Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.Line Schulrede am Sedantage zu Bismarcks Gedächtnis Der Mann der Arbeit und mit holdem Herzen Wolsgmi" Ktrchlwch) Soll ich ihn nun noch in seiner Häuslichkeit schildern, im Reichskanzler- Von des Lebens Gütern allen ">ar nicht das Gesetz seines Wirkens; er dachte eher wie der alternde Faust Die That ist alles, nichts der Ruhm! Er war ein Deutscher, aber nur die guten und starken Seiten unsers Line Schulrede am Sedantage zu Bismarcks Gedächtnis Der Mann der Arbeit und mit holdem Herzen Wolsgmi» Ktrchlwch) Soll ich ihn nun noch in seiner Häuslichkeit schildern, im Reichskanzler- Von des Lebens Gütern allen ">ar nicht das Gesetz seines Wirkens; er dachte eher wie der alternde Faust Die That ist alles, nichts der Ruhm! Er war ein Deutscher, aber nur die guten und starken Seiten unsers <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0688" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229637"/> <fw type="header" place="top"> Line Schulrede am Sedantage zu Bismarcks Gedächtnis</fw><lb/> <quote> Der Mann der Arbeit und mit holdem Herzen<lb/> Der Frauen reine Huldigung entgegen. —<lb/> Stumm schritt er hin. Eng war die Gasse nur.<lb/> Die man ihm bahnte, doch sein Haupt es ragte<lb/> Vor allein einsam aus der wirren Menge. —<lb/> Sein Auge — welch ein Auge! — blickte scheu<lb/> Und gütig nieder auf die fremden Menschen,<lb/> Die alle ihn, des Reiches Schöpfer kannten,<lb/> Und die er selbst doch nur als Deutsche kannte.<lb/> Als Kinder seines Volks, das ihn erkoren<lb/> Zum Urbild seiner eignen Heldenkraft. (</quote><lb/> <note type="bibl"> Wolsgmi» Ktrchlwch)</note><lb/> <p xml:id="ID_2410"> Soll ich ihn nun noch in seiner Häuslichkeit schildern, im Reichskanzler-<lb/> Palais an der Wilhelmstraße oder in der Einsamkeit seiner waldumkränzten<lb/> Landsitze Varzin und Friedrichsruh? Wie er da gekrönte Häupter und Staats¬<lb/> männer, Abgeordnete und einfache Privatleute empfing, immer gleich gastfrei<lb/> und schlicht, wie er allen gleichmäßig das Gefühl gab, daß sie willkommen<lb/> seien, wie er für jeden gütig sorgte und als vollendeter Kavalier, als ein<lb/> echter Edelmann mit verbindlicher Höflichkeit jedem begegnete, wie herzlich er<lb/> mit den Seinigen verkehrte, wie er im Gespräch Humor und Sarkasmus,<lb/> wie ungeheure Fülle der Kenntnis und eine Schärfe der Schilderung entfaltete,<lb/> die alles mit Bewunderung erfüllte? Wer ihn so sah und hörte, dem<lb/> blieben diese Stunden unvergeßlich, ein teures Besitztum fürs Leben, und in<lb/> dem verband sich mit der Ehrfurcht vor diesem Niesengeiste die Liebe zu dem<lb/> herrlichen Menschen. Ja das war er! Neben einem stahlharten Willen und<lb/> ewem durchdringenden Scharfblick wohnte ein weiches Herz, neben unergründ¬<lb/> licher Klugheit freie Offenheit, und seine mächtige Leidenschaft war ohne Rach¬<lb/> sucht. Die Greuel des Schlachtfeldes erschütterten ihn tief, und er sorgte<lb/> persönlich für die Verwundeten, wo er konnte; er war hart gegen die Fran¬<lb/> zosen, als er mit ihnen über den Frieden unterhandelte, aber sie bekannten<lb/> dankbar, daß er sie nie getäuscht habe; er zermalmte, was ihm in den Weg<lb/> kam, aber er ging dabei nur soweit, als es das nationale Interesse verlangte.<lb/> Denn er war ein Deutscher, er kannte nichts Höheres als das Glück und die<lb/> Größe seines Volkes; Theorien und Parteidoktrinen hatten sür ihn keine Be¬<lb/> deutung. Persönlicher Ehrgeiz lag ihm ganz sern. Das Grundgesetz des<lb/> griechischen Heldentums, das Schiller so feinsinnig herausgefunden hat:</p><lb/> <quote> Von des Lebens Gütern allen<lb/> Ist der Ruhm das höchste doch,</quote><lb/> <p xml:id="ID_2411"> ">ar nicht das Gesetz seines Wirkens; er dachte eher wie der alternde Faust<lb/> Goethes:</p><lb/> <quote> Die That ist alles, nichts der Ruhm!</quote><lb/> <p xml:id="ID_2412" next="#ID_2413"> Er war ein Deutscher, aber nur die guten und starken Seiten unsers<lb/> ^olkstums waren in ihm verkörpert, nicht die Schwächen. Er ist viel gehaßt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0688]
Line Schulrede am Sedantage zu Bismarcks Gedächtnis
Der Mann der Arbeit und mit holdem Herzen
Der Frauen reine Huldigung entgegen. —
Stumm schritt er hin. Eng war die Gasse nur.
