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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Spuren im Schnee

Kriegserklärungen und Friedenstraktate, für die habe ich Interesse. Es ist übrigens
sehr unbehaglich, daß Sie hier sind, sagte er Plötzlich zu dem Leutnant.

Sie sind wirklich zu liebenswürdig, erwiderte dieser.

Ja, denn wenn Sie nnn das Manuskript finden, so habe ich nicht die Ehre,
es ans Tageslicht gebracht zu haben!

Nein, die haben Sie dann allerdings nicht!

Und ich bin doch direkt von Kopenhagen hierher gereist!

Das sind Sie nnn eigentlich nicht! warf der Leutnant lachend ein. Aber ich
habe es gethan.

Nun ja, da Sie doch einmal hier sind, so muß man sich wohl in diese That¬
sache finden! Wir sind uns Wohl darin einig, daß wir unsre Untersuchungen ge¬
meinsam anstellen, sodaß der eine nicht auf eigne Hand handelt, ohne daß der
andre dabei ist?

Damit bin ich einverstanden, sagte der Leutnant, den das Ganze mehr und
"'ehr zu amüsiren anfing.

Sollen wir wirklich den Doktor mit dabei haben, wenn wir suchen? flüsterte
Mer dem Leutnant zu. Sie sollen das Manuskript finden, nicht er!

Lassen Sie ihn nur mitkommen, entgegnete der Leutnant leise, es wäre un¬
echt, wenn wir es ihm verweigern wollten!

Nach dem Mittagessen gingen der Doktor, der Leutnant und Ellen auf die
^Utdeckungsreise. Eine kleine Meinungsverschiedenheit entstand sofort, indem der
Doktor nach "hohlen Räumen" suchen wollte, während der Leutnant behauptete,
man erst nnssindig machen müsse, wo das blaue Zimmer sei, da die andre
^orgaugsweise zu weitläufig sei; aber der Doktor gab uach, und im Laufe vou ein
Paar Stunden wurden denn fünf, sechs Zimmer im untern Stockwerk untersucht,
"ber ohne Erfolg.

Du und ich, wir halten es mit dem Leutnant, sagte Ellen zu Bos, und Bos
widersprach ihr auf alle Fälle nicht, sondern legte seineu großen Kopf auf das Knie
Leutnants und schlief in dieser Stellung stehend ein.

, Als die Dunkelheit hereinbrach, wurden die Feindlichkeiten eingestellt, das will
I^gen, die Untersuchungen wurden abgebrochen, aber der Doktor hatte trotz der ge-
^öffnen Übereinkunft doch offenbar kein absolutes Zutrauen zu dem Leutnant,
wildem folgte ihm mit den Augen, wo er ging und stand, und geriet in Unruhe,
wbald er sich nur blicken ließ. Der Leutnant saß indes sehr tugendhaft da, spielte
-oelagernngsspiel mit Ellen, verlor zwei Partien und gewann eine, und krauete
"°u Zeit zu Zeit Boy im Nacken.

^ Der Doktor ging umher und betrachtete Porträts, befühlte sachverständig alles
Papier, das er antraf, und hielt es instinktmäßig dicht vor die Brille, um zu sehen,
°b es etwas Interessantes enthalte. Das ist schlechtes Papier, sagte er, indem er
Heft ergriff, das ans dem Tisch lag. Ganz schlechtes Papier! Zu wichtigern
Dokumenten sollte man eigentlich nur Pergament gebrauchen.

Aber das ist ja mein französisches Ausgabenbuch! sagte Ellen.

, Oder wenigstens auf alle Fälle Normalpapier! fuhr der Doktor fort, ohne sich
eirren zu lassen; ich brauche immer Normalpapier!

Immer? fragte der Leutnant lächelnd.

Ja, immer! In hundert Jahren wird unsre ganze neuere Litteratur in Staub
Zerfallen sein -- nun, das ist ja gerade kein Unglück! -- Darf ich mir die Frage
erlauben, Herr Jägermeister, ob Sie Ihr Familienarchiv in Ordnung haben?

Nein, das glaubte der Jägermeister wirklich nicht.


