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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Steht die katholische Belletristik auf der Höhe der Zeit?

meiner geschichtlichen Erfahrung erklären. Das Zerschlagen zu großer Güter
kann der Staat nicht allein erlauben, sondern er muß es auch befördern; gerade
ans verkleinerten Flächen kann der wohlhabende Gutsbesitzer mehr als ans
großen leisten, das zeigt das Beispiel von Belgien; das Zusammenlegen kleiner
Ackernahrungen aber muß der Staat nach meiner Ansicht durch Gesetze verhin¬
dern ; das Geld hat sonst im Laufe der Zeit zu großes Übergewicht, es kauft
so wie in Irland und Italien alle kleinen Landbesitzer aus und verwandelt
sie in elende Pächter."

(Fortsetzung folgt)




Steht die katholische Belletristik auf der Höhe der Zeit?

uf dem letzten Katholikentage zu Dortmund wurde eine "Re¬
solution" gefaßt oder, mit andern Worte", die unbewiesene Ansicht
ausgesprochen, es sei mit der katholischen Unterhaltnngslitteratur
der Gegenwart recht gut bestellt. Kein guter Katholik, so hieß
es weiter, brauche auf diesem Gebiete zu den Erzeugnissen der
Modernen, der evangelischen Christen, der Liberalen, kurzum der Nichtkatho-
liken zu greifen; die Dichter des Katholizismus genügten vollkommen. Den
Wortlaut dieses zufriedner "Beschlusses" über den Zustand der katholischen
Belletristik der Gegenwart habe ich augenblicklich leider nicht vor mir; aber
der Sinn der Kundgebung bewegte sich durchaus in dieser Richtung. Ich
vermute, daß der eifrige Rektor Huppert aus Mainz, der schon mehrfach
in katholischen Blättern durch seine seelsorgerische Begutachtung der Kunst
ein gewisses Aufsehen gemacht hat, der geistige Vater dieser seltsamen Re¬
solution ist.

Zugleich gingen auf diesem Katholikentage die ersten Exemplare einer
Schrift von Hand zu Hand, worin mit überzeugenden Nachdruck und unge¬
wöhnlichem Geschmack in der Beurteilung unsrer litterarischen Erzeugnisse genau
das Gegenteil von dieser Behauptung nachgewiesen wurde. Die Schrift: "Steht
die katholische Belletristik auf der Hohe der Zeit? Eine litterarische Gewissens¬
frage," "1 hat einen Mann zum Verfasser, der sich geradezu auffällig von dem
im allgemeinen ziemlich tiefstehenden kritischen Vermögen seiner Glaubensgenossen
abhebt, einen Mann von feiner litterarischer Bildung, guter Belesenheit und



*) Mainz, Franz Kirchheim, 82 Seiten. 1 Mark,
Steht die katholische Belletristik auf der Höhe der Zeit?

meiner geschichtlichen Erfahrung erklären. Das Zerschlagen zu großer Güter
kann der Staat nicht allein erlauben, sondern er muß es auch befördern; gerade
ans verkleinerten Flächen kann der wohlhabende Gutsbesitzer mehr als ans
großen leisten, das zeigt das Beispiel von Belgien; das Zusammenlegen kleiner
Ackernahrungen aber muß der Staat nach meiner Ansicht durch Gesetze verhin¬
dern ; das Geld hat sonst im Laufe der Zeit zu großes Übergewicht, es kauft
so wie in Irland und Italien alle kleinen Landbesitzer aus und verwandelt
sie in elende Pächter."

(Fortsetzung folgt)




Steht die katholische Belletristik auf der Höhe der Zeit?

uf dem letzten Katholikentage zu Dortmund wurde eine „Re¬
solution" gefaßt oder, mit andern Worte», die unbewiesene Ansicht
ausgesprochen, es sei mit der katholischen Unterhaltnngslitteratur
der Gegenwart recht gut bestellt. Kein guter Katholik, so hieß
es weiter, brauche auf diesem Gebiete zu den Erzeugnissen der
Modernen, der evangelischen Christen, der Liberalen, kurzum der Nichtkatho-
liken zu greifen; die Dichter des Katholizismus genügten vollkommen. Den
Wortlaut dieses zufriedner „Beschlusses" über den Zustand der katholischen
Belletristik der Gegenwart habe ich augenblicklich leider nicht vor mir; aber
der Sinn der Kundgebung bewegte sich durchaus in dieser Richtung. Ich
vermute, daß der eifrige Rektor Huppert aus Mainz, der schon mehrfach
in katholischen Blättern durch seine seelsorgerische Begutachtung der Kunst
ein gewisses Aufsehen gemacht hat, der geistige Vater dieser seltsamen Re¬
solution ist.

