Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.die eine feste und breite Grundlage für die gesellschaftliche Pyramide ist. Bei Gerade daß diese moralischen und geistigen Kräfte in drückender Lage Aber wie hier die Schranken bezeichnet sind, die den Autor von den die eine feste und breite Grundlage für die gesellschaftliche Pyramide ist. Bei Gerade daß diese moralischen und geistigen Kräfte in drückender Lage Aber wie hier die Schranken bezeichnet sind, die den Autor von den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0206" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229155"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_529" prev="#ID_528"> die eine feste und breite Grundlage für die gesellschaftliche Pyramide ist. Bei<lb/> großen Gütern dagegen bildet sich eine weit weniger zahlreiche ländliche Be¬<lb/> völkerung, von der noch dazu der größte Teil arm, besitzlos und abhängig ist.<lb/> Ferner ist durch die sreie Teilbarkeit, die notwendige Bedingung des Daseins<lb/> kleiner Landwirtschaften, und durch die Möglichkeit ihrer Vermehrung das<lb/> Prinzip des Wachstums, der Entwicklung und Bewegung in den gesellschaft¬<lb/> lichen Organismus gelegt. In der Entwicklung und geistigen Bewegung aber<lb/> besteht das Leben und die Kraft.</p><lb/> <p xml:id="ID_530"> Gerade daß diese moralischen und geistigen Kräfte in drückender Lage<lb/> und unter dürftigen Verhältnissen leicht verkümmern, macht Bernhardt auch<lb/> zum Gegner der ganz freien Entfesselung des Bodens, um der Gefahr der<lb/> Entstehung zahlreicher Zwergwirtschaften zu entgehen. Die gleichen Übelstände<lb/> drohen bei zu großer Verschuldung des Bodens. Der Landmann ist dann der<lb/> Sache nach mit seinem gesamten Eigentum dem Güterwucherer und Kapitalisten<lb/> dienstbar, und dieser sieht sich in mancher Beziehung viel vorteilhafter gestellt<lb/> als der Seigneur des Mittelalters. Kein Band der Pietät knüpft ihn an<lb/> seinen Hintersassen; kein Herkommen verlangt Schonung von ihm, und das¬<lb/> selbe positive Recht, das die Feudallasten verdammt, steht ihm natürlich auf<lb/> das nachdrücklichste bei.</p><lb/> <p xml:id="ID_531" next="#ID_532"> Aber wie hier die Schranken bezeichnet sind, die den Autor von den<lb/> Agrariern und den Manchesterleuten scheiden, so trennt ihn seine Gesamtauf-<lb/> fassung viel entschiedner noch von den materialistischen Sozialdemokraten. In<lb/> dem Glauben an die eigne Würde und an die Macht des strebenden Geistes<lb/> kann er sich nicht überzeugen, daß die Menschheit nur dadurch, daß sie sich<lb/> vermehrt, ihre Bestimmung vollständig erfülle. Er fragt vielmehr, was denn<lb/> gewonnen ist bei einer Steigerung der Produktion, die ihrem Wesen nach nur<lb/> dazu dienen kann, eine vermehrte Bevölkerung, die sie notwendig hervorruft,<lb/> zu ernähren, nicht aber dazu, das Leben der gesamten Gesellschaft im einzelnen<lb/> und im ganzen zu veredeln und zu einer höhern Stufe menschlich-würdigen<lb/> Daseins emporzuheben. Und so sehr er für eine gerechte und selbst eine bessere<lb/> Verteilung des Einkommens, als die gegenwärtigen Verhältnisse erlauben, ein¬<lb/> tritt, so ist auch hier das Wohl der Gesamtheit, ihr intellektueller und moralischer<lb/> Zustand das Maß, dem sich die Verteilung zu fügen hat. Bei der Schilderung<lb/> des Elends, das entstehen müßte da, wo nur Zwergwirtschaften neben einander<lb/> bestünden und keine andern, fragt er: Wäre eine bewirkte gleichmäßigere Ver¬<lb/> teilung des erzeugten Einkommens wirklich unbedingt ein Gewinn zu nennen,<lb/> wenn unvermeidlich zu gleicher Zeit die Bevölkerung in ein fort und fort<lb/> zunehmendes schlechteres Verhältnis zu dem Gesamtbetrag ihrer gewerblichen<lb/> Thätigkeit geriete? — wenn sich der Haushalt im ganzen so gestalten müßte? —<lb/> und antwortet: dann wenigstens gewiß nicht mehr, wenn selbst bei dieser gleich¬<lb/> mäßigem Verteilung der Anteil eines jeden geringer und ungenügender würde</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0206]
die eine feste und breite Grundlage für die gesellschaftliche Pyramide ist. Bei
großen Gütern dagegen bildet sich eine weit weniger zahlreiche ländliche Be¬
völkerung, von der noch dazu der größte Teil arm, besitzlos und abhängig ist.