Spuren im Schnee

Kriegserklärungen und Friedenstraktate, für die habe ich Interesse. Es ist übrigens
sehr unbehaglich, daß Sie hier sind, sagte er Plötzlich zu dem Leutnant.

Sie sind wirklich zu liebenswürdig, erwiderte dieser.

Ja, denn wenn Sie nnn das Manuskript finden, so habe ich nicht die Ehre,
es ans Tageslicht gebracht zu haben!

Nein, die haben Sie dann allerdings nicht!

Und ich bin doch direkt von Kopenhagen hierher gereist!

Das sind Sie nnn eigentlich nicht! warf der Leutnant lachend ein. Aber ich
habe es gethan.

Nun ja, da Sie doch einmal hier sind, so muß man sich wohl in diese That¬
sache finden! Wir sind uns Wohl darin einig, daß wir unsre Untersuchungen ge¬
meinsam anstellen, sodaß der eine nicht auf eigne Hand handelt, ohne daß der
andre dabei ist?

Damit bin ich einverstanden, sagte der Leutnant, den das Ganze mehr und
"'ehr zu amüsiren anfing.

Sollen wir wirklich den Doktor mit dabei haben, wenn wir suchen? flüsterte
Mer dem Leutnant zu. Sie sollen das Manuskript finden, nicht er!

Lassen Sie ihn nur mitkommen, entgegnete der Leutnant leise, es wäre un¬
echt, wenn wir es ihm verweigern wollten!

Nach dem Mittagessen gingen der Doktor, der Leutnant und Ellen auf die
^Utdeckungsreise. Eine kleine Meinungsverschiedenheit entstand sofort, indem der
Doktor nach „hohlen Räumen" suchen wollte, während der Leutnant behauptete,
man erst nnssindig machen müsse, wo das blaue Zimmer sei, da die andre
^orgaugsweise zu weitläufig sei; aber der Doktor gab uach, und im Laufe vou ein
Paar Stunden wurden denn fünf, sechs Zimmer im untern Stockwerk untersucht,
"ber ohne Erfolg.

Du und ich, wir halten es mit dem Leutnant, sagte Ellen zu Bos, und Bos
widersprach ihr auf alle Fälle nicht, sondern legte seineu großen Kopf auf das Knie
Leutnants und schlief in dieser Stellung stehend ein.

, Als die Dunkelheit hereinbrach, wurden die Feindlichkeiten eingestellt, das will
I^gen, die Untersuchungen wurden abgebrochen, aber der Doktor hatte trotz der ge-
^öffnen Übereinkunft doch offenbar kein absolutes Zutrauen zu dem Leutnant,
wildem folgte ihm mit den Augen, wo er ging und stand, und geriet in Unruhe,
wbald er sich nur blicken ließ. Der Leutnant saß indes sehr tugendhaft da, spielte
-oelagernngsspiel mit Ellen, verlor zwei Partien und gewann eine, und krauete
"°u Zeit zu Zeit Boy im Nacken.

^ Der Doktor ging umher und betrachtete Porträts, befühlte sachverständig alles
Papier, das er antraf, und hielt es instinktmäßig dicht vor die Brille, um zu sehen,
°b es etwas Interessantes enthalte. Das ist schlechtes Papier, sagte er, indem er
Heft ergriff, das ans dem Tisch lag. Ganz schlechtes Papier! Zu wichtigern
Dokumenten sollte man eigentlich nur Pergament gebrauchen.

Aber das ist ja mein französisches Ausgabenbuch! sagte Ellen.

, Oder wenigstens auf alle Fälle Normalpapier! fuhr der Doktor fort, ohne sich
eirren zu lassen; ich brauche immer Normalpapier!

Immer? fragte der Leutnant lächelnd.

Ja, immer! In hundert Jahren wird unsre ganze neuere Litteratur in Staub
Zerfallen sein — nun, das ist ja gerade kein Unglück! — Darf ich mir die Frage
erlauben, Herr Jägermeister, ob Sie Ihr Familienarchiv in Ordnung haben?

