Hindernisse der Münzreform hinweg.

Zunächst die der Vielstaaterei entspringenden: die Reichsverfassung erklärte
das Münz-, Papiergeld- und Notenwesen für eine Angelegenheit des Reichs.
Dann konnten bei dem Riß zwischen Deutschland und Frankreich die auf eine
Münzeinheit gerichteten Bestrebungen nicht mehr durch die Idee einer Welt¬
münze auf der Grundlage des Frankensystems abgelenkt werden. Endlich und
vor allem aber hatte man das Gold zur Durchführung der Währungsordnung.
Auch in dieser Beziehung, wie in der Weltstellung überhaupt, hatten Deutsch¬
land und Frankreich die Rollen vertauscht. Wir können den Gang der nnn
beginnenden Refvrmarbeit nicht Schritt für Schritt verfolgen und müssen uns
darauf beschränken, die wichtigsten und interessantesten Etappen anzumerken.
Der erste im Reichskanzleramt ausgearbeitete Entwurf hatte noch gar nicht
die durchgreifende Münzregulierung zum Gegenstände und ließ die Wührungs-
frage beiseite; er wollte nur dem Bedürfnis des Verkehrs nach Goldmünzen
abhelfen und die neuen Goldmünzen so einrichten, daß sie in das zukünftige
deutsche Münzsystem paßten. Die drei ersten Paragraphen des Entwurfs


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[0147] Die deutsche Geldreform kaufmännischen Beratungen wurden einigermaßen durch den Rausch gestört, den 1867 der Pariser Kongreß mit seiner Idee der Weltmünze erzeugte. Die Resolutionen von 1367 und 1868 forderten den Anschluß an das Franken¬ system, und selbst Soetbeer ließ sich von der allgemeinen Begeisterung fort¬ reißen. Wenn man nun auch davon wieder zurückkam, so hatte doch der Kongreß in allen Fachmännern die Überzeugung befestigt, daß die Zukunft dem Golde gehöre, und daß sich Deutschland isolieren würde, wenn es sein Münz- wesen auf einer andern Grundlage als der Goldwährung ordnen wollte; daß um dieselbe Zeit der Silberpreis zu sinken begann, konnte zum Fortschreiten auf der eingeschlagnen Bahn nur ermutigen. Sonderbarerweise, und doch ganz natürlicherweise, war es gerade die steigende Goldfülle, was nicht das Gold, sondern das Silber entwertete. Indem sich nämlich die europäischen Völker mehr und mehr mit dem Gedanken vertraut machten, daß Gold das eigentliche Währungsmetall sei, hielt die Nachfrage nach Gold mit der Produktion gleichen Schritt, während die nach Silber nachließ. Unter diesen Umständen wurde das Verlangen der Handelswelt nach einer baldigen Münzreform immer dringender. Man sah den weitern Sturz des Silberpreises bei fortschreitender Demoneti- sierung des Silbers voraus, und daß für Deutschland der Verlust an seinem Silber um so größer sein werde, je länger es zögre und sich die andern Staaten zuvorkommen lasse. Die führende Macht im Norddeutschen Bunde, Preußen, hielt sich jedoch vorsichtig zurück. Einerseits mochte die Negierung die Kostspieligkeit der Änderung fürchten, dann aber waren die hohen Staats¬ beamten mit Arbeiten so überhäuft, daß sie kaum Zeit gefunden haben können, die schwierige Materie zu studieren und Klarheit darüber zu gewinnen. Da brach der französische Krieg aus, schuf das Deutsche Reich und rurale alle Hindernisse der Münzreform hinweg. Zunächst die der Vielstaaterei entspringenden: die Reichsverfassung erklärte das Münz-, Papiergeld- und Notenwesen für eine Angelegenheit des Reichs. Dann konnten bei dem Riß zwischen Deutschland und Frankreich die auf eine Münzeinheit gerichteten Bestrebungen nicht mehr durch die Idee einer Welt¬ münze auf der Grundlage des Frankensystems abgelenkt werden. Endlich und vor allem aber hatte man das Gold zur Durchführung der Währungsordnung. Auch in dieser Beziehung, wie in der Weltstellung überhaupt, hatten Deutsch¬ land und Frankreich die Rollen vertauscht. Wir können den Gang der nnn beginnenden Refvrmarbeit nicht Schritt für Schritt verfolgen und müssen uns darauf beschränken, die wichtigsten und interessantesten Etappen anzumerken. Der erste im Reichskanzleramt ausgearbeitete Entwurf hatte noch gar nicht die durchgreifende Münzregulierung zum Gegenstände und ließ die Wührungs- frage beiseite; er wollte nur dem Bedürfnis des Verkehrs nach Goldmünzen abhelfen und die neuen Goldmünzen so einrichten, daß sie in das zukünftige deutsche Münzsystem paßten. Die drei ersten Paragraphen des Entwurfs

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/147>, abgerufen am 23.07.2024.