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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Die Oeportationsfrage vor dem deutschen Juristentage in Posen

zum erstenmal unternommne Versuch einer sachgemäßen Deportation mit
Arbeits- und Ansiedlungszwcmg auf der Insel Sachalin vorzüglich gelungen."

Den andern Einwand, daß sich die Strafvollziehung in der Kolonie viel
kostspieliger stellen würde als im Mutterlande, habe ich gleichfalls schon in
meiner Schrift: "Fort mit den Zuchthäusern!" widerlegt. Dort habe ich aus¬
geführt, daß die etwaigen Mehrkosten nur in den Ausgaben bestehen könnten,
die der Transport der Sträflinge nach den Kolonien erfordert. Nach einer
Mitteilung der Reederei Woermann in Hamburg stellt sich der Transport von
Hamburg nach den afrikanischen Schutzgebieten für den Kopf auf 200 Mark,
d. i. der Pafsagepreis dritter Klasse. Doch ermäßigt sich dieser Preis be¬
deutend, wenn eine größere Zahl sz. B. mehrere hundert Sträflinge) auf einmal
befördert werden. Diese Kosten fallen aber nicht ins Gewicht, wenn man die
Differenz zwischen den übrigen Kosten der Strafvollziehung in der Heimat
und in den Kolonien in Betracht zieht. Es handelt sich hier um die Unter¬
kunftsräume, den Unterhalt und die Bewachung der Sträflinge. Die Unter¬
kunftsräume für die Deportirten stellen sich aber in den Kolonien unver¬
hältnismäßig billiger als die palastähnlichen Strafanstalten in Deutschland.
Nach den Angaben Krohnes betrugen beispielsweise die Baukosten nur für
zehn deutsche Strafanstalten für eine Kopfzahl von 5564 Strafgefangnen
21283316 Mark.

Das ist aber nur ein verschwindender Bruchteil im Verhältnis zu dem
Gesamtaufwande sür das Deutsche Reich. In Preußen allein unterstehen dem
Minister des Innern einundfünfzig Straf- und Gefangenanstalten, in denen
sich im Jahre 1890/91 der tägliche Durchschnittsbestand an Gefangnen auf
21932(!) belief. Dabei erkennt selbst Krohne die dringende Reformbedürftig¬
keit unsers Gefängniswesens an; denn eine rationelle Vollziehung der Freiheits¬
strafe ist nach Krohne nur durch Einzelhaft zu ermöglichen. Bisher ist dieses
System aber wegen der Höhe der Kosten im Reiche erst zum kleinsten Teile
durchgeführt. schlüge man mit Krohne den Bedarf der Zellen auf rund
50000 an, und zwar nur für Preußen, und berechnet man die Kosten für die
Einzelzelle nach den bisherigen Erfahrungen auf 4500 bis 6000 Mark, so
würde uus allein in Preußen die Unterbringung der Sträflinge auf die
Kleinigkeit von 225 bis 300 Millionen Mark zu stehen kommen. Der preußische
Ministerialdirektor Lucas hat gleichfalls eine Summe von 288 Millionen Mark
herausgerechnet.

(Schluß folgt)




Grenzboten IV 18V8
Die Oeportationsfrage vor dem deutschen Juristentage in Posen

zum erstenmal unternommne Versuch einer sachgemäßen Deportation mit
Arbeits- und Ansiedlungszwcmg auf der Insel Sachalin vorzüglich gelungen."

Den andern Einwand, daß sich die Strafvollziehung in der Kolonie viel
kostspieliger stellen würde als im Mutterlande, habe ich gleichfalls schon in
meiner Schrift: „Fort mit den Zuchthäusern!" widerlegt. Dort habe ich aus¬
geführt, daß die etwaigen Mehrkosten nur in den Ausgaben bestehen könnten,
die der Transport der Sträflinge nach den Kolonien erfordert. Nach einer
Mitteilung der Reederei Woermann in Hamburg stellt sich der Transport von
Hamburg nach den afrikanischen Schutzgebieten für den Kopf auf 200 Mark,
d. i. der Pafsagepreis dritter Klasse. Doch ermäßigt sich dieser Preis be¬
deutend, wenn eine größere Zahl sz. B. mehrere hundert Sträflinge) auf einmal
befördert werden. Diese Kosten fallen aber nicht ins Gewicht, wenn man die
Differenz zwischen den übrigen Kosten der Strafvollziehung in der Heimat
und in den Kolonien in Betracht zieht. Es handelt sich hier um die Unter¬
kunftsräume, den Unterhalt und die Bewachung der Sträflinge. Die Unter¬
kunftsräume für die Deportirten stellen sich aber in den Kolonien unver¬
hältnismäßig billiger als die palastähnlichen Strafanstalten in Deutschland.
Nach den Angaben Krohnes betrugen beispielsweise die Baukosten nur für
zehn deutsche Strafanstalten für eine Kopfzahl von 5564 Strafgefangnen
21283316 Mark.

