Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.Die Landwirtschaft im preußischen Osten dringlich dazu, eine Verbilligung der Arbcitskosten durch ausgedehntere An¬ Als Mittel, dem vielfach nicht wegzuleugnenden Arbeitermangel zu be¬ Wir kommen damit zur Betrachtung der Besitzverteilung von Grund und *) Grenzboten IM III S. 142 ff.: Bauerngüter und Großbetriebe in der Land¬
wirtschaft. Die Landwirtschaft im preußischen Osten dringlich dazu, eine Verbilligung der Arbcitskosten durch ausgedehntere An¬ Als Mittel, dem vielfach nicht wegzuleugnenden Arbeitermangel zu be¬ Wir kommen damit zur Betrachtung der Besitzverteilung von Grund und *) Grenzboten IM III S. 142 ff.: Bauerngüter und Großbetriebe in der Land¬
wirtschaft. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0142" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229090"/> <fw type="header" place="top"> Die Landwirtschaft im preußischen Osten</fw><lb/> <p xml:id="ID_349" prev="#ID_348"> dringlich dazu, eine Verbilligung der Arbcitskosten durch ausgedehntere An¬<lb/> wendung von landwirtschaftlichen Maschinen anzustreben. Gerade im Osten<lb/> falle dem Maschinenwesen bei dem vorherrschenden Großbetrieb und bei der<lb/> kürzern Jahreszeit eine höhere Bedeutung zu als im Westen. Trotzdem sei<lb/> der Gebrauch von Maschinen im Westen viel ausgedehnter als im Osten.<lb/> Der Einwand, es fehle dem Osten an Kapital zur Anschaffung, wird treffend<lb/> damit zurückgewiesen, daß die Beschaffung von entsprechend mehr Zugvieh<lb/> mit Stallungen, Geräten usw. nicht weniger, sondern mehr koste.</p><lb/> <p xml:id="ID_350"> Als Mittel, dem vielfach nicht wegzuleugnenden Arbeitermangel zu be¬<lb/> gegnen, empfiehlt der Verfasser vor allem die „Seßhaftmachung" durch Besse¬<lb/> rung der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Arbeiterbevölkerung. Er glaubt<lb/> durch die Lieferung von Wohnung, Brennmaterial, Brodgetreide, Garten,<lb/> Ackerland zum Kartoffelbau und Viehfutter und durch die Gewährung eines<lb/> möglichst selbständigen kleinen Wirtschaftsbetriebes neben entsprechendem Geld¬<lb/> lohn diese Seßhaftmachung hauptsächlich erreichen zu können und scheint auf<lb/> die „weitern Probleme," wie die Gewährung der Möglichkeit zur Erlangung<lb/> eines eignen Grundbesitzes u. dergl., ein geringeres Gewicht zu legen. Wo<lb/> sich die Flucht vom Lande wirklich schon geltend macht, wird, um ihr auf die<lb/> Dauer zu begegnen, unsers Erachtens gerade die auch vom Freiherrn von der<lb/> Goltz empfohluc Schaffung eines grundbesitzenden Arbeiterstandes auf dem<lb/> Lande im Osten die allerwichtigste Aufgabe sein, sowohl für die Großbaueru-<lb/> bezirke wie für die Gegenden mit vorherrschendem Großbetriebe.</p><lb/> <p xml:id="ID_351" next="#ID_352"> Wir kommen damit zur Betrachtung der Besitzverteilung von Grund und<lb/> Boden, die wir oben schon flüchtig berührt haben, zurück. Auf Grund der<lb/> Veröffentlichung des Kaiserlichen Statistischen Amts: „Die Landwirtschaft im<lb/> Deutschen Reich nach der landwirtschaftlichen Betriebszählung vom 14. Juni<lb/> 1895" sind über den landwirtschaftlichen Großbetrieb als die charakteristische<lb/> Betriebsform des Ostens in den Grenzboten vor einiger Zeit einige statistische<lb/> Angaben gemacht worden, auf die hier zu verweisen ist.") Es wurde dabei<lb/> namentlich die Bedeutung der Großbetriebe mit 200 Hektar und mehr land¬<lb/> wirtschaftlicher Fläche hervorgehoben. Hinsichtlich der Parzellenbetriebe bis<lb/> zu zwei Hektar wurde betont, daß sie im Osten vielfach sogenannte Deputat¬<lb/> betriebe wären, die als wirklich selbständige Wirtschafte» zumeist nicht angesehen<lb/> werden könnten. Selbständige Parzellenbetriebe ebenso wie kleinbäuerliche (zwei<lb/> bis fünf Hektar) sind in den vier Ostprovinzen, und übrigens auch in dem<lb/> Großbauernlande Schleswig-Holstein, viel zu wenig vorhanden. Die Arbeiter<lb/> haben so gut wie keine Aussicht, durch Fleiß und Sparsamkeit zur Selbständig-<lb/> keit zu gelangen, wie das im Westen der Fall ist. Es liegt auf der Hand,<lb/> daß die Kinder grundbesitzender Landarbeiter und Kleinbauern mehr Heimath-</p><lb/> <note xml:id="FID_16" place="foot"> *) Grenzboten IM III S. 142 ff.: Bauerngüter und Großbetriebe in der Land¬<lb/> wirtschaft.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0142]
Die Landwirtschaft im preußischen Osten
dringlich dazu, eine Verbilligung der Arbcitskosten durch ausgedehntere An¬
wendung von landwirtschaftlichen Maschinen anzustreben. Gerade im Osten
falle dem Maschinenwesen bei dem vorherrschenden Großbetrieb und bei der
kürzern Jahreszeit eine höhere Bedeutung zu als im Westen. Trotzdem sei
der Gebrauch von Maschinen im Westen viel ausgedehnter als im Osten.
