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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Sie Epoche der südafrikanischen Völkerwanderung

hatte sich der Zulustamm während der Bantuwanderung die Führung zu ver¬
schaffen gewußt. Die Bewegung war noch nicht weit über den Zambesi hinaus¬
gelangt. Zu Anfang dieses Jahrhunderts begann dann eine neue südwärts
gerichtete Bewegung. Bei den Plänkeleien, die jedem derartigen Zuge voraus¬
gingen, zeichnete sich durch sein eminentes Feldherrntalent ein junger Häupt¬
ling aus, Tschaka, der sich dann in kurzer Frist die Oberherrschaft über seine
Stammesaugehörigen zu erzwingen wußte. Er organisirte sein Volk voll¬
kommen militärisch. Jeder kriegstüchtige Stammesangehörige war Soldat.
Um seine Krieger freizügiger zu machen, verbot Tschaka ihnen den verweich¬
lichenden ehelichen Verkehr und ersetzte ihn durch unbeschränktes Konkubinat.
Das Herr wurde in 30 Regimenter zu 1500 Mann geteilt. Jedes Regiment
zerfiel in drei Abteilungen, die jungen Männer als Linie, die ältern als
Reserve, die dritte Abteilung bildete der Troß. Die einzelnen Regimenter
wurden durch Feder- und Schildschmuck unterschieden. Bogen und Pfeile,
sowie Wurfspieße ersetzte Tschaka durch Schlacht- und Handspeere -- noch
heute die gefährliche Waffe der Wahehe. Das machte natürlich eine veränderte
Taktik nötig. An Stelle der bei den afrikanischen Völkern sonst üblichen
Schützenlinienkampsstellung führte er die geschlossene Phalanx ein, durch die
auch die Wahehe noch so große Erfolge erzielten. Diese Kampfesweise, die
aus alle Fernwaffen verzichtet und den Mann gegen den Mann stellt, verlangt
bedeutenden persönlichen Mut des Einzelnen: daß er bei seinen Kriegern nicht
erschlaffte -- das Mittel des religiösen Fanatismus stand ihm ja nicht zur
Verfügung --, brauchte Tschaka ein bestialisches Mittel, er reizte unablässig
den Blutdurst seiner Krieger. Bei jeder festlichen Gelegenheit ließ er Hunderte
seines Stammes, falls Gefangne nicht zur Verfügung waren, niedermetzeln.
Als seine Mutter starb, zwang er bei der Trauerfeier tausend seiner Krieger
sich selbst zu töten und sterbend sein Lob zu singen, dann ließ er tausend
srischmilchcnde Kühe töten, daß die Kälber verhungernd fühlen sollten, welcher
Schmerz es ist, eine Mutter zu verlieren. So äußerte sich in dieser Bestie
die Kindesliebe!

Tschakas Eroberungszüge begannen im Jahre 1816. Es gelang ihm, sich
das ganze Südostafrika zu unterwerfen, das heutige (natürlich vor der Ein¬
wanderung der Buren) Transvaal, Natal, Basutolcmd und den Orcmjefreistaat,
Seine Heere trieben die Völker wie aufgescheuchtes Wild vor sich her und
warfen sie durcheinander, sodaß die Völkerkarte des südlichen Afrika jetzt ein
wunderliches Mosaik ist. Die Pest gebot aber schon im Jahre 1828 seinem
Siegeszuge Halt; sie vernichtete den größten Teil seines Heeres, und Tschaka
selbst fiel dem Mordstahl seines Bruders Dingaan zum Opfer.

Tschakas Epigonen, besonders Dingaan, hatten zwar seine Grausamkeit,
nicht aber sein Herrschertalent geerbt. Sie hatten zudem das Unglück, mit
einer andern Völkerwanderung zusammenzutreffen, die sich mächtiger erweisen


Sie Epoche der südafrikanischen Völkerwanderung

hatte sich der Zulustamm während der Bantuwanderung die Führung zu ver¬
schaffen gewußt. Die Bewegung war noch nicht weit über den Zambesi hinaus¬
gelangt. Zu Anfang dieses Jahrhunderts begann dann eine neue südwärts
gerichtete Bewegung. Bei den Plänkeleien, die jedem derartigen Zuge voraus¬
gingen, zeichnete sich durch sein eminentes Feldherrntalent ein junger Häupt¬
ling aus, Tschaka, der sich dann in kurzer Frist die Oberherrschaft über seine
Stammesaugehörigen zu erzwingen wußte. Er organisirte sein Volk voll¬
kommen militärisch. Jeder kriegstüchtige Stammesangehörige war Soldat.
Um seine Krieger freizügiger zu machen, verbot Tschaka ihnen den verweich¬
lichenden ehelichen Verkehr und ersetzte ihn durch unbeschränktes Konkubinat.
Das Herr wurde in 30 Regimenter zu 1500 Mann geteilt. Jedes Regiment
zerfiel in drei Abteilungen, die jungen Männer als Linie, die ältern als
Reserve, die dritte Abteilung bildete der Troß. Die einzelnen Regimenter
wurden durch Feder- und Schildschmuck unterschieden. Bogen und Pfeile,
sowie Wurfspieße ersetzte Tschaka durch Schlacht- und Handspeere — noch
heute die gefährliche Waffe der Wahehe. Das machte natürlich eine veränderte
Taktik nötig. An Stelle der bei den afrikanischen Völkern sonst üblichen
Schützenlinienkampsstellung führte er die geschlossene Phalanx ein, durch die
auch die Wahehe noch so große Erfolge erzielten. Diese Kampfesweise, die
aus alle Fernwaffen verzichtet und den Mann gegen den Mann stellt, verlangt
bedeutenden persönlichen Mut des Einzelnen: daß er bei seinen Kriegern nicht
erschlaffte — das Mittel des religiösen Fanatismus stand ihm ja nicht zur
Verfügung —, brauchte Tschaka ein bestialisches Mittel, er reizte unablässig
den Blutdurst seiner Krieger. Bei jeder festlichen Gelegenheit ließ er Hunderte
seines Stammes, falls Gefangne nicht zur Verfügung waren, niedermetzeln.
Als seine Mutter starb, zwang er bei der Trauerfeier tausend seiner Krieger
sich selbst zu töten und sterbend sein Lob zu singen, dann ließ er tausend
srischmilchcnde Kühe töten, daß die Kälber verhungernd fühlen sollten, welcher
Schmerz es ist, eine Mutter zu verlieren. So äußerte sich in dieser Bestie
die Kindesliebe!