Die man ihm bahnte, doch sein Haupt es ragte
Vor allein einsam aus der wirren Menge. —
Sein Auge — welch ein Auge! — blickte scheu
Und gütig nieder auf die fremden Menschen,
Die alle ihn, des Reiches Schöpfer kannten,
Und die er selbst doch nur als Deutsche kannte.
Als Kinder seines Volks, das ihn erkoren
Zum Urbild seiner eignen Heldenkraft. (
Wolsgmi» Ktrchlwch)
Soll ich ihn nun noch in seiner Häuslichkeit schildern, im Reichskanzler-
Palais an der Wilhelmstraße oder in der Einsamkeit seiner waldumkränzten
Landsitze Varzin und Friedrichsruh? Wie er da gekrönte Häupter und Staats¬
männer, Abgeordnete und einfache Privatleute empfing, immer gleich gastfrei
und schlicht, wie er allen gleichmäßig das Gefühl gab, daß sie willkommen
seien, wie er für jeden gütig sorgte und als vollendeter Kavalier, als ein
echter Edelmann mit verbindlicher Höflichkeit jedem begegnete, wie herzlich er
mit den Seinigen verkehrte, wie er im Gespräch Humor und Sarkasmus,
wie ungeheure Fülle der Kenntnis und eine Schärfe der Schilderung entfaltete,
die alles mit Bewunderung erfüllte? Wer ihn so sah und hörte, dem
blieben diese Stunden unvergeßlich, ein teures Besitztum fürs Leben, und in
dem verband sich mit der Ehrfurcht vor diesem Niesengeiste die Liebe zu dem
herrlichen Menschen. Ja das war er! Neben einem stahlharten Willen und
ewem durchdringenden Scharfblick wohnte ein weiches Herz, neben unergründ¬
licher Klugheit freie Offenheit, und seine mächtige Leidenschaft war ohne Rach¬
sucht. Die Greuel des Schlachtfeldes erschütterten ihn tief, und er sorgte
persönlich für die Verwundeten, wo er konnte; er war hart gegen die Fran¬
zosen, als er mit ihnen über den Frieden unterhandelte, aber sie bekannten
dankbar, daß er sie nie getäuscht habe; er zermalmte, was ihm in den Weg
kam, aber er ging dabei nur soweit, als es das nationale Interesse verlangte.
Denn er war ein Deutscher, er kannte nichts Höheres als das Glück und die
Größe seines Volkes; Theorien und Parteidoktrinen hatten sür ihn keine Be¬
deutung. Persönlicher Ehrgeiz lag ihm ganz sern. Das Grundgesetz des
griechischen Heldentums, das Schiller so feinsinnig herausgefunden hat:
Von des Lebens Gütern allen
Ist der Ruhm das höchste doch,
">ar nicht das Gesetz seines Wirkens; er dachte eher wie der alternde Faust
Goethes:
Die That ist alles, nichts der Ruhm!
Er war ein Deutscher, aber nur die guten und starken Seiten unsers
^olkstums waren in ihm verkörpert, nicht die Schwächen. Er ist viel gehaßt
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