Der Einwand, es fehle dem Osten an Kapital zur Anschaffung, wird treffend
damit zurückgewiesen, daß die Beschaffung von entsprechend mehr Zugvieh
mit Stallungen, Geräten usw. nicht weniger, sondern mehr koste.
Als Mittel, dem vielfach nicht wegzuleugnenden Arbeitermangel zu be¬
gegnen, empfiehlt der Verfasser vor allem die „Seßhaftmachung" durch Besse¬
rung der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Arbeiterbevölkerung. Er glaubt
durch die Lieferung von Wohnung, Brennmaterial, Brodgetreide, Garten,
Ackerland zum Kartoffelbau und Viehfutter und durch die Gewährung eines
möglichst selbständigen kleinen Wirtschaftsbetriebes neben entsprechendem Geld¬
lohn diese Seßhaftmachung hauptsächlich erreichen zu können und scheint auf
die „weitern Probleme," wie die Gewährung der Möglichkeit zur Erlangung
eines eignen Grundbesitzes u. dergl., ein geringeres Gewicht zu legen. Wo
sich die Flucht vom Lande wirklich schon geltend macht, wird, um ihr auf die
Dauer zu begegnen, unsers Erachtens gerade die auch vom Freiherrn von der
Goltz empfohluc Schaffung eines grundbesitzenden Arbeiterstandes auf dem
Lande im Osten die allerwichtigste Aufgabe sein, sowohl für die Großbaueru-
bezirke wie für die Gegenden mit vorherrschendem Großbetriebe.
Wir kommen damit zur Betrachtung der Besitzverteilung von Grund und
Boden, die wir oben schon flüchtig berührt haben, zurück. Auf Grund der
Veröffentlichung des Kaiserlichen Statistischen Amts: „Die Landwirtschaft im
Deutschen Reich nach der landwirtschaftlichen Betriebszählung vom 14. Juni
1895" sind über den landwirtschaftlichen Großbetrieb als die charakteristische
Betriebsform des Ostens in den Grenzboten vor einiger Zeit einige statistische
Angaben gemacht worden, auf die hier zu verweisen ist.") Es wurde dabei
namentlich die Bedeutung der Großbetriebe mit 200 Hektar und mehr land¬
wirtschaftlicher Fläche hervorgehoben. Hinsichtlich der Parzellenbetriebe bis
zu zwei Hektar wurde betont, daß sie im Osten vielfach sogenannte Deputat¬
betriebe wären, die als wirklich selbständige Wirtschafte» zumeist nicht angesehen
werden könnten. Selbständige Parzellenbetriebe ebenso wie kleinbäuerliche (zwei
bis fünf Hektar) sind in den vier Ostprovinzen, und übrigens auch in dem
Großbauernlande Schleswig-Holstein, viel zu wenig vorhanden. Die Arbeiter
haben so gut wie keine Aussicht, durch Fleiß und Sparsamkeit zur Selbständig-
keit zu gelangen, wie das im Westen der Fall ist. Es liegt auf der Hand,
daß die Kinder grundbesitzender Landarbeiter und Kleinbauern mehr Heimath-
*) Grenzboten IM III S. 142 ff.: Bauerngüter und Großbetriebe in der Land¬
wirtschaft.
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