Tschakas Eroberungszüge begannen im Jahre 1816. Es gelang ihm, sich
das ganze Südostafrika zu unterwerfen, das heutige (natürlich vor der Ein¬
wanderung der Buren) Transvaal, Natal, Basutolcmd und den Orcmjefreistaat,
Seine Heere trieben die Völker wie aufgescheuchtes Wild vor sich her und
warfen sie durcheinander, sodaß die Völkerkarte des südlichen Afrika jetzt ein
wunderliches Mosaik ist. Die Pest gebot aber schon im Jahre 1828 seinem
Siegeszuge Halt; sie vernichtete den größten Teil seines Heeres, und Tschaka
selbst fiel dem Mordstahl seines Bruders Dingaan zum Opfer.

Tschakas Epigonen, besonders Dingaan, hatten zwar seine Grausamkeit,
nicht aber sein Herrschertalent geerbt. Sie hatten zudem das Unglück, mit
einer andern Völkerwanderung zusammenzutreffen, die sich mächtiger erweisen


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[0343] Sie Epoche der südafrikanischen Völkerwanderung hatte sich der Zulustamm während der Bantuwanderung die Führung zu ver¬ schaffen gewußt. Die Bewegung war noch nicht weit über den Zambesi hinaus¬ gelangt. Zu Anfang dieses Jahrhunderts begann dann eine neue südwärts gerichtete Bewegung. Bei den Plänkeleien, die jedem derartigen Zuge voraus¬ gingen, zeichnete sich durch sein eminentes Feldherrntalent ein junger Häupt¬ ling aus, Tschaka, der sich dann in kurzer Frist die Oberherrschaft über seine Stammesaugehörigen zu erzwingen wußte. Er organisirte sein Volk voll¬ kommen militärisch. Jeder kriegstüchtige Stammesangehörige war Soldat. Um seine Krieger freizügiger zu machen, verbot Tschaka ihnen den verweich¬ lichenden ehelichen Verkehr und ersetzte ihn durch unbeschränktes Konkubinat. Das Herr wurde in 30 Regimenter zu 1500 Mann geteilt. Jedes Regiment zerfiel in drei Abteilungen, die jungen Männer als Linie, die ältern als Reserve, die dritte Abteilung bildete der Troß. Die einzelnen Regimenter wurden durch Feder- und Schildschmuck unterschieden. Bogen und Pfeile, sowie Wurfspieße ersetzte Tschaka durch Schlacht- und Handspeere — noch heute die gefährliche Waffe der Wahehe. Das machte natürlich eine veränderte Taktik nötig. An Stelle der bei den afrikanischen Völkern sonst üblichen Schützenlinienkampsstellung führte er die geschlossene Phalanx ein, durch die auch die Wahehe noch so große Erfolge erzielten. Diese Kampfesweise, die aus alle Fernwaffen verzichtet und den Mann gegen den Mann stellt, verlangt bedeutenden persönlichen Mut des Einzelnen: daß er bei seinen Kriegern nicht erschlaffte — das Mittel des religiösen Fanatismus stand ihm ja nicht zur Verfügung —, brauchte Tschaka ein bestialisches Mittel, er reizte unablässig den Blutdurst seiner Krieger. Bei jeder festlichen Gelegenheit ließ er Hunderte seines Stammes, falls Gefangne nicht zur Verfügung waren, niedermetzeln. Als seine Mutter starb, zwang er bei der Trauerfeier tausend seiner Krieger sich selbst zu töten und sterbend sein Lob zu singen, dann ließ er tausend srischmilchcnde Kühe töten, daß die Kälber verhungernd fühlen sollten, welcher Schmerz es ist, eine Mutter zu verlieren. So äußerte sich in dieser Bestie die Kindesliebe! Tschakas Eroberungszüge begannen im Jahre 1816. Es gelang ihm, sich das ganze Südostafrika zu unterwerfen, das heutige (natürlich vor der Ein¬ wanderung der Buren) Transvaal, Natal, Basutolcmd und den Orcmjefreistaat, Seine Heere trieben die Völker wie aufgescheuchtes Wild vor sich her und warfen sie durcheinander, sodaß die Völkerkarte des südlichen Afrika jetzt ein wunderliches Mosaik ist. Die Pest gebot aber schon im Jahre 1828 seinem Siegeszuge Halt; sie vernichtete den größten Teil seines Heeres, und Tschaka selbst fiel dem Mordstahl seines Bruders Dingaan zum Opfer. Tschakas Epigonen, besonders Dingaan, hatten zwar seine Grausamkeit, nicht aber sein Herrschertalent geerbt. Sie hatten zudem das Unglück, mit einer andern Völkerwanderung zusammenzutreffen, die sich mächtiger erweisen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/343>, abgerufen am 24.07.2024.