Zugleich gingen auf diesem Katholikentage die ersten Exemplare einer
Schrift von Hand zu Hand, worin mit überzeugenden Nachdruck und unge¬
wöhnlichem Geschmack in der Beurteilung unsrer litterarischen Erzeugnisse genau
das Gegenteil von dieser Behauptung nachgewiesen wurde. Die Schrift: „Steht
die katholische Belletristik auf der Hohe der Zeit? Eine litterarische Gewissens¬
frage," "1 hat einen Mann zum Verfasser, der sich geradezu auffällig von dem
im allgemeinen ziemlich tiefstehenden kritischen Vermögen seiner Glaubensgenossen
abhebt, einen Mann von feiner litterarischer Bildung, guter Belesenheit und



*) Mainz, Franz Kirchheim, 82 Seiten. 1 Mark,
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[0414] Steht die katholische Belletristik auf der Höhe der Zeit? meiner geschichtlichen Erfahrung erklären. Das Zerschlagen zu großer Güter kann der Staat nicht allein erlauben, sondern er muß es auch befördern; gerade ans verkleinerten Flächen kann der wohlhabende Gutsbesitzer mehr als ans großen leisten, das zeigt das Beispiel von Belgien; das Zusammenlegen kleiner Ackernahrungen aber muß der Staat nach meiner Ansicht durch Gesetze verhin¬ dern ; das Geld hat sonst im Laufe der Zeit zu großes Übergewicht, es kauft so wie in Irland und Italien alle kleinen Landbesitzer aus und verwandelt sie in elende Pächter." (Fortsetzung folgt) Steht die katholische Belletristik auf der Höhe der Zeit? uf dem letzten Katholikentage zu Dortmund wurde eine „Re¬ solution" gefaßt oder, mit andern Worte», die unbewiesene Ansicht ausgesprochen, es sei mit der katholischen Unterhaltnngslitteratur der Gegenwart recht gut bestellt. Kein guter Katholik, so hieß es weiter, brauche auf diesem Gebiete zu den Erzeugnissen der Modernen, der evangelischen Christen, der Liberalen, kurzum der Nichtkatho- liken zu greifen; die Dichter des Katholizismus genügten vollkommen. Den Wortlaut dieses zufriedner „Beschlusses" über den Zustand der katholischen Belletristik der Gegenwart habe ich augenblicklich leider nicht vor mir; aber der Sinn der Kundgebung bewegte sich durchaus in dieser Richtung. Ich vermute, daß der eifrige Rektor Huppert aus Mainz, der schon mehrfach in katholischen Blättern durch seine seelsorgerische Begutachtung der Kunst ein gewisses Aufsehen gemacht hat, der geistige Vater dieser seltsamen Re¬ solution ist. Zugleich gingen auf diesem Katholikentage die ersten Exemplare einer Schrift von Hand zu Hand, worin mit überzeugenden Nachdruck und unge¬ wöhnlichem Geschmack in der Beurteilung unsrer litterarischen Erzeugnisse genau das Gegenteil von dieser Behauptung nachgewiesen wurde. Die Schrift: „Steht die katholische Belletristik auf der Hohe der Zeit? Eine litterarische Gewissens¬ frage," "1 hat einen Mann zum Verfasser, der sich geradezu auffällig von dem im allgemeinen ziemlich tiefstehenden kritischen Vermögen seiner Glaubensgenossen abhebt, einen Mann von feiner litterarischer Bildung, guter Belesenheit und *) Mainz, Franz Kirchheim, 82 Seiten. 1 Mark,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/414>, abgerufen am 12.12.2024.