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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Nordische Novellen

Wurden in Ostpreußen in der Zeit von 1823 bis 1828 nicht weniger als
28 Rittergüter subhastirt, 98 Güter wurden in den Jahren 1826 bis 1829
mit einem durch die Staatskasse gedeckten Ausfall der Landschaft von 698000
Thalern verkauft; in Pommern waren 1825 112 Güter unter Sequestration.
Unke bemerkt noch, daß der unmäßig hinaufgeschraubte Preis der Landgüter
bei ungünstiger Konjunktur habe fallen müssen, sei ja selbstverständlich gewesen;
auch im Königreich Sachsen sei an die Regierung wiederholt über das Fallen
der Güterpreise berichtet, jedoch hinzugefügt worden, daß das nur die großen
Güter treffe, die kleinen behielten ihren Wert; denn weil ihre Besitzer meistens
nicht mehr Getreide bauten, als sie für ihren Haushalt brauchten, so hänge
ihr Wert nicht vom Getreidepreise ab. Schlimmer dagegen stand es um die
Bauern in Litauen; dort sollen nach Unke -- die Angabe klingt kaum glaublich --
von den 1500 bis 1600 Bauerngütern bis zum Jahre 1822 1000 wegen Steuer¬
rückständen subhastirt, um ein Lumpengeld losgeschlagen und die alten Besitzer
als Bettler ins Elend gestoßen worden sein; dann erst habe die Regierung
Steueruachlässe bewilligt.

' (Schluß folgt)




Nordische Novellen

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e heutigen Norweger sehen auf die Schweden, mit denen sie erst
seit 1814 staatlich verbunden sind, herab; sie suhlen sich den Dänen,
mit denen sie dieselbe Sprache reden, politisch und in ihrer ganzen
geistigen Kultur näher, ihre Litteraturen haben viel verwandtes.
Auf dem Gebiete, das außer Ibsens und Björnsons Dramen für
den Weltmarkt allein in Betracht kommt, in der Erzählung oder in der Novelle
gehen bei beiden Völkern zwei Richtungen neben einander her, eine einheimische,
die an das heimatliche Volkstum anknüpft, und eine moderne, ans Frankreich
hereingebrachte. In Kopenhagen sowohl wie in Christicmici liebt man Paris,
und beiderwärts giebt es eine bis auf die Sprache ganz frcinzösirte Journa¬
listik. In Norwegen gewinnt diese Richtung immer mehr die Oberhand; Ibsen
Und der jetzige, alte Björnson wären ohne die moderne französische Litteratur
uicht denkbar, wenn auch die Personen ihrer Stücke noch norwegische Namen
tragen. Unter den Dänen finden sich noch ausgezeichnete Schriftsteller, nament¬
lich ältere, die die gefunden Grundlage" ihres einheimischen, nationalen Lebens
auch in der Dichtung am Leben zu erhalten suchen und daneben die Eindring¬
linge der französischen Kultur nur als das, was sie in Wirklichkeit sind, als


Grenzboten IV 18S8 00
Nordische Novellen

Wurden in Ostpreußen in der Zeit von 1823 bis 1828 nicht weniger als
28 Rittergüter subhastirt, 98 Güter wurden in den Jahren 1826 bis 1829
mit einem durch die Staatskasse gedeckten Ausfall der Landschaft von 698000
Thalern verkauft; in Pommern waren 1825 112 Güter unter Sequestration.
Unke bemerkt noch, daß der unmäßig hinaufgeschraubte Preis der Landgüter
bei ungünstiger Konjunktur habe fallen müssen, sei ja selbstverständlich gewesen;
auch im Königreich Sachsen sei an die Regierung wiederholt über das Fallen
der Güterpreise berichtet, jedoch hinzugefügt worden, daß das nur die großen
Güter treffe, die kleinen behielten ihren Wert; denn weil ihre Besitzer meistens
nicht mehr Getreide bauten, als sie für ihren Haushalt brauchten, so hänge
ihr Wert nicht vom Getreidepreise ab. Schlimmer dagegen stand es um die
Bauern in Litauen; dort sollen nach Unke — die Angabe klingt kaum glaublich —
von den 1500 bis 1600 Bauerngütern bis zum Jahre 1822 1000 wegen Steuer¬
rückständen subhastirt, um ein Lumpengeld losgeschlagen und die alten Besitzer
als Bettler ins Elend gestoßen worden sein; dann erst habe die Regierung
Steueruachlässe bewilligt.

