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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Bilder aus dem vlämischen Bauernkrieg

Todesurteil hätten entziehen können. Nicht wahr, sprachen sie zu ihnen, es war
bloß ein Versehen, daß ihr auf die Franzosen geschossen habt? Aber zu bieder,
um sich zu verstellen und zu lügen, bekannten sie freimütig, daß sie absichtlich die
Franzosen augegriffen hatten. So wurden von den Gefangnen von Clcrf und
Arzfeld zwanzig zum Tode verurteilt. Die ganze Bevölkerung der Stadt Luxemburg
begleitete die Märtyrer zum Neuthor hinaus, nach dem Festungsglacis, wo die
einen erschossen, die andern mit der Guillotine hingerichtet wurden. Alle starben
gottergeben und heldenmütig.

Dieses letzte Blutbnd war das Ende des Klöppelkrieges.




Jm Frühjahr 1799 drohte ein neuer Aufstand in Belgien auszubrechen, als
die Franzosen neue Truppen gegen die Österreicher aushoben. In verschiednen
Gegenden Belgiens zogen junge Bauern umher, wie wenn sie einen neuen Krieg
gegen die Republikaner anfangen wollten. Erzherzog Karl von Österreich stand
mit einem der Anführer in Verbindung und erklärte sein Einverständnis mit einem
neuen Kampf gegen die Franzosen. Aber der Aufstand hatte keinen Erfolg; er
wurde diesmal im Keime erstickt. Im Walde von Neer-Assche wurden am 30. Juli
die Rebellen vou den Republikanern überfallen und vernichtet. Unter den Toten
befand sich auch Jacquemin, genannt Charles de Lonpoigne, einer der Führer der
Bauern, auf dessen Kopf die Franzosen schon lange einen Preis gesetzt hatten. Dies
war das Nachspiel des Bauernkrieges, dessen Jahrhundertseier in diesem Jahre
begangen worden ist.

Die Anführer der Bauern hatten unstreitig ein patriotisches, ein gerechtes und
heiliges Ziel im Auge. Allein sie täuschten sich gewaltig in der Wahl der Mittel,
sie überschätzten ihre Kräfte, und von den Städten im Stich gelassen, mußten sie
unterliegen. Es fehlte ihnen auch an Disziplin und vielfach an ausreichenden
Waffen. Sie waren ungeordnete Scharen, die sich wohl zum Kampfe begeisterten,
aber wenn sie einmal dem wohlbewaffneten Feinde gegenüberstanden, oft genng
davonliefen. Daneben gab es auch viele heldenmütige Züge, und wer könnte ver¬
kennen, daß ein großer Zug durch diesen ganzen Aufstand ging? Wer wollte sie
bethört nennen, diese Bauern, die lieber in den Tod gingen, als sich der Schmach
der Fremdherrschaft zu unterwerfen? Sie mußten ans die Dauer der Übermacht
der französischen Truppen erliegen, aber sie haben gekämpft, so lange sie konnten,
und viele von ihnen find als Helden gestorben. Man mag den Bauern- oder
Klöppelkrieg um nennen, wie mau will! eine "burleske bäuerliche Kriegskomödie
mit tragischen Ausgang" oder den "letzten Kraftansdruck der Vorzeit für Gott und
Vaterland" -- jedenfalls ist das Blut der Bauern nicht umsonst geflossen. Ihre
Kämpfe und ihre Niederlagen waren der beste Beweis für ihre Vaterlandsliebe,
und sie werden für ihre Nachkommen eine Mahnung sein, sich nicht von einem
fremden Volke knechten zu lassen.




Bilder aus dem vlämischen Bauernkrieg

Todesurteil hätten entziehen können. Nicht wahr, sprachen sie zu ihnen, es war
bloß ein Versehen, daß ihr auf die Franzosen geschossen habt? Aber zu bieder,
um sich zu verstellen und zu lügen, bekannten sie freimütig, daß sie absichtlich die
Franzosen augegriffen hatten. So wurden von den Gefangnen von Clcrf und
Arzfeld zwanzig zum Tode verurteilt. Die ganze Bevölkerung der Stadt Luxemburg
begleitete die Märtyrer zum Neuthor hinaus, nach dem Festungsglacis, wo die
einen erschossen, die andern mit der Guillotine hingerichtet wurden. Alle starben
gottergeben und heldenmütig.

Dieses letzte Blutbnd war das Ende des Klöppelkrieges.




Jm Frühjahr 1799 drohte ein neuer Aufstand in Belgien auszubrechen, als
die Franzosen neue Truppen gegen die Österreicher aushoben. In verschiednen
Gegenden Belgiens zogen junge Bauern umher, wie wenn sie einen neuen Krieg
gegen die Republikaner anfangen wollten. Erzherzog Karl von Österreich stand
mit einem der Anführer in Verbindung und erklärte sein Einverständnis mit einem
neuen Kampf gegen die Franzosen. Aber der Aufstand hatte keinen Erfolg; er
wurde diesmal im Keime erstickt. Im Walde von Neer-Assche wurden am 30. Juli
die Rebellen vou den Republikanern überfallen und vernichtet. Unter den Toten
befand sich auch Jacquemin, genannt Charles de Lonpoigne, einer der Führer der
Bauern, auf dessen Kopf die Franzosen schon lange einen Preis gesetzt hatten. Dies
war das Nachspiel des Bauernkrieges, dessen Jahrhundertseier in diesem Jahre
begangen worden ist.