Das ist aber nur ein verschwindender Bruchteil im Verhältnis zu dem
Gesamtaufwande sür das Deutsche Reich. In Preußen allein unterstehen dem
Minister des Innern einundfünfzig Straf- und Gefangenanstalten, in denen
sich im Jahre 1890/91 der tägliche Durchschnittsbestand an Gefangnen auf
21932(!) belief. Dabei erkennt selbst Krohne die dringende Reformbedürftig¬
keit unsers Gefängniswesens an; denn eine rationelle Vollziehung der Freiheits¬
strafe ist nach Krohne nur durch Einzelhaft zu ermöglichen. Bisher ist dieses
System aber wegen der Höhe der Kosten im Reiche erst zum kleinsten Teile
durchgeführt. schlüge man mit Krohne den Bedarf der Zellen auf rund
50000 an, und zwar nur für Preußen, und berechnet man die Kosten für die
Einzelzelle nach den bisherigen Erfahrungen auf 4500 bis 6000 Mark, so
würde uus allein in Preußen die Unterbringung der Sträflinge auf die
Kleinigkeit von 225 bis 300 Millionen Mark zu stehen kommen. Der preußische
Ministerialdirektor Lucas hat gleichfalls eine Summe von 288 Millionen Mark
herausgerechnet.

(Schluß folgt)




Grenzboten IV 18V8
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[0516] Die Oeportationsfrage vor dem deutschen Juristentage in Posen zum erstenmal unternommne Versuch einer sachgemäßen Deportation mit Arbeits- und Ansiedlungszwcmg auf der Insel Sachalin vorzüglich gelungen." Den andern Einwand, daß sich die Strafvollziehung in der Kolonie viel kostspieliger stellen würde als im Mutterlande, habe ich gleichfalls schon in meiner Schrift: „Fort mit den Zuchthäusern!" widerlegt. Dort habe ich aus¬ geführt, daß die etwaigen Mehrkosten nur in den Ausgaben bestehen könnten, die der Transport der Sträflinge nach den Kolonien erfordert. Nach einer Mitteilung der Reederei Woermann in Hamburg stellt sich der Transport von Hamburg nach den afrikanischen Schutzgebieten für den Kopf auf 200 Mark, d. i. der Pafsagepreis dritter Klasse. Doch ermäßigt sich dieser Preis be¬ deutend, wenn eine größere Zahl sz. B. mehrere hundert Sträflinge) auf einmal befördert werden. Diese Kosten fallen aber nicht ins Gewicht, wenn man die Differenz zwischen den übrigen Kosten der Strafvollziehung in der Heimat und in den Kolonien in Betracht zieht. Es handelt sich hier um die Unter¬ kunftsräume, den Unterhalt und die Bewachung der Sträflinge. Die Unter¬ kunftsräume für die Deportirten stellen sich aber in den Kolonien unver¬ hältnismäßig billiger als die palastähnlichen Strafanstalten in Deutschland. Nach den Angaben Krohnes betrugen beispielsweise die Baukosten nur für zehn deutsche Strafanstalten für eine Kopfzahl von 5564 Strafgefangnen 21283316 Mark. Das ist aber nur ein verschwindender Bruchteil im Verhältnis zu dem Gesamtaufwande sür das Deutsche Reich. In Preußen allein unterstehen dem Minister des Innern einundfünfzig Straf- und Gefangenanstalten, in denen sich im Jahre 1890/91 der tägliche Durchschnittsbestand an Gefangnen auf 21932(!) belief. Dabei erkennt selbst Krohne die dringende Reformbedürftig¬ keit unsers Gefängniswesens an; denn eine rationelle Vollziehung der Freiheits¬ strafe ist nach Krohne nur durch Einzelhaft zu ermöglichen. Bisher ist dieses System aber wegen der Höhe der Kosten im Reiche erst zum kleinsten Teile durchgeführt. schlüge man mit Krohne den Bedarf der Zellen auf rund 50000 an, und zwar nur für Preußen, und berechnet man die Kosten für die Einzelzelle nach den bisherigen Erfahrungen auf 4500 bis 6000 Mark, so würde uus allein in Preußen die Unterbringung der Sträflinge auf die Kleinigkeit von 225 bis 300 Millionen Mark zu stehen kommen. Der preußische Ministerialdirektor Lucas hat gleichfalls eine Summe von 288 Millionen Mark herausgerechnet. (Schluß folgt) Grenzboten IV 18V8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/516>, abgerufen am 12.12.2024.