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Nordische Novellen

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e heutigen Norweger sehen auf die Schweden, mit denen sie erst
seit 1814 staatlich verbunden sind, herab; sie suhlen sich den Dänen,
mit denen sie dieselbe Sprache reden, politisch und in ihrer ganzen
geistigen Kultur näher, ihre Litteraturen haben viel verwandtes.
Auf dem Gebiete, das außer Ibsens und Björnsons Dramen für
den Weltmarkt allein in Betracht kommt, in der Erzählung oder in der Novelle
gehen bei beiden Völkern zwei Richtungen neben einander her, eine einheimische,
die an das heimatliche Volkstum anknüpft, und eine moderne, ans Frankreich
hereingebrachte. In Kopenhagen sowohl wie in Christicmici liebt man Paris,
und beiderwärts giebt es eine bis auf die Sprache ganz frcinzösirte Journa¬
listik. In Norwegen gewinnt diese Richtung immer mehr die Oberhand; Ibsen
Und der jetzige, alte Björnson wären ohne die moderne französische Litteratur
uicht denkbar, wenn auch die Personen ihrer Stücke noch norwegische Namen
tragen. Unter den Dänen finden sich noch ausgezeichnete Schriftsteller, nament¬
lich ältere, die die gefunden Grundlage» ihres einheimischen, nationalen Lebens
auch in der Dichtung am Leben zu erhalten suchen und daneben die Eindring¬
linge der französischen Kultur nur als das, was sie in Wirklichkeit sind, als


Grenzboten IV 18S8 00
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[0484] Nordische Novellen Wurden in Ostpreußen in der Zeit von 1823 bis 1828 nicht weniger als 28 Rittergüter subhastirt, 98 Güter wurden in den Jahren 1826 bis 1829 mit einem durch die Staatskasse gedeckten Ausfall der Landschaft von 698000 Thalern verkauft; in Pommern waren 1825 112 Güter unter Sequestration. Unke bemerkt noch, daß der unmäßig hinaufgeschraubte Preis der Landgüter bei ungünstiger Konjunktur habe fallen müssen, sei ja selbstverständlich gewesen; auch im Königreich Sachsen sei an die Regierung wiederholt über das Fallen der Güterpreise berichtet, jedoch hinzugefügt worden, daß das nur die großen Güter treffe, die kleinen behielten ihren Wert; denn weil ihre Besitzer meistens nicht mehr Getreide bauten, als sie für ihren Haushalt brauchten, so hänge ihr Wert nicht vom Getreidepreise ab. Schlimmer dagegen stand es um die Bauern in Litauen; dort sollen nach Unke — die Angabe klingt kaum glaublich — von den 1500 bis 1600 Bauerngütern bis zum Jahre 1822 1000 wegen Steuer¬ rückständen subhastirt, um ein Lumpengeld losgeschlagen und die alten Besitzer als Bettler ins Elend gestoßen worden sein; dann erst habe die Regierung Steueruachlässe bewilligt. ' (Schluß folgt) Nordische Novellen l e heutigen Norweger sehen auf die Schweden, mit denen sie erst seit 1814 staatlich verbunden sind, herab; sie suhlen sich den Dänen, mit denen sie dieselbe Sprache reden, politisch und in ihrer ganzen geistigen Kultur näher, ihre Litteraturen haben viel verwandtes. Auf dem Gebiete, das außer Ibsens und Björnsons Dramen für den Weltmarkt allein in Betracht kommt, in der Erzählung oder in der Novelle gehen bei beiden Völkern zwei Richtungen neben einander her, eine einheimische, die an das heimatliche Volkstum anknüpft, und eine moderne, ans Frankreich hereingebrachte. In Kopenhagen sowohl wie in Christicmici liebt man Paris, und beiderwärts giebt es eine bis auf die Sprache ganz frcinzösirte Journa¬ listik. In Norwegen gewinnt diese Richtung immer mehr die Oberhand; Ibsen Und der jetzige, alte Björnson wären ohne die moderne französische Litteratur uicht denkbar, wenn auch die Personen ihrer Stücke noch norwegische Namen tragen. Unter den Dänen finden sich noch ausgezeichnete Schriftsteller, nament¬ lich ältere, die die gefunden Grundlage» ihres einheimischen, nationalen Lebens auch in der Dichtung am Leben zu erhalten suchen und daneben die Eindring¬ linge der französischen Kultur nur als das, was sie in Wirklichkeit sind, als Grenzboten IV 18S8 00

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/484>, abgerufen am 12.12.2024.