Die Anführer der Bauern hatten unstreitig ein patriotisches, ein gerechtes und
heiliges Ziel im Auge. Allein sie täuschten sich gewaltig in der Wahl der Mittel,
sie überschätzten ihre Kräfte, und von den Städten im Stich gelassen, mußten sie
unterliegen. Es fehlte ihnen auch an Disziplin und vielfach an ausreichenden
Waffen. Sie waren ungeordnete Scharen, die sich wohl zum Kampfe begeisterten,
aber wenn sie einmal dem wohlbewaffneten Feinde gegenüberstanden, oft genng
davonliefen. Daneben gab es auch viele heldenmütige Züge, und wer könnte ver¬
kennen, daß ein großer Zug durch diesen ganzen Aufstand ging? Wer wollte sie
bethört nennen, diese Bauern, die lieber in den Tod gingen, als sich der Schmach
der Fremdherrschaft zu unterwerfen? Sie mußten ans die Dauer der Übermacht
der französischen Truppen erliegen, aber sie haben gekämpft, so lange sie konnten,
und viele von ihnen find als Helden gestorben. Man mag den Bauern- oder
Klöppelkrieg um nennen, wie mau will! eine „burleske bäuerliche Kriegskomödie
mit tragischen Ausgang" oder den „letzten Kraftansdruck der Vorzeit für Gott und
Vaterland" — jedenfalls ist das Blut der Bauern nicht umsonst geflossen. Ihre
Kämpfe und ihre Niederlagen waren der beste Beweis für ihre Vaterlandsliebe,
und sie werden für ihre Nachkommen eine Mahnung sein, sich nicht von einem
fremden Volke knechten zu lassen.




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[0435] Bilder aus dem vlämischen Bauernkrieg Todesurteil hätten entziehen können. Nicht wahr, sprachen sie zu ihnen, es war bloß ein Versehen, daß ihr auf die Franzosen geschossen habt? Aber zu bieder, um sich zu verstellen und zu lügen, bekannten sie freimütig, daß sie absichtlich die Franzosen augegriffen hatten. So wurden von den Gefangnen von Clcrf und Arzfeld zwanzig zum Tode verurteilt. Die ganze Bevölkerung der Stadt Luxemburg begleitete die Märtyrer zum Neuthor hinaus, nach dem Festungsglacis, wo die einen erschossen, die andern mit der Guillotine hingerichtet wurden. Alle starben gottergeben und heldenmütig. Dieses letzte Blutbnd war das Ende des Klöppelkrieges. Jm Frühjahr 1799 drohte ein neuer Aufstand in Belgien auszubrechen, als die Franzosen neue Truppen gegen die Österreicher aushoben. In verschiednen Gegenden Belgiens zogen junge Bauern umher, wie wenn sie einen neuen Krieg gegen die Republikaner anfangen wollten. Erzherzog Karl von Österreich stand mit einem der Anführer in Verbindung und erklärte sein Einverständnis mit einem neuen Kampf gegen die Franzosen. Aber der Aufstand hatte keinen Erfolg; er wurde diesmal im Keime erstickt. Im Walde von Neer-Assche wurden am 30. Juli die Rebellen vou den Republikanern überfallen und vernichtet. Unter den Toten befand sich auch Jacquemin, genannt Charles de Lonpoigne, einer der Führer der Bauern, auf dessen Kopf die Franzosen schon lange einen Preis gesetzt hatten. Dies war das Nachspiel des Bauernkrieges, dessen Jahrhundertseier in diesem Jahre begangen worden ist. Die Anführer der Bauern hatten unstreitig ein patriotisches, ein gerechtes und heiliges Ziel im Auge. Allein sie täuschten sich gewaltig in der Wahl der Mittel, sie überschätzten ihre Kräfte, und von den Städten im Stich gelassen, mußten sie unterliegen. Es fehlte ihnen auch an Disziplin und vielfach an ausreichenden Waffen. Sie waren ungeordnete Scharen, die sich wohl zum Kampfe begeisterten, aber wenn sie einmal dem wohlbewaffneten Feinde gegenüberstanden, oft genng davonliefen. Daneben gab es auch viele heldenmütige Züge, und wer könnte ver¬ kennen, daß ein großer Zug durch diesen ganzen Aufstand ging? Wer wollte sie bethört nennen, diese Bauern, die lieber in den Tod gingen, als sich der Schmach der Fremdherrschaft zu unterwerfen? Sie mußten ans die Dauer der Übermacht der französischen Truppen erliegen, aber sie haben gekämpft, so lange sie konnten, und viele von ihnen find als Helden gestorben. Man mag den Bauern- oder Klöppelkrieg um nennen, wie mau will! eine „burleske bäuerliche Kriegskomödie mit tragischen Ausgang" oder den „letzten Kraftansdruck der Vorzeit für Gott und Vaterland" — jedenfalls ist das Blut der Bauern nicht umsonst geflossen. Ihre Kämpfe und ihre Niederlagen waren der beste Beweis für ihre Vaterlandsliebe, und sie werden für ihre Nachkommen eine Mahnung sein, sich nicht von einem fremden Volke knechten zu lassen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/435>, abgerufen am 24.07.2024.