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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Das Schönbrunner Attentat im Jahre ^809

auf die politischen Entschließungen des Kaisers in jenen Tagen einen starken
Druck ausgeübt. Es ist das ein Punkt, der wohl Beachtung verdient.
Napoleon hatte oft genug mit heroischer Sorglosigkeit sein Leben dem Glück
Preisgegeben, aber die Kaltblütigkeit und der Starrsinn, mit dem hier ein
knabenhafter Held seinen Märtyrerpfad ging, schreckten ihn doch auf und zeigten
ihm die Gefahren, die ihn überall bedrohten. Wie wenig hatte diesmal zum
Gelingen gefehlt! Seine geheime Polizei war ohne Unterlaß beunruhigt und
zu verschärfter Wachsamkeit angestachelt, und der Kaiser selbst hatte das un¬
heimliche Gefühl, von hunderttausend Vendeer umgeben zu sein. "Die Auf¬
regung, schrieb Bourienne, machte große Fortschritte, und die jungen Köpfe
waren von einem Enthusiasmus eingenommen, der an jenen Fanatismus grenzte,
dessen Opfer Heinrich IV. wurde." Die patriotischen Insurrektionen in Nord¬
deutschland, Tirol und auf der Pyrenäenhalbinsel legten sich wie drohende
Schatten über den Weg des Kaisers. Namentlich den kecken Zug der Schill-
schen Freischar zog er in seinen Gesprächen damals wiederholt als Parallele
zu dem Schönbrunner Attentat. Seine volle Antipathie wandte er aber gegen
die Illuminaten. Da der Illuminatenorden damals schon völlig tot war, so
verstand Napoleon unter dieser Bezeichnung ohne Zweifel den Tugendbund,
dessen Auflösung er denn auch noch in demselben Jahre veranlaßte. "Da habt
ihr, sagte er nach dem Stapsschen Verhör zu seinen Generalen, die Resultate
des Jlluminatismus, der Deutschland beunruhigt. Wahrlich, schöne Grundsätze,
schöne Ansichten! Sie bilden die Jugend zu Mördern heran. Es giebt keine
Mittel gegen diesen Jlluminatismus. Kanonenschüsse schüchtern eine Sekte
nicht ein."

Sofort nach dem Attentat, am 12. Oktober, ließ der Kaiser seinen
Minister, den Herrn von Champagny, kommen und fragte nach dem Gange
der Friedensunterhandlungen, die durch Österreichs Hartnäckigkeit zu stocken
drohten. "Ich will, sagte er, daß sie sofort angeknüpft werden. Schließen
Sie ab; ich wünsche den Frieden. Lasten Sie es auf eine Million mehr oder
weniger, die ich von Österreich verlange, nicht ankommen. Geben Sie in
diesem Punkte nach. Ich will der Sache ein Ende machen!" Das geschah.
Frankreich ermäßigte seine Forderungen von hundert Millionen auf fünfund¬
achtzig Millionen. Am 14. Oktober wurde der Friede in der That zu Wien
geschlossen. Schon am 15. Oktober ratifizirte ihn Napoleon, noch ehe die
Schliffe seiner Württemberger den jungen Erfurter Kaufmannslehrling nieder¬
streckten, dessen fanatischer Mordversuch für den Kaiser der individuelle Grund
seiner Nachgiebigkeit gegen die österreichischen Forderungen geworden war.




Das Schönbrunner Attentat im Jahre ^809

auf die politischen Entschließungen des Kaisers in jenen Tagen einen starken
Druck ausgeübt. Es ist das ein Punkt, der wohl Beachtung verdient.
Napoleon hatte oft genug mit heroischer Sorglosigkeit sein Leben dem Glück
Preisgegeben, aber die Kaltblütigkeit und der Starrsinn, mit dem hier ein
knabenhafter Held seinen Märtyrerpfad ging, schreckten ihn doch auf und zeigten
ihm die Gefahren, die ihn überall bedrohten. Wie wenig hatte diesmal zum
Gelingen gefehlt! Seine geheime Polizei war ohne Unterlaß beunruhigt und
zu verschärfter Wachsamkeit angestachelt, und der Kaiser selbst hatte das un¬
heimliche Gefühl, von hunderttausend Vendeer umgeben zu sein. „Die Auf¬
regung, schrieb Bourienne, machte große Fortschritte, und die jungen Köpfe
waren von einem Enthusiasmus eingenommen, der an jenen Fanatismus grenzte,
dessen Opfer Heinrich IV. wurde." Die patriotischen Insurrektionen in Nord¬
deutschland, Tirol und auf der Pyrenäenhalbinsel legten sich wie drohende
Schatten über den Weg des Kaisers. Namentlich den kecken Zug der Schill-
schen Freischar zog er in seinen Gesprächen damals wiederholt als Parallele
zu dem Schönbrunner Attentat. Seine volle Antipathie wandte er aber gegen
die Illuminaten. Da der Illuminatenorden damals schon völlig tot war, so
verstand Napoleon unter dieser Bezeichnung ohne Zweifel den Tugendbund,
dessen Auflösung er denn auch noch in demselben Jahre veranlaßte. „Da habt
ihr, sagte er nach dem Stapsschen Verhör zu seinen Generalen, die Resultate
des Jlluminatismus, der Deutschland beunruhigt. Wahrlich, schöne Grundsätze,
schöne Ansichten! Sie bilden die Jugend zu Mördern heran. Es giebt keine
Mittel gegen diesen Jlluminatismus. Kanonenschüsse schüchtern eine Sekte
nicht ein."

Sofort nach dem Attentat, am 12. Oktober, ließ der Kaiser seinen
Minister, den Herrn von Champagny, kommen und fragte nach dem Gange
der Friedensunterhandlungen, die durch Österreichs Hartnäckigkeit zu stocken
drohten. „Ich will, sagte er, daß sie sofort angeknüpft werden. Schließen
Sie ab; ich wünsche den Frieden. Lasten Sie es auf eine Million mehr oder
weniger, die ich von Österreich verlange, nicht ankommen. Geben Sie in
diesem Punkte nach. Ich will der Sache ein Ende machen!" Das geschah.
Frankreich ermäßigte seine Forderungen von hundert Millionen auf fünfund¬
achtzig Millionen. Am 14. Oktober wurde der Friede in der That zu Wien
geschlossen. Schon am 15. Oktober ratifizirte ihn Napoleon, noch ehe die
Schliffe seiner Württemberger den jungen Erfurter Kaufmannslehrling nieder¬
streckten, dessen fanatischer Mordversuch für den Kaiser der individuelle Grund
seiner Nachgiebigkeit gegen die österreichischen Forderungen geworden war.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/312>, abgerufen am 12.12.2024.