Ferner ist durch die sreie Teilbarkeit, die notwendige Bedingung des Daseins
kleiner Landwirtschaften, und durch die Möglichkeit ihrer Vermehrung das
Prinzip des Wachstums, der Entwicklung und Bewegung in den gesellschaft¬
lichen Organismus gelegt. In der Entwicklung und geistigen Bewegung aber
besteht das Leben und die Kraft.
Gerade daß diese moralischen und geistigen Kräfte in drückender Lage
und unter dürftigen Verhältnissen leicht verkümmern, macht Bernhardt auch
zum Gegner der ganz freien Entfesselung des Bodens, um der Gefahr der
Entstehung zahlreicher Zwergwirtschaften zu entgehen. Die gleichen Übelstände
drohen bei zu großer Verschuldung des Bodens. Der Landmann ist dann der
Sache nach mit seinem gesamten Eigentum dem Güterwucherer und Kapitalisten
dienstbar, und dieser sieht sich in mancher Beziehung viel vorteilhafter gestellt
als der Seigneur des Mittelalters. Kein Band der Pietät knüpft ihn an
seinen Hintersassen; kein Herkommen verlangt Schonung von ihm, und das¬
selbe positive Recht, das die Feudallasten verdammt, steht ihm natürlich auf
das nachdrücklichste bei.
Aber wie hier die Schranken bezeichnet sind, die den Autor von den
Agrariern und den Manchesterleuten scheiden, so trennt ihn seine Gesamtauf-
fassung viel entschiedner noch von den materialistischen Sozialdemokraten. In
dem Glauben an die eigne Würde und an die Macht des strebenden Geistes
kann er sich nicht überzeugen, daß die Menschheit nur dadurch, daß sie sich
vermehrt, ihre Bestimmung vollständig erfülle. Er fragt vielmehr, was denn
gewonnen ist bei einer Steigerung der Produktion, die ihrem Wesen nach nur
dazu dienen kann, eine vermehrte Bevölkerung, die sie notwendig hervorruft,
zu ernähren, nicht aber dazu, das Leben der gesamten Gesellschaft im einzelnen
und im ganzen zu veredeln und zu einer höhern Stufe menschlich-würdigen
Daseins emporzuheben. Und so sehr er für eine gerechte und selbst eine bessere
Verteilung des Einkommens, als die gegenwärtigen Verhältnisse erlauben, ein¬
tritt, so ist auch hier das Wohl der Gesamtheit, ihr intellektueller und moralischer
Zustand das Maß, dem sich die Verteilung zu fügen hat. Bei der Schilderung
des Elends, das entstehen müßte da, wo nur Zwergwirtschaften neben einander
bestünden und keine andern, fragt er: Wäre eine bewirkte gleichmäßigere Ver¬
teilung des erzeugten Einkommens wirklich unbedingt ein Gewinn zu nennen,
wenn unvermeidlich zu gleicher Zeit die Bevölkerung in ein fort und fort
zunehmendes schlechteres Verhältnis zu dem Gesamtbetrag ihrer gewerblichen
Thätigkeit geriete? — wenn sich der Haushalt im ganzen so gestalten müßte? —
und antwortet: dann wenigstens gewiß nicht mehr, wenn selbst bei dieser gleich¬
mäßigem Verteilung der Anteil eines jeden geringer und ungenügender würde
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