Nein, das glaubte der Jägermeister wirklich nicht.


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[0554] Spuren im Schnee Kriegserklärungen und Friedenstraktate, für die habe ich Interesse. Es ist übrigens sehr unbehaglich, daß Sie hier sind, sagte er Plötzlich zu dem Leutnant. Sie sind wirklich zu liebenswürdig, erwiderte dieser. Ja, denn wenn Sie nnn das Manuskript finden, so habe ich nicht die Ehre, es ans Tageslicht gebracht zu haben! Nein, die haben Sie dann allerdings nicht! Und ich bin doch direkt von Kopenhagen hierher gereist! Das sind Sie nnn eigentlich nicht! warf der Leutnant lachend ein. Aber ich habe es gethan. Nun ja, da Sie doch einmal hier sind, so muß man sich wohl in diese That¬ sache finden! Wir sind uns Wohl darin einig, daß wir unsre Untersuchungen ge¬ meinsam anstellen, sodaß der eine nicht auf eigne Hand handelt, ohne daß der andre dabei ist? Damit bin ich einverstanden, sagte der Leutnant, den das Ganze mehr und "'ehr zu amüsiren anfing. Sollen wir wirklich den Doktor mit dabei haben, wenn wir suchen? flüsterte Mer dem Leutnant zu. Sie sollen das Manuskript finden, nicht er! Lassen Sie ihn nur mitkommen, entgegnete der Leutnant leise, es wäre un¬ echt, wenn wir es ihm verweigern wollten! Nach dem Mittagessen gingen der Doktor, der Leutnant und Ellen auf die ^Utdeckungsreise. Eine kleine Meinungsverschiedenheit entstand sofort, indem der Doktor nach „hohlen Räumen" suchen wollte, während der Leutnant behauptete, man erst nnssindig machen müsse, wo das blaue Zimmer sei, da die andre ^orgaugsweise zu weitläufig sei; aber der Doktor gab uach, und im Laufe vou ein Paar Stunden wurden denn fünf, sechs Zimmer im untern Stockwerk untersucht, "ber ohne Erfolg. Du und ich, wir halten es mit dem Leutnant, sagte Ellen zu Bos, und Bos widersprach ihr auf alle Fälle nicht, sondern legte seineu großen Kopf auf das Knie Leutnants und schlief in dieser Stellung stehend ein. , Als die Dunkelheit hereinbrach, wurden die Feindlichkeiten eingestellt, das will I^gen, die Untersuchungen wurden abgebrochen, aber der Doktor hatte trotz der ge- ^öffnen Übereinkunft doch offenbar kein absolutes Zutrauen zu dem Leutnant, wildem folgte ihm mit den Augen, wo er ging und stand, und geriet in Unruhe, wbald er sich nur blicken ließ. Der Leutnant saß indes sehr tugendhaft da, spielte -oelagernngsspiel mit Ellen, verlor zwei Partien und gewann eine, und krauete "°u Zeit zu Zeit Boy im Nacken. ^ Der Doktor ging umher und betrachtete Porträts, befühlte sachverständig alles Papier, das er antraf, und hielt es instinktmäßig dicht vor die Brille, um zu sehen, °b es etwas Interessantes enthalte. Das ist schlechtes Papier, sagte er, indem er Heft ergriff, das ans dem Tisch lag. Ganz schlechtes Papier! Zu wichtigern Dokumenten sollte man eigentlich nur Pergament gebrauchen. Aber das ist ja mein französisches Ausgabenbuch! sagte Ellen. , Oder wenigstens auf alle Fälle Normalpapier! fuhr der Doktor fort, ohne sich eirren zu lassen; ich brauche immer Normalpapier! Immer? fragte der Leutnant lächelnd. Ja, immer! In hundert Jahren wird unsre ganze neuere Litteratur in Staub Zerfallen sein — nun, das ist ja gerade kein Unglück! — Darf ich mir die Frage erlauben, Herr Jägermeister, ob Sie Ihr Familienarchiv in Ordnung haben? Nein, das glaubte der Jägermeister wirklich nicht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/554>, abgerufen am 12.12.2024.