Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.Theodor von Bernhard! als Nationalökonom jede Produktion ausschließlich zum Erwerb; was sich nicht direkt in Pfund und Der einzelne Beamte und Krieger steht ebenso wenig als ein Produzent Theodor von Bernhard! als Nationalökonom jede Produktion ausschließlich zum Erwerb; was sich nicht direkt in Pfund und Der einzelne Beamte und Krieger steht ebenso wenig als ein Produzent <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0213" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229162"/> <fw type="header" place="top"> Theodor von Bernhard! als Nationalökonom</fw><lb/> <p xml:id="ID_552" prev="#ID_551"> jede Produktion ausschließlich zum Erwerb; was sich nicht direkt in Pfund und<lb/> Schilling ausdrücken läßt, ist nicht produktiv. So gelangt die Schule zu einer<lb/> völlig verkehrten Schätzung der sogenannten immateriellen Produktion, will<lb/> sagen, aller geistigen und sittlichen Bestrebungen. Ihre Beziehungen zur Wohl¬<lb/> fahrt der Menschheit bleiben gänzlich unbeachtet, jede geistige Thätigkeit wird<lb/> einfach in die Kreise des gewerblichen Treibens herabgezogen, als habe sie gar<lb/> keinen andern Sinn. Neben der darin liegenden Herabwürdigung der ideellen<lb/> Bestrebungen liegt aber in dieser Betrachtung ein Denkfehler. Indem man<lb/> alles, was das weite Gebiet der sogenannten immateriellen Produktion umfaßt,<lb/> das höchste wie das niedrigste, das Ergebnis aller Dienste, die der Mensch<lb/> dem Menschen oder der Menschheit leistet, als Erzeugnisse betrachtet, die der<lb/> Produzent verkauft, um ein entsprechendes Einkommen zu gewinnen, und<lb/> die von dem gekauft werden, der ihrer bedarf oder ein Gelüsten darnach<lb/> spürt, wird als ausgemacht angenommen, daß sie samt und sonders zu den<lb/> eudämonistischen Bestrebungen des Einzelnen in Beziehung stehen. Das ist<lb/> natürlich nicht der Fall. Schon von dem Einzelnen werden geistige und<lb/> moralische Erzeugnisse keineswegs nur als ökonomische Güter produzirt, um sie<lb/> möglichst vorteilhaft zu verhökern, noch viel verkehrter wird die Auffassung<lb/> aber dann, wenn sie auf die Verhältnisse der Gesellschaft, des Staats, der<lb/> Negierung im ganzen angewandt wird. Die Negierung produzirt Schutz nach<lb/> außen, Sicherheit im Innern, und wenn es gut geht, ein Stück Weltgeschichte<lb/> und andres, aber doch gewiß nicht als eine Handelsware, deren Wert sich in<lb/> einer bestimmten Geldsumme kurzweg ausdrücken läßt. Sehr bezeichnend war<lb/> es, daß in der Maienblüte dieser Auffassung ein belgischer Abgeordneter in der<lb/> Kammer erklärte: Für unsre nationale Unabhängigkeit wollen wir jährlich<lb/> 25 Millionen Franks bezahlen; wenn sie mehr kostet, so wird sie uns zu teuer,<lb/> da werden wir lieber Franzosen.</p><lb/> <p xml:id="ID_553"> Der einzelne Beamte und Krieger steht ebenso wenig als ein Produzent<lb/> von Werten da, wie der einzelne Arbeiter in einer großen Fabrik; er ist ein<lb/> Organ in der Werkstätte des Staates, darin liegt seine Bedeutung und seine<lb/> Würde. Jeder Mensch und jedes Volk lebt sein Leben als ein Ganzes, in<lb/> dem sich alles gegenseitig trägt und bedingt, und so hat das wirtschaftliche<lb/> Leben eines Volkes nur als ein organischer Teil dieses Ganzen seinen Wert<lb/> und läßt sich nur als solcher verstehen. Es kann aber nur Unheil entstehen,<lb/> wenn man das gesamte thätige Leben auf ein erwerbendes Nützlichkeitsprodu-<lb/> zireu zurückführen will. Die sachlichen Güter bilden die materielle Grundlage,<lb/> auf der das Leben der Menschen und Völker ruht. Die Güter, die nach dieser<lb/> Abgrenzung in den Kreis gehören, den die Wirtschaftslehre umfaßt, sind gleich¬<lb/> artig und kommensurabel; sie sind sämtlich aus irgend einem Naturfonds ge¬<lb/> schöpft, dem, insofern er ausschließliches Eigentum wirklicher oder juristischer<lb/> Personen ist, der Wert des Produkts rückwirkend einen Kapitalwert verschafft.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0213]
Theodor von Bernhard! als Nationalökonom
jede Produktion ausschließlich zum Erwerb; was sich nicht direkt in Pfund und
Schilling ausdrücken läßt, ist nicht produktiv. So gelangt die Schule zu einer
völlig verkehrten Schätzung der sogenannten immateriellen Produktion, will
sagen, aller geistigen und sittlichen Bestrebungen. Ihre Beziehungen zur Wohl¬
fahrt der Menschheit bleiben gänzlich unbeachtet, jede geistige Thätigkeit wird
einfach in die Kreise des gewerblichen Treibens herabgezogen, als habe sie gar
keinen andern Sinn. Neben der darin liegenden Herabwürdigung der ideellen
Bestrebungen liegt aber in dieser Betrachtung ein Denkfehler. Indem man
alles, was das weite Gebiet der sogenannten immateriellen Produktion umfaßt,
das höchste wie das niedrigste, das Ergebnis aller Dienste, die der Mensch
dem Menschen oder der Menschheit leistet, als Erzeugnisse betrachtet, die der
Produzent verkauft, um ein entsprechendes Einkommen zu gewinnen, und
die von dem gekauft werden, der ihrer bedarf oder ein Gelüsten darnach
spürt, wird als ausgemacht angenommen, daß sie samt und sonders zu den
eudämonistischen Bestrebungen des Einzelnen in Beziehung stehen. Das ist
natürlich nicht der Fall. Schon von dem Einzelnen werden geistige und
moralische Erzeugnisse keineswegs nur als ökonomische Güter produzirt, um sie
möglichst vorteilhaft zu verhökern, noch viel verkehrter wird die Auffassung
aber dann, wenn sie auf die Verhältnisse der Gesellschaft, des Staats, der
Negierung im ganzen angewandt wird. Die Negierung produzirt Schutz nach
außen, Sicherheit im Innern, und wenn es gut geht, ein Stück Weltgeschichte
und andres, aber doch gewiß nicht als eine Handelsware, deren Wert sich in
einer bestimmten Geldsumme kurzweg ausdrücken läßt. Sehr bezeichnend war
es, daß in der Maienblüte dieser Auffassung ein belgischer Abgeordneter in der
Kammer erklärte: Für unsre nationale Unabhängigkeit wollen wir jährlich
25 Millionen Franks bezahlen; wenn sie mehr kostet, so wird sie uns zu teuer,
da werden wir lieber Franzosen.
Der einzelne Beamte und Krieger steht ebenso wenig als ein Produzent
von Werten da, wie der einzelne Arbeiter in einer großen Fabrik; er ist ein
Organ in der Werkstätte des Staates, darin liegt seine Bedeutung und seine
Würde. Jeder Mensch und jedes Volk lebt sein Leben als ein Ganzes, in
dem sich alles gegenseitig trägt und bedingt, und so hat das wirtschaftliche
Leben eines Volkes nur als ein organischer Teil dieses Ganzen seinen Wert
und läßt sich nur als solcher verstehen. Es kann aber nur Unheil entstehen,
wenn man das gesamte thätige Leben auf ein erwerbendes Nützlichkeitsprodu-
zireu zurückführen will. Die sachlichen Güter bilden die materielle Grundlage,
auf der das Leben der Menschen und Völker ruht. Die Güter, die nach dieser
Abgrenzung in den Kreis gehören, den die Wirtschaftslehre umfaßt, sind gleich¬
artig und kommensurabel; sie sind sämtlich aus irgend einem Naturfonds ge¬
schöpft, dem, insofern er ausschließliches Eigentum wirklicher oder juristischer
Personen ist, der Wert des Produkts rückwirkend einen Kapitalwert